"Feuerwerk aus Alen Kanonen"
Geschrieben am 23.11.2024 2024-11-23 | Aktualisiert am 24.11.2024
"Das Brauhaus hat Charme"
Geschrieben am 16.11.2024 2024-11-16
"Urige Kneipe"
Geschrieben am 16.11.2024 2024-11-16
"Entspannt genießen"
Geschrieben am 27.10.2024 2024-10-27
"Wir fahren nicht wegen der Speisen zu Ikea - aber machmal ..."
Geschrieben am 19.10.2024 2024-10-19 | Aktualisiert am 19.10.2024
Da müssen die arrivierten Anbieter sehen, wie sie das genussgeneigte Publikum halten oder zurückgewinnen.
So auch Alen Radic, der sympathische, kroatischstämmige Inhaber und Koch des Limbourg, der zwischen und vor den denkmalgeschützten roten Ziegelmauern im quirligen Belgischen Viertel vornehmlich klassisch-basierte Küche serviert. Schon seit längerem gibt es einmal im Monat den Dimanche de grand-mêre: Ein üppiges Mittagsbuffet „wie bei Oma“ - auch, aber nicht nur mit dem klassischen Sonntagsbraten. Günstige 40€ sind auch der Kurs für das aus 5(!) kleinen Gängen bestehende Mittagsangebot von Montag bis Donnerstag. Neu ist das Dinner au Champagner am ersten Sonntag im Monat. Mir war dagegen eine Neuigkeit aufgefallen, als ich auf der Suche nach einem ebenso kuscheligen wie hochwertigen Abendangebot für eine „verdiente“ Kollegin und mich war: Erstmals bietet Radic ein großes Degustations-Menü an, das mit sage und schreibe 12 Tellern nur „Highlights“ der vergangenen Jahre beinhaltet. Die dafür aufgerufenen 190€ weckten entsprechende Erwartungen zusammen mit leichten Befürchtungen bzgl. der Menge. Nun denn!
Nach einem feinen Aperitif in Seiberts Cocktail-Bar wurden wir im gut besuchten, aber nicht ausreservierten Limbourg von der bestens gelaunten Sommelière empfangen, die zusammen mit einem ebenso freundlichen Kollegen entspannt und aufmerksam den Abendservice wuppte. Angenehm und fehlerlos - volle Punktzahl.
Neben dem obligatorischen Mineralwasser (Taunusquelle 8€) kam bei einem gereiften, fantastisch frisch gebliebenen Jahrgangs-Champagner (Feuillatte, Palmes d‘Or, 2006) und einem mächtigen kalifornischen Chardonnay (Grgich Hills, 2014) niemals Durst, dafür große Begeisterung auf. Kleine, aber wirklich interessante und fair kalkulierte Weinkarte.
Schon vor dem Start des Menüs wurde Sauerteigbrot in Muffin-Form gereicht, mäßig knusprige Kruste, kompakte Krume. Spannend die drei Dips: Eine Fisch-Muschel-Krustentier-Mousse überraschend süß, die aufgeschlagene Butter startete mit deutlichem Erbsengeschmack und ging dann zu Rucola-Bitterkeit über. Ob zu salzig, blieb am Tisch streitig. Nicht dagegen, dass der leichte Frischkäse mit angenehm zitrischer Yuzu-Note am meisten überzeugte.
Tatsächlich wurde vor dem eigentlichen Start noch ein pochiertes (Wachtel?)-Ei in süffiger Hollandaise mit gehobeltem Trüffel serviert. Klassischer Schmackofatz-Happen.
In einem Holzkistchen edel präsentiert, begann das Menü augenzwinkernd: Anchovis-Pulver in die Form einer Fischgräte gepresst war natürlich ein Hingucker. Sehr knusprig. Der Fischgeschmack blieb gewollt hinter einem kräftigen, fast zu dominanten Piperaden-Gel von gelber Paprika und einer ausgleichenden Burrata-Crème zurück, so dass der Kaviar nicht nur als teure Deko diente. Dass ich mich zudem aus dem Salzbett hätte bedienen können, in dem die kleine Spielerei präsentiert wurde, fiel mir erst nach einem Hinweis des Service auf.
Beim nächsten Teller wurde es erneut kräftig: Mittelfetter Thunfischbauch (chu-toro) gebraten und von einer angegossenen Yuzu-Vinaigrette frisch aufgefangen. Das funktionierte, allerdings hätten wir uns die Jalapeño-Salsa etwas prononcierter gewünscht. Das längliche Kräuterblatt wurde uns als Popcorn-Kresse vorgestellt und schmeckte tatsächlich nach (frischem) Mais. Dass Mexiko auch ein großer Pazifik-Anrainer ist, wurde mit der Kombi kulinarisch in Erinnerung gerufen.
Im Wechsel war jetzt wieder vegetarische Leichtigkeit an der Reihe: In einem Melonensud erfreute Manuka-Honig in Form einer akkuraten Gel-Rolle mit Shiso-Frischkäse gefüllt. Auch die Blüte (und vielleicht die Blätter?) als Topping schien mir von der gesunden Myrtenart zu stammen. Fruchtsüße erhielt hier einen starken, ätherische Kräuter-Twist, der meiner Begleiterin ausnehmend gut gefiel, meinen Geschmack nicht besonders traf. Ich fremdle aber auch mit Anis, Salbei und Konsorten. Kleine Chips aus Tempurateig sorgten für Crunch, waren nur etwas zu hart geraten.
Alen Radic verwöhnte uns dann mit Carabinero in Texturen: Fester Schwanz vom Binchotan-Grill, typischer Rotgarnelengeschmack ohne die oftmals sehr dominanten Rauchnoten sonstiger Holzkohle.
Dann ein „Cappuccino“, dessen sahnige Haube die intensive Bisque etwas zu gefällig werden ließ. Und ein sehr fein gearbeitetes Cornetto aus Plankton, gefüllt mit gezupftem Carabinero, begleitet von Melonen-Gel und getoppt mit Kaviar - quasi ein Shrimps-Cocktail de luxe.
Mein Favorit an diesem Abend!
„Natürlich“ ging es süffig weiter: Gegrillter zarter Oktopus badete zusammen mit confierten Kartoffelstücken in einer Chorizo-Aioli, der trotz des Piment d‘Espelette etwas mehr Wumms gut getan hätte. Etwas gepickelter Fenchel und Brunoise von Nashi-Birne sorgten für Crunch, aber wir hätten uns auch ein ausdrucksstärkeres Obst vorstellen können.
Warum nun erneut ein ähnlich „molliger“ Teller folgte, konnten wir nicht nachvollziehen. Natürlich ist ein mit Trüffelfarce gefüllter, handwerklich fein gearbeiteter Dumpling in würziger Miso-Veloute mit frisch gehobeltem Edelpilz ein durch und durch lippenleckender Genuss.
Aber definitiv ein „problematischer“ Menü-Aufbau zu diesem Zeitpunkt.
Wir waren jedenfalls dankbar, dass der Service eine Pause anbot, die wir tatsächlich für den Gang „einmal um den Pudding“ nutzten, um Atem zu schöpfen.
Nachdem wir durch kalte Luft und Bewegung wieder aktiviert waren, wurde auch der Gaumen erfrischt - Aber wie: Nicht mit erwarteter Säure, sondern Umami, Bitterkeit und Salzigkeit!
Das Wakame-Champagner-Sorbet mit (reichlich) Kaviar war ein kleiner Geniestreich und eine Augenweide. Bravo!
Der letzte (reine) Fischgang brachte eine kleine gegrillte Tranche Kabeljau, schön saftig, die einerseits klassisch mit Spinat, andererseits mit kräftigen Shitake-Pilze und einem wohltarierten Passionsfrucht-Schaum kombiniert war. Das war intelligent zusammen gestellt und „einfach“ lecker!
Spätestens ab jetzt hatte ich doch arg zu „kämpfen“ und die Fleischgänge kamen ja noch...
Auf den ersten war ich sehr gespannt: Die Kombination Foie gras, Aal und Taube war der Papierform nach absolutes Luxusvergnügen, „drohte“ aber erneut mit viel Geschmacksträger (aka Fett). Schon optisch geriet die Portion angenehm überschaubar. Die drei Hauptdarsteller waren intelligent in Teig eingerollt, der durch Anbraten etwas Crunch bekommen hatte. Alen Radic sprach später von einer Art Tramenzzino; ich dachte eher an einen Grießteig. Geschmacklich sehr gelungen im Zusammenspiel, aber auch jeder einzelne Protagonist. Die sündige Schnitte wurde - schon fast puristisch - nur auf dem Spiegel einer dunklen, kräftigen Sauce gereicht, die ihre Taubenherkunft nicht verleugnete. Vielleicht war auch etwas Blut mit im Spiel. Jedenfalls noch ein wenig einer zweiten Sauce, vielleicht Pflaume.
Damit war für mich klar die Aufnahmefähigkeit erreicht. Was ich wirklich bedauerte, denn der Fleischteller vom US-Beef glänzte durch tolle Produkte (Flank-Steak, Schmorschulter, Pulled-beef-Praline mit Trüffelmayo), abwechslungsreich deklinierten Beilagen - Trüffel, Karotte, und Kartoffel (u.a. Millefuille) und einer bestechend intensiven Pflaumen-Sauce. Doch beim besten Willen konnte ich zu diesem Zeitpunkt nur noch an allem ein wenig knabbern; das war’s dann aber auch.
Während sich meine Begleitung tapfer durch zwei Desserts „kämpfte“,
plauderte ich vor der Tür bei einem magenberuhigenden Bénédictine angeregt mit Chef Radic, der einräumte, selbst schon an eine Verkleinerung des Menüs gedacht zu haben. Aber höchstens auf 9 bis 10 Gänge, denn „Hier soll keiner hungrig rausgehen!“
Die Worte noch im Ohr, entdeckte ich zurück im Gastraum eine schöne Käseplatte und wie es der Zufall so will, fanden sich kurz darauf auf meinem Teller (kleine!) Stücke von Brillat Savarin, Reblochon, Brie de Meaux und Blue Stilton. Gereift genug, angenehm temperiert und mit dem selbst hergestellten, reichhaltigen Früchtebrot ein genialer Abschluss.
Bei den Petit Fours und Pralinés streikte selbst meine disziplinierte Kollegin. Aber natürlich überreichte ihr unsere charmante Service-Fee sechs kleine Schmuckstücke „to-go“. Sie schmeckten auch noch am nächsten Morgen…
Übrigens nicht das einzigen Mitbringsel aus dem Limbourg: Durften wir uns doch beide ein gar nicht so kleines Fläschchen aus den verschiedenen Obstbränden und -Likören aussuchen, abgezapft und originalverkorkt nicht von Pahlgruber&Söhne sondern von Vater Radic in der Heimat. Welch nette, großzügige Geste, die so perfekt zu unserem sympathisch-geradlinigen Gastgeber passte, der uns an diesem Abend auf das Reichhaltigste verwöhnte. Es wird mit Herz und Seele gekocht; prononcierte Aromen oder intellektuelle Spielereien stehen hier nicht im Fokus. Auch bemerkenswert: Dem Zwei-Mann-Team in der kleinen Küche unterlief nicht ein einziger handwerklicher Fehler im überreichen Best-of-Potpourri.
Bravo, lieber Alen und Team, und sehr gerne À bientôt!