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Ein verlängertes Wochenende in Hamburg und drei Restaurantabende waren zu buchen. Ein Portugiesenbesuch war gesetzt, ein Grieche gegen Entzugserscheinungen sowieso und dann sollte es laut meiner ständigen Begleiterin etwas „Besonderes“ sein. Da fiel mir nach kurzem Grübeln Tim Mälzers Bullerei in der Schanze ein.
Als ich noch Kochsendungen im TV schaute, war Tim Mälzer neben Schuhbeck und den Duttenhofers mein Favorit. Ich mag seine unprätentiöse Art und seinen Kochstil, der auch keine Berührungsängste zu einer Currywurst hat. Sein Gänseconfitrezept wird von mir nun schon etliche Jahre zu Weihnachten umgesetzt und ist genial gelingsicher und schmackhaft zugleich.
Ein Blick in die Speisekarten auf der gut gemachten Homepage der Bullerei (bullerei.com) ließ dann keine Zweifel mehr und über die Onlinefunktion wurde reserviert.
Man würde der Bullerei nicht gerecht, wenn man sie mit dem Maßstab eines schlichten Nur-Restaurants bewerten wollte.
Untergebracht in einer Viehmarkthalle des historischen Schlachthofes bietet sie das rustikale Ambiente eines alten Backsteinbaus. Aber das allein ist heutzutage kein besonders außergewöhnliches Merkmal mehr, gibt es doch mittlerweile in vielen Städten große Restaurants in ehemaligen Bahnhöfen, Lagerhallen, Kesselhäusern usw. Die Bullerei liegt aber in der Schanze und spätestens seit den Krawallen zum G20-Gipfel im letzten Sommer weiß auch der provinziellste Nichhamburgkenner, dass das Schanzenviertel so eine Art autonomes Ghetto ist. Das Streetflair bedient die Bullerei auch mit Graffiti, offenem Feuer im Fass und Hip-Hop aus den Außenlautsprechern und in der Toilette. Die Touris oder Hamburger aus den feinen Bürgervierteln können dann so ein ganz klein wenig erschauern.
Drinnen geht es dann aber strikt organisiert zur Sache und ans Portemonnaie! Wer einen Abend im Freundeskreis in der Bullerei verbringen möchte und gut hinlangt, sollte mit hundert Euro aufwärts rechnen.
Damit ist auch schon klar, dass sich das Publikum der Bullerei aus Gentrifizierern, Bobos, abenteuerlustigem Bürgertum und einem biederen, hungrigen und durstigen Touripaar aus Bremen zusammensetzt und nicht aus dem schwarzen Block rekrutiert.
Im nahezu ausgebuchten Restaurant am Freitagabend war das Publikum gediegen und wenig auffällig, also keine Jeunesse dorée, Hipster oder Schickeria. Im getrennten Deli zeigte ein schneller Blick einige Jugend.
Die Bullerei ist ein Gesamterlebnis und wir haben den Besuch nicht bereut. Das Zeug zum Stammrestaurant für uns hätte die Bullerei aber nicht. Ein Grund ist das Preis-Leistungsverhältnis, dass ich nicht angemessen finde und nur mit schwachen drei Sternen bedenken mag. Ein anderer Grund sind einige Zumutungen, die ich im Abschnitt Ambiente beschreiben werde.
Service:
Im Service arbeiten junge Männer und Frauen. Erwartet hatte ich ein uniformes, schanzenmäßiges Outfit mit schwarzen Kellnerschürzen, Vollbebartung, vielen Tattoos und Piercings. Fehlanzeige! Die junge Truppe verrichtete ihren Dienst in individueller Freizeitgarderobe und selbst die Schürzen waren nicht einheitlich.
Aber von vorne: Nach dem Eingang wird das Restaurantpublikum nach links geschickt und die Deli-Besucher gehen geradeaus. Von einer jungen Frau an einem Tresen wird die Anwesenheitsberechtigung für das Restaurant geprüft. Nach erfolgreicher Identifikation (ich hatte vorsichtshalber die Reservierungsbestätigung ausgedruckt am Mann) wurden wir von einer anderen jungen Frau an unseren Tisch geführt und es wurde uns viel Spaß gewünscht. Dann kümmerte sich meist ein dem Studentenalter entwachsener Bediener um uns (laut Bon Yashar). Zuerst wurde uns auf einem Klemmbrett im Shabbylook die aktuelle Cocktailkarte für die Auswahl eines Aperitifs hingelegt. Alles mit einer Limonade mit Basilikumgeschmack! (Führte natürlich „Basil“ im Produktnamen.) Ansonsten teilen sich die Getränke auf mehrere Karten auf.
Die Speisekarte enthält nur die Basics. Da ich im Kartenaushang beim Eingang auch Craftbiere gesehen hatte und diese nicht in der Karte fand, wurde uns von Yashar der Sommeliers mit der Craftbierkarte avisiert. Im Ergebnis brachte er die Karte. In der nun wiederum fanden wir keinen passenden Wein für meine ständige Begleiterin. Tja, so Yashar, dafür gäbe es eine Weinkarte, die er gerne bringe und was er tat.
Die Speisen wurden nach unserer Beobachtung von einer anderen Teileinheit der Servicebrigade serviert und annonciert.
Zur Taktung: Die Getränke wurden recht flott serviert. Nur eine Weinorder wurde vergessen. Der offene Cremant Rosé und die weiteren Rosés wurden aus der kalten Flasche am Tisch ausgeschenkt.
Die drei Speisengänge passten von den Zeitabständen her gut.
Die Servicecrew machte insgesamt einen sehr engagierten Eindruck und tritt den Gästen offen und sympathisch gegenüber. Das sind mir immer 3,5 Sterne wert.
Die Getränkepreise empfand ich als gemischt. Ein Astra 0,3 l kommt auf 2,90 €, mein gutes Supa Dupa IPA aus der 0,33-l-Flasche kam auf 4,90 €. Da kann man für eine solche Location einen Haken dran machen. 0,75 l Mineralwasser stehen schon mit stolzen 7,50 € auf dem Bon. Der ordentliche Cremant Rosé 0,1 l schlug mit 8,00 € zu Buche und der Terrasses Rosé lag bei 7,70 € für 0,15 l. Allerdings sehe ich im Internet Rosés mit dem Namensbestandteil „Terrasses“ in der Bandbreite von 8,50 bis 23,90 € angeboten. Da ich keine Angaben zum Identifizieren des Bullerei-Rosés habe, muss ich mich bedeckt halten und kann nicht sagen, ob der Aufschlagsfaktor unverschämt oder sehr kulant ist.
Was aber nicht sein darf und das meine ich rechtlich, ist das Fehlen eines „Eichstriches“ an den Weingläsern auf unserem Tisch. Eine solche Kennzeichnung (CE-Kennzeichnung) muss nach deutschem Mess- und Eichrecht zwingend auf jedem Glas (rechtlich = Messgerät für ein Ausschankmaß) vorhanden sein. Auf dem Weinglas war aber nur das Emblem der Bullerei (gekreuzt Gabel, Messer und Löffel) ersichtlich, an dem sich der jeweilige Eingießer zu orientieren scheint, aber mit deutlich abweichenden Ergebnissen!
Essen:
Ich hatte mir auf der Homepage die Speisekarten des Restaurants und die Delikarte angeschaut und fand das Angebot zusammengefasst sehr anregend. Es wird leider nicht deutlich, dass ein Kombinieren nicht möglich ist; zumindest kann man im Restaurant nicht die vielen „Delis“ der Delikarte ordern. Das sollte man vor einer Entscheidung zwischen Deli und Restaurant bedenken.
Die Restaurantkarte ist überschaubar.
Nicht aus der Küche, sondern von der Servicestation gibt es ein Schälchen mit klassischem Quark (Schnittlauch, Frühlingszwiebel, Pfeffer) und einem wohlschmeckenden selbst gebackenen Roggenbrot (Nussbrot laut Karte) mit feiner, leicht krümeliger Krume als Willkommensgruß. Schlicht und gut.
Dann die gemischte Vorspeise „Auf`n Tisch“ für 29,90 €. Nicht mehr auf`n Tisch kam (leider) dazu Brot. Pfeffermühle, Fleur de Sel und ein Olivenöl standen auf unserem Tisch nicht, wurden aber auf Bitte hin gebracht.
Laut Karte fanden sich auf dem Vorspeisenbrett: „Büffelmozzarella, Tatar, Oliven, Salame Casereccio & picante, Kaviar von der Heideforelle, kleine Überraschungsmenü-Vorspeise“.
Erstklassig das Tartar mit vernehmlichen Noten von Kapern und Gürkchen und der Büffelmozzarella, der tatsächlich einen merklichen Eigengeschmack aufwies. Der Rest eher enttäuschend: Wenige sehr dünne Salamischeiben, ein Gläschen mit schwarzen Oliven mit Steinen, eine Minidose mit Forellenkaviar und eine Überraschung aus sehr dünnen, kleinen Scheiben eines Gemüses (wurde angesagt, habe ich aber vergessen), wenigen Stückchen rohen Fisches in einem Wasabidressing, das geschmacklich eindeutig dominierte. Insgesamt und angesichts der „Portionsgröße“ und der Zusammenstellung preislich eindeutig überzogen.
Nach dieser Ernüchterung dann unsere Hauptgerichte.
Meine ständige Begleiterin wählte die Maishähnchenbrust Supreme (laut Karte „Riesling-Hähnchenbrät, Maispüree, Knoblauch, Jalapeño“) für 23,50 €. Ich entschied mit für das Entrecôte 300 Gramm und wählte aus der Beilagenliste Spitzkohlslaw, Frankfurter grüne Butter und Pommes. Dafür wurden 33,00 € (Steak und „freie“ Beilagen) und 4,90 € für die Pommes fällig.
Man wird bei der Steakorder nach der gewünschten Gartemperatur gefragt. Ich sagte scherzeshalber „62,9 Grad“. Dann sei es über medium hinaus wurde gekontert. Also schlicht medium.
Zu beiden Gerichten gab es gegrillte Maiskolben, die zart und saftig im Biss waren.
Das Hähnchenfleisch wunderbar zart (sous vide gegart und dann angebraten) auf einem kräftigen Maispüree angerichtet. Die kleinen Jalapeño wanderten zu mir rüber und waren leicht scharf. Ein gut komponiertes und schmackhaftes Gericht. Von der Portionsgröße her für 23,50 € aber überzogen bepreist.
Zumindest mein Gericht hatte das Zeug, einen guten Esser nach Quark, Brot und Vorspeise zu sättigen.
Das Entrecôte war durchgängig medium gegrillt und wies nur einen kleinen Fettkern auf. Die Frankfurter Butter wurde streichfähig serviert und passte sehr und begleitete den Fleischgeschmack besser als eine BBQ-Soße. Schön kross die unregelmäßigen Pommes.
Der Spitzkohlsalat war auf der Karte mit Speck angekündigt, der aber ausblieb. Zurückhaltend gewürzt war der Kohl erfrischend. Am Boden des Terrakottaschüsselchens war das Dressing leicht wässrig.
Für 37,90 € war auch mein Gericht stramm bepreist. Sicher hat eine gute Fleischqualität seinen Preis, aber die übrigen Mitspieler (Kohl, Pommes, Butter) sind nun wirklich keine Preistreiber im Einkauf.
Hat es denn nun in der Gesamtschau angesichts der 90 Euros wenigstens gut geschmeckt? Das Tartar und das Fleisch auf den Tellern verdienen uneingeschränkt gute vier Sterne und zeigen die „Kernkompetenz“ der Bullerei. Die übrigen Mitspieler eher Durchschnitt. Beim gewogenen Durchschnitt sollen es 3,75 Sterne sein.
Ambiente:
Leider geizt die Homepage mit Fotos, so dass ich etwas beschreiben muss.
Die Bullerei füllt nicht die ganze alte Viehmarkthalle, was an der Sichtbetonwand hinter der Theke klar zu erkennen ist. Neben diesem Stilbruch gegenüber der alten Backsteinoptik ist die Decke des Satteldachs mit schlichten Holz-Verlegeplatten versehen worden. Darunter die alten Säulen und Streben. Die Beheizung erfolgt durch dicke Aluröhren unter der Decke.
Sehr eigen ist das Beleuchtungskonzept. Tim Mälzer und sein Partner müssen 25-Watt-Glühbirnen gesammelt haben, denn diese dienen als Wandleuchten in schlichten Fassungen und verweigern jegliche Illumination. Für diese sorgen ansonsten Spots und ein Paar Scheinwerfer. Längs der Außenmauer gibt es keine Spotbeleuchtung und ein Paar nutzte die Taschenlampenfunktion ihrer Smartphones, um die Karten lesen zu können. Design und Konzept schlägt klar Funktion.
An den dunklen, blanken Zweiertischen findet man ausreichend Arbeitsfläche und auch die Gänge sind gut dimensioniert. Uns kam zugute, dass wir zwischen unserer Tischreihe und der anschließenden eine breite Trennung hatten, auf der sich vieles gut abstellen ließ.
Aus den Lautsprechern dringt recht laut eine soul- und jazzlastige Musik mit auffallend vielen Frauenstimmen und Bläsern. Das war schlicht nervend. Dann lieber etwas soft Loungiges à la Fahrstuhlmusik. Ebenso irritierend eine Uhr mit mächtig eklektizistischer Umrahmung, gekrönt von einem Hirschkopf mit Geweih und das auch noch blinkend, völlig durchgeknallt. Zudem einige große Tierplastiken (mittenmang ein Pferd und über dem Flaschenregal Hase und Schwein).
Die Toiletten sehr stylisch, aber auch sauber und funktional.
Sauberkeit:
So weit man im Schummerlicht sehen konnte, gab es nichts zu beanstanden.