"Hallo, da geht ja was!"
Geschrieben am 01.12.2024 2024-12-01 | Aktualisiert am 03.12.2024
"Guter Italiener in stilvollen, historischen Räumlichkeiten"
Geschrieben am 29.11.2024 2024-11-29
"Auch selber schuld – aber insgesamt kein Wiederholungsfall!"
Geschrieben am 24.11.2024 2024-11-24
"Lange Schließung nach Brandstiftung"
Geschrieben am 14.11.2024 2024-11-14 | Aktualisiert am 14.11.2024
"Papageno Nachfolger überzeugt vollkommen"
Geschrieben am 08.11.2024 2024-11-08 | Aktualisiert am 08.11.2024
Deshalb ließ mich die Ankündigung in der örtlichen Presse aufhorchen, man wolle nun wieder nach Höherem streben und habe dafür mit Frank Seyfried (zuletzt Gotthard‘s im Fährhaus, Koblenz) einen Sterneküche-erfahrenen Chef engagiert. Und als dann noch in unserem Stamm-Bistro ein Freund des Inhabers berichtete, er habe sich nach etlichen Jahren in der Gastro doch noch für eine Fachausbildung entschieden - und zwar bewusst im Parkhotel - war die Entscheidung gefallen: Zu sechst, darunter zwei Köche und eine langjährige Service-/Barchefin, wollten wir der neuen Qualitäts-Offensive auf den Zahn fühlen, für die als Restaurantleiter Taeke Halbersma aus der Brasserie Châpeau La Vache abgeworben wurde.
Mit dem verschmitzten Niederländer wollte ich im Vorfeld schon etwas die Weinauswahl abstimmen (Insgeheim hoffte ich auf Preziosen aus der Zeit vor der Insolvenz des 5*-Hotels…), wurde aber enttäuscht: Er habe gerade begonnen, den Keller wieder aufzurüsten, so dass sich vieles von der Weinkarte nicht mehr im Angebot befinde und manches noch nicht.
Nach dieser Aussage hatte sich eine (ohnehin von mir wenig geliebte) Weinbegleitung erledigt - Alles kann dienen. Aber auch ein Schuss ins Dunkel ergibt ja zuweilen schöne Treffer. Um es vorweg zu nehmen: Wir wurden so reichhaltig fündig (Fehlanzeige nur bei Dessertweinen), dass irgendwann der oben erwähnte Freund vorgeschickt wurde, um uns vom Unmut etwas lärmempfindlicher Gäste an den Nebentischen zu berichten. Wohl nicht ganz zu Unrecht, denn die Stimmung war schon nach der Magnum des Jahrgangs-Champagners ausgelassen. Wir zeigten uns einsichtig und erhielten auch keine weiteren Ordnungsrufe.
Das Ambiente unverändert ein für meinen Geschmack nur so mittel gelungener Mix aus klassischer Eleganz und modernen Materialien, Farben und Kunstwerken.
In fröhlicher Stimmung erreichten uns die Küchengrüße, die gleich mal klar machten, dass hier wieder Ambitionen bestehen:
Ein Ring Ziegenfrischkäse pufferte mit seiner typischen Säuerlichkeit eine innenliegende Reineclauden-Marmelade ab. Perfekt dazu die würzige Kräuternote kandierter Fenchelblüten. Nur vom Pumpernickel-Crumble gern etwas mehr für das Mundgefühl.
Noch besser eine Nocke Steinpilz-Sorbet mit drei Texturen von Basilikum: Ein Chip aus dehydriertem Pulver, Öl und ein frittiertes Blatt. „Old school“- Diskussionen hin oder her: Ich mag ihn einfach, den zartesten Knusper, seit es Kräuter gibt. (Ich habe leider kein Foto für Euch!)
Der Abend hatte vielversprechend begonnen und so waren wir gespannt, ob Frank Seyfried und Team das Niveau handwerklich und kreativ würden halten können. Und siehe da: Sie konnten.
Die Preisgestaltung ist so, wie man es im 5-Sterne-Hotel erwartet: Ambitioniert. Immerhin beginnt das Menü schon bei drei Gängen, jedoch zu 89€ und reicht bis zu deren sechs, wofür dann 145€ anfallen. Zusatzgänge sind nicht vorgesehen und zwar, weil das Konzept kein festes Menü vorsieht, sondern die Gäste frei aus den 12 à-la-carte-Gängen (je dreimal Vorspeise, Zwischengang, Hauptgang und Dessert) wählen können. Das wiederum ist sehr kundenfreundlich, zumal auf Nachfrage auch mehrere Hauptgänge möglich gewesen wären. Die Weinpreise machen es möglich, vermute ich. Eine Möglichkeit: Bei Getränken beschränken. Aber das wäre ja nur der halbe Spaß… Auch positiv, dass zumindest in den ersten drei Rubriken immer ein veganes Gericht dabei ist. Die Zeiten, dass sich vegetarisch/vegan ernährende Menschen die Gemüsebeilage essen müssen, scheinen nun wirklich vorbei zu sein.
Wir sechs wählten also nach Herzenslust durch die Karte, teilweise tauschten wir auch. Trotz des relativ edlen Ambiente hatte ich nicht den Eindruck, dass sich irgendjemand daran störte.
Den Anfang machte eine sehr farbenfrohen Komposition aus Lachstatar, Calamares (mit einer mir japanisch vorkommenden Schnitt-Technik) und als fruchtiger Part - Überraschung: Nektarine! Süß und salzig in Kombination mag ich fast noch lieber als süß-sauer, daher für mich perfekt. Ebenso wie der zarte Tintenfisch mit Flämm-Aromen, das handwerklich sehr akkurat gearbeitete Röllchen und die kräuterige Note der kleinen Blättchen (Radio IO wird im Prinzip antworten, was es ist…).
Mein lieber Scholli, das war mal ein Auftakt in vorsichtig(!) modernisierter klassischer Küche, der sich gewaschen hatte.
Bei den Veggies am Tisch startete man mit Variationen von Steinpilz, Tomate und Basilikum, bei der die Küche eine Texturen-Leistungsschau ablieferte. Aber bitte, allemal besser als die Tristesse der letzten Jahre und geschmacklich ebenso hervorragend wie handwerklich.
Nur probieren durfte ich bei meiner Frau einen weiteren Klassiker 2.0:
Exakt gegarte Jakobsmuscheln badeten in ihrer mit Stachelbeere aromatisierten Nage! Klingt wild, wurde aber mit Petersilienwurzel eingefangen. An sich auch ein sehr starker Geschmack, aber die gedörrten Streifen ließen der Muschel durchaus Raum, wenn man ihr etwas Zeit zur Entfaltung gönnte.
Die vegetarische Fraktion lobte derweil die Artischockenvariation überschwänglich.
Gebacken, gefüllt mit veganem Blauschimmel-Petit Azur (Grundstoff Cashewkerne), serviert auf Walnussragout in einer Artischockensauce mit Madeira, beträufelt mit Zitronenverbene-Öl.
Star des Abends war für mich der Zwischengang:
Ein Ring aus für dieses Muskelfleisch unfassbar zartem Rinderherz-Ragout. Getoppt von einem nicht übermäßig dünnem, aber dafür sehr akkurat gearbeitetem und gegartem Raviolo, der eine schlotzige, süß-würzige Zwiebelfüllung mit perfektem Biss enthielt. Wunderbar ergänzt mit kleinen Stückchen Räucheraal, nicht zu fett. Dazu Jus, Lorbeer-Öl und Zwiebelschaum.
Ganz starker französischer Teller!
Als Hauptgang hatte ich mich für Lamm entschieden: Zartes Filet, gerade medium, Geschmortes aus der Keule und ein kleines Kotelett (Lamm-Chop) überzeugten am Gaumen und in der Ausführung. Besonders gut die glänzende, klassische Sauce. Auch schön Kartoffelmousse in Talerform, deren krümelige Struktur trocken aus sah, aber überhaupt nicht war. Fenchel als Beilage war nur zurückhaltend eingesetzt und auch nicht sonderlich kreativ. Das sehr gute Fleisch stand im Vordergrund und konnte insoweit völlig überzeugen, halt nur nicht begeistern.
Auf den vegetarischen Plätzen ein ähnliches Bild: Texturen von Sellerie (u.a. eine Mille Feuille) in Kombination mit Apfel und Sommertrüffel wurden gelobt, aber nicht begeistert gefeiert.
Beim Dessert drehte die Küche/Patisserie nicht nur optisch noch einmal richtig auf: Schon auf der Karte schienen mir Mango, Yuzu, (madagassische) Manjari-Schokolade und Banane zwar wunderbar zueinander zu passen, aber eben auch recht viele Zutaten zu sein. Auf dem wunderschönen Teller - dem „klassischen“ Stil des Hauses - folgend, in der Tat ein Feuerwerk von Aromen, Texturen und Temperaturen. Für den Süßen Fan und alle anderen Leckermäuler sicher ein Traum!
Ich probierte nur ein paar Löffelspitzen und gab mich dann meinen eigenen Tagträumereien hin, in denen gereifter Comté und Pont l‘Eveque die Hauptrolle spielten… Die Phantasie ist eben das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können! (In der bitteren Realität kein Käse im Angebot.)
Der Abschluss zum Kaffee geriet dann vergleichsweise unspektakulär mit Himbeer-Macaron, hellem Nuss-Praliné und buttriger Madeleine.
Am Ende des Abends überraschte uns Küchenchef Frank Seyfried ganz traditionell mit seinem Besuch am Tisch und nahm das völlig verdiente Lob entgegen.
Für das, wofür das Parkhotel kulinarisch jetzt endlich wieder steht, war es eine reife Leistung. Go, Bremen! Go!