Wir verwenden Cookies
Wenn Sie unsere Webseiten besuchen, kann Ihre Systemsoftware Informationen in Form von Cookies oder anderen Technologien von uns und unseren Partnern abrufen oder speichern, um z.B. die gewünschte Funktion der Website zu gewährleisten.
Dank der besten Babysitterin, die man sich vorstellen konnte, war nach langer Zeit mal wieder ein kulinarischer Abend zu zweit möglich. Unser letzter Besuch bei Familie Wenz war schon wieder eine ganze Weile her und außerdem wollte auch noch ein Gutschein eingelöst werden.
Wir hatten einen Tisch auf der hübsch gestalteten Hofterrasse reserviert. Durch die Teilsperrung der Rheinstraße war von der normalerweise dicht befahrenen Hauptverkehrsachse, die sich mitten durch die südpfälzische Kleinstadt zieht, fast nichts zu hören. Ja, es ging hier sogar richtig idyllisch zu. Einer entspannten Auszeit im Nachbarort stand also nichts im Wege.
Die Sommerterrasse
Auch beim Kandeler Vorzeigelokal schien alles „beim Alten“ zu sein. Die Küche von Herdmeister Andreas Wenz ist ja seit Jahren ein zuverlässiger Tipp, wenn es um eine weltoffen vorgetragene Kreativküche mit regionaler Bodenhaftung geht. Da man auch bei der Preisgestaltung eher moderate Töne anschlägt, erfreut sich das Restaurant „Zum Riesen“ auch heuer einer großen Beliebtheit, die ein frühzeitiges Reservieren voraussetzt.
Wir saßen im Innenhof unter einer beeindruckend großen Markise, derer es am Abend gar nicht mehr bedurft hätte, da sich der Außenbereich aufgrund seiner ostseitigen Lage zum Anwesen bereits im Schatten befand.
Die schlichten Bistrotische schauten teilweise schmucklos unter dem weißen Leinen hervor. Die Polyrattan-Stühle erlangten durch gepolsterte Kissen eine gewissen Sitzkomfort. Zweifachbesteck, Wein- und Wassergläser strahlten auf den sauber eingedeckten Tischen um die Wette.
Wir zählten an diesem Abend mit zu den ersten Gästen. Es dauerte jedoch nicht lange, da war die Wenz’sche Terrasse bis auf den letzten Platz gefüllt.
Der manchmal etwas verschmitzt dreinschauende Serviceprofi reichte uns die Speisen- und Getränkelektüren, die wir mit Interesse und Appetit studierten. Eine ordentliche Aperitif-Auswahl lockte auf der ersten Seite – darunter auch diverse Flaschen Winzersekt und Champagner zu erfreulich günstigen Konditionen.
Gleiches galt übrigens auch für die Weinkarte, deren eindeutiger Pfalzschwerpunkt sich nicht auf den Süden beschränkte, sondern auch namhafte Winzer aus der Mittel- und Unterhaardt im Programm hatte. Frei nach dem Motto: „Becker, Bürklin, Bassermann – alles, was die Pfalz so kann!“
Es wurde ein attraktives Omnivoren-Menü zu drei bzw. vier Gängen (55 bzw. 72 Euro) angeboten. Bei diesem spielten asiatisch inspirierter Kingfisch, Piccata vom Seeteufel, Ochsenbäckchen mit Wildgarnele und ein laszives Erdbeermund-Dessert die Hauptrollen.
Außerdem gab man sich mit Sommersalat, spicy Linsengemüse und geistreichem Sorbet dreigängig vegan, was dem gänzlich auf tierischen Nahrungsursprung verzichtenden Gast mit 37 Euro in Rechnung gestellt wurde.
Für Unentschlossene hatte man zusätzlich noch ein dreigängiges Überraschungsmenü für 45 Euro im Repertoire, das in seiner Standardausführung aus vier Vorspeisen, sieben Hauptgängen und drei Desserts bestand.
Für das 4-Gang-Menü fehlte uns schlichtweg die Zeit, schließlich mussten wir ja noch mit dem Rad zurück nach Wörth. Also bestellten wir à la carte.
Mir war nach der kalten andalusischen Gemüsesuppe, die als „Gazpacho Andaluz“ mit Gambas (10 Euro) in der Karte stand. Ich freute mich auf eine erfrischende Vorspeise an diesem warmen Sommerabend. Genau wie meine Frau, die jedoch dem Sommersalat mit Ziegenkäseraviolo und grünem Apfel (16 Euro) den Vorzug gab.
Auch beim Hauptgang wandelte ich auf iberischen Pfaden. Das leider viel zu selten angebotene Secreto vom Iberico-Schwein hatte ich in der Karte erspäht. Dieses fächerförmige, versteckt zwischen Rücken und Rückenspeck liegende „geheime Filet“ wird auf dem Grill (oder in der Pfanne) – dank seiner herrlichen Marmorierung – zu einem saftigen Bravourstück, das ich ein paar Wochen zuvor bei einem exklusiven Grill-Event in Karlsruhe bereits kennen und schätzen gelernt hatte.
Natürlich bestellte ich den vor allem in Spanien und Portugal sehr beliebten Fleisch-Cut, um ein paar Minuten später von der Bedienung zu erfahren, dass dieser fälschlicherweise nicht geliefert wurde und stattdessen ein Kotelett vom Iberico-Schwein zum gleichen Preis von 28 Euro mit Grillgemüse und Rosmarinkartoffeln zur Verfügung stünde. Das kam mir dann doch spanischer vor als geplant, aber ich willigte – wenn auch etwas enttäuscht – ein.
Meine bessere Hälfte hatte sich da bereits gedanklich mit den geschmorten Ochsenbäckchen (26 Euro) von der Empfehlungskarte angefreundet, die von Selleriepüree und Schupfnudeln begleitet wurden. Das klang nach solider, hausmannsköstlicher Leibspeisenküche, wie sie auch in der nicht weit entfernten Pfälzer Stube (im Hotel Krone zu Hayna, Anm.) gerne aufs Porzellan gebracht wird.
Flüssiges wurde in Form eines fruchtigen Haus-Aperitifs (8,50 Euro), einer Flasche Bad Camberger Mineralwasser Classic (0,75l für 6,50 Euro), eines alkoholfreien Tannenzäpfles von der badischen Staatsbrauerei Rothaus (0,33l für 3,50 Euro) und eines offen ausgeschenkten, grünen Veltliners vom Weingut Klein aus Hainfeld (0,2l für 8 Euro) geordert.
Den mittlerweile auch in der Pfalz gerne angebauten Weißwein habe ich schon mehrfach im Restaurant genossen. Ein guter Allrounder, der auch zum Iberico-Kotelett keine schlechte Figur machte. Ob es der „vom Löss“ war oder aus den „jungen Reben“ war in der Karte leider nicht vermerkt. Ich vergaß da mal genauer nachzufragen. Egal, so oder so mundete mir der wohltemperierte Weiße ganz vorzüglich.
Die Küche grüßte mit einem geschmacklich eher unauffälligen Falafel-Bällchen, das hübsch auf einer dünnen Scheibe Chioggia-Bete angerichtet war.
Es grüßte die Riesen-Küche
Dazu wurde eine leicht gewürzte, mit Sepia-Tinte gefärbte Scheibe Baguette gereicht. Ein kulinarisch recht harmloser Auftakt, aber auch kein wirklich schlechter.
Deutlich mehr Aromentiefe hatte meine von vollreifen Tomaten, süßlich-herber Paprika und gutem Olivenöl kündende Gazpacho zu bieten.
Gazpacho Andaluz
Der Salatgurkenskeptiker in mir freute sich aufgrund des nicht allzu dominanten Anteils des in seinen Augen wässrig-grünen Verzichtgemüses. Tournierte Wasser- und Honigmelone sorgte für ein paar süße Momente in dieser tadellos abgeschmeckten, herrlich sämigen Sommersuppe.
Gazpacho in der Totalen
Zwei perfekt gebratene, bereits vom Panzer befreite Gambas ordentlicher Sortierung lagen zusammen mit einem Parmesanchip obenauf.
Ordentliche Meereseinlage in der Gazpacho
Fein gewürfelte Tomaten und etwas Grünzeug steuerten zusätzliche Frische bei. Nur bei Marc Wendel in der Kapeller Hopfestubb habe ich bisher eine noch bessere Gazpacho genossen und das soll was heißen.
Auch die Dame gegenüber von mir war mit ihrer Vorspeisenwahl zufrieden. Ihr mit einem delikaten Dressing angemachter Blattsalat weilte in einem essbaren Körbchen aus frittiertem Filo-Teig (?).
Sommersalat mit Ziegenkäseraviolo
Der grüne Apfel erschien in Form eines streifenweise auf dem Teller aufgetragenen Gels. Darauf war der mit leichter Pfannenbräune versehene Ziegenkäseraviolo platziert. Tomate, Melone und Erdbeere komplettierten mit diversen Tupfern aus der Quetschflasche das farbenfrohe Ensemble. Eine in sich stimmige, von Säure und Frische dominierte Einstimmung, die texturell und auch geschmacklich sehr gut mit der warmen Jahreszeit korrespondierte.
Mein Secreto-Ersatz aka Iberico-Kotelett wurde mutig in kurz vor medium geliefert.
Mut zu medium! Das Iberico-Kotelett im Anschnitt
Hat man bei Schweinefleisch nicht so oft, macht aber bei so einem feinen Stück Fleisch kulinarisch Sinn. Eine recht übersichtliche Portion, möchte man meinen, die mir von der Menge her jedoch reichte. Etwas Selleriepüree unterfütterte die mit Rosmarin in der Pfanne gebratenen Kartoffelschnitze.
Ein frittierter Pimiento vom Padron steckte zwischen ebenfalls in der Pfanne geröstetem, mediterranem Gemüsekleinschnitt. Unter dem sehr saftigen Kotelett sorgte eine Pfütze Bratenjus für ein wenig mehr Süffigkeit. Mit dem obligatorischen, aus Wasser, Öl und Mehl gefertigten „Einbrennnetz“ – im Fachjargon auch Korallenhippe genannt – dekoriert, war das ein typischer „Wenz-Teller“, der von einem guten Verständnis für Produkt- und Aromenkombinationen zeugte. Ein südländisch ausgerichteter Teller passend zur warmen Jahreszeit, der viel zu schnell verputzt war.
Kotelett vom Iberico-Schwein in mediterraner Umgebung
Auch bei den wunderbar zarten Ochsenbäckchen, die sich meine Liebste einverleibte, wurde mit seidig-cremigen Selleriepüree die Keramik grundiert. Fünf zierliche, in der Pfanne geschwenkte Schupfnudeln versuchten das Beilagengesicht zu wahren. Dies gelang den hausgemachten „Buwespitzle“ zwar geschmacklich, aber – laut meiner Frau – leider nicht mengenmäßig.
Geschmorte Ochsenbäckchen mit Selleriepüree und Schupfnudeln
Da riss es dann auch die spärlich vertretene, auf den Punkt gegarte Gemüsedeko nicht mehr raus. Dank der tiefgründigen Jus und dem herrlich mürben, kollagenreichen Fleisch wurde das Geschmacksziel voll erreicht, das Sättigungsziel aber leider knapp verfehlt.
Dass man in der Pfalz auch mit hübsch angerichteten Tellern seine Gäste gesättigt bekommt, beweist uns Martin Gehrlein aus dem nicht weit entfernten Neupotz schließlich bei jedem Besuch.
Egal, dann musste es eben der Nachtisch richten. Und das tat die georderte Riesenpraline (12 Euro) mit Bravour.
DIE Riesenpraline
Der mit feiner Valrhona-Schokolade umhüllten, mit Nougat und Himbeercoulis gefüllten Wonnekugel – ein Ferrero-Rocher war dagegen ein echtes Leichtgewicht – wurde eine cremig-würzige Nocke Chai-Sorbet an die Seite gelegt.
Das Innenleben der Riesenpraline
Eine Karamellhippe, ein wenig aufgespritzte Ganache (in hell und dunkel) sowie eine dünne Crumbleschicht komplettierten dieses wirklich hervorragende Schoko-Dessert, das jede Kalorie wert war. Hier lieferte die Riesen-Küche „pâti-mäßig“ richtig ab und versöhnte auch meine Herzensdame, die gute Schokolade wie keine Zweite (in der Familie) schätzt.
Dass uns so manches hier ziemlich spanisch vorkam, hat in der Summe sehr gut gefallen. Solch ein entspanntes Abendessen zu zweit hatten wir ja lange nicht mehr. Und auf der schönsten Terrasse von Kandel wären wir sicherlich noch eine Weile sitzen geblieben. Aber wir hatten ja noch den Rückweg auf unseren Drahteseln zu bewältigen und wurden zuhause erwartet.
Hier bei Familie Wenz kehren wir bestimmt mal wieder ein, denn erstens ist der Weg von Wörth nicht weit und zweitens ist hier das Preis-Genuss-Verhältnis ausgesprochen gut. Für solch einen in kulinarischer Hinsicht besonderen Abend gilt jedoch oberste Reservierungspflicht, da das Restaurant auch unter Woche meist komplett ausgebucht ist.