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Nach 150 Kilometern standen wir also vor den heiligen Genießerhallen des Zur Heide Marktes in der Berliner Allee, in dessen Kellerbereich sich auch das mit einem Michelin Stern ausgezeichnete Restaurant befindet. Allein der Weg vom Parkhaus über den Markt in den Keller lässt den Feinschmecker staunen! So was hätte ich gerne in Rheine, auch wenn das Resultat für meinen Geldbeutel sehr sicher verheerend wäre. Also Augen zu, schnell durch all die kulinarischen Verlockungen zum Eingang des Setzkasten im Untergeschoss. So ganz schafften wir es nicht, ein Wein-Etikett fing uns ein und wir kauften noch was außerhalb des Restaurants, mehr dazu im Menü Bericht.
Mit einem Karton voller Papier-Dosen mit Plastikdeckel ging es heim, plus eine Flasche. Um 19 Uhr waren wir daheim und wir hatten wirklich Appetit auf das Kommende. Bereits im Restaurant hatte es eine kleine Einweisung in die von Küchenchef Anton Pahl und seinem Team vorfabrizierten 16 Gänge gegeben.
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Alles ganz easy hieß es, mal sehen was kommen sollte. Ich packte aus und Frau las sich in die Karte ein, in der auch Hinweise zum Finishen der Gänge gegeben wurden. Nur den Ofen sollten wir auf 160° vorheizen, dass war es mit dem Aufwand in der eigenen Küche. Wow, wenn ich dass mit dem vergleiche, was wir noch an Arbeiten hatten beim Finishen der Gerichte von anderen Sterne-Restaurants aus MS oder OS, war das natürlich nichts. Anweisung 1 lautete, dass Hausgebackenes Brot bei 160°C Umluft 5 Minuten im Ofen erwärmen, der lief ja schon, wir hatten Zeit den Aperitif zuzubereiten.
Wir sehr häufig bei uns unser zurzeit liebster Wermut vom Schloss Johannisberg im Rheingau.
Zum Brot sollte es zwei Sorten Butter geben, eine Chimichurri Butter, die während des Transport schon auf Zimmertemperatur gebracht worden war. Diese Butter brachte südamerikanische Schärfe ins Spiel.
Ebenso Zimmer Temperatur hatte die zweite Butter, eine Rouille Butter angenommen. Auch diese brachte neben den obligatorischen Knoblauch-Noten auch eine gewissen Schärfe mit. Wir stießen mit dem Wermut an und eröffneten unseren Gänge-Reigen. Aber mit Zurückhaltung, denn uns standen ja noch viele, wenn auch kleine Gänge bevor. In der Zubereitung wechselten wir uns dann ab, den ersten „richtigen“ Gang übernahm ich.
Schwarzer Schotte nannte der sich. Und jetzt kam das größte Problem, anrichten mit der Pinzette haben wir ja inzwischen nach etlichen fine dining take away drauf. „Schatz, wann nehmen wir welches Geschirr für welchen Gang und mein Gott, haben wir genug?“ war mein ausgesprochener Gedanke. Ich nehme es vorweg, es fand sich dann doch für jeden Gang eine angemessene keramische Lösung. Der Gang sollte ohne erwärmen angerichtet werden, alle Zutaten für uns zwei befanden sich in einer Dose (16 Stück waren im Karton vom Setzkasten). Der Lachs war Tataki Style angeröstet worden. Oben auf eine Erbsencreme und daneben ein Öl mit dem verbrannten Lauch, dazu nicht weiter erläuterte Perlen, die süßlich im Mund zerplatzten. Das passte, guter Start. Der Aperitif war geleert, die in Düsseldorf erstandene Weinflasche hatte durch frühzeitiges Öffnen geatmet und war ein bisschen gekühlt.
Ein Hermitage sollte uns durch das Menü begleiten, Jahrgang 2017 vom Weingut Paul Jaboulet. Vergoren im Beton-Ei, hielt er faszinierende Noten für uns bereit. Der erste Gang, den der Wein begleiten sollte, wurde dann von meiner Frau zubereitet. Auch der erste Gang, der im Ofen in seinem Lieferbehältnis erhitzt werden sollte.
Jakobsmuschel & Limonenlinsen nannte sich dieser Gang. Im Bett der zitronig abgeschmeckten Linsen wurde ein Stück Jakobsmuschel platziert und eine Art Wan Tan. Beim Verzehr erschloss sich, dass das keine Teigware war, sondern eine Tasche aus vermutlich hauchdünn geschnittenem Kohlrabi, gefüllt mit einer Farce, die Zitrus-Aromen aufwies. Tadellos gegart war das Stück Jakobsmuschel, ein Genuss mit den Hülsenfrüchten. Wir fingen leise an schwelgen von der dargebotenen Aromen-Weite des bisher verspeisten und der Vorfreude auf das Kommende.
Verbrannte Aubergine im Rote Bete-Mantel, mit Miso aromatisiert war der nächste Gang, den ich wieder zubereitete. Jetzt machte Anton Pahl klar, warum er einen Stern hat! Eine fragile Kugel aus einem Gelee musste unfallfrei auf einen Teller bugsiert werden. Dann die Sauce drum herum, der kleine Klecks obenauf war ein Faux pas des Anrichtenden. Wieder fanden sich prägnante Röstaromen im Gericht. Vermutlich war die Aubergine mit Schale über Feuer geröstet worden, dann wurde aus der Schale die Sauce und das Innere der Aubergine kam in die Gelee-Kugel, in der sich auch fettes Umani durch Miso fand. Fine dining, dass ich so auch in Stunden und Tagen nicht zustande bringen werde!
Steinbutt & Entenschinken kam wieder aus dem Ofen, und als meine Frau die Ofentür öffnete duftete es herrlich nach einem Krustentierfond! Yippie! Soulfood für Carsten! In dem ebenso gut schmeckenden wie duftenden Fond fand sich ein Stück Steinbutt Filet umwickelt von einer hauchdünnen Scheibe Entenbrust. Es war klar, dass kein Tröpfchen Sauce im Teller verblieb, für sowas bewahre ich mir immer Brot auf!
Hamachi an pikanter Vinaigrette mit Shiso und Jalapeño war ein durch mich kalt angerichteter Gang und der nächste, der uns lehren würde, dass es einen Unterschied zwischen dem heillos ambitionierten, aber nicht immer so begabten Hobbykoch Carsten und Anton Pahl gibt. Seit ich Gelbflossen-Makrele auch bei uns auf dem Markt bekommen kann, ist sie zu einem meiner liebsten Fische avanciert. Naturell lag ein Stück Filet auf dem Teller, mit schwarzem und weißem Sesam bestreut, ein kleiner Klecks einer fruchtigen Creme und einer Blüte, die Transport und anrichten überstand. Ein Saucenspiegel, in dem Shiso und Gurke die Hauptzutaten waren, ergänzte das. Für mich bisher bester Gang!
Schwäbischer Ochsenmaulsalat mit Feuerkartoffelcreme zum Drüber Geben war dann der Gang, den meine aus dem Schwäbischen stammenden Ehefrau anrichten musste, da gab es keine Alternative! Im Teller stellte sich das in Essig marinierte Fleisch als Zunge heraus, sehr klassisch zubereitet und sehr wohlschmeckend. Soulfood für die Schwäbin, aber Zunge ist natürlich auch meins, lange her dass ich selber eine im Ganzen gekocht habe, wird jetzt bald nachgeholt.
Ziegenkäse & Olive mit Roter Bete, indischer Rose und Walnuss, dieser Gang zeigte uns wieder, wo in der Küche die Sterneregionen beginnen. So wie auf dem Teller fotografiert befand sich der Gang auch in seiner Transportbox. Das jetzt teilen? Nicht denk- und vorstellbar! Ein Teller für uns Beide zum teilen entschieden wir! Zu schön war das Gebotene! Unter der Gelee-Abdeckung aus vermutlich der Rosen Essenz fanden sich Ziegenkäse-Oliven und ein Bett aus Rote Beete Würfeln. Alles sehr naturell in den Aromen, großes Beete Fest!
Schweinebauch & Röstzwiebel wurde wieder erwärmt im Ofen. Tranchen vom Schweinebauch und ein Klecks Zwiebelconfit wurden auf einem Saucenspiegel angerichtet. Etwas Crunch darüber, dann wurde es heimelig im Geschmack, Schweinefleisch, deftig, gesellt sich gerne zu süßen Zwiebeln und Saucen.
Buri, Safran & Sobrasada erwärmte ich wieder im Ofen. Buri musste ich googeln, man konnte erkennen, ein Fisch, aber von dem hatte ich noch nie gehört. Ich lernte, wieder was aus Japan, ein Mitglied der Familie der Stachelmakrelen, eine Gelbschwanzmakrele, eng verwandt mit Hamachi. Das Stück ganz leicht gegartes Filet hatte eine Kruste aus Sobrasade, der mallorquinischen Wurst. Zur Sauce muss man nichts mehr sagen, Safran pur! Mein zweiter Favorit neben dem Hamachi Gang,
„Karfiol-Ei“ Blumenkohlsalat mit Nussbutter bereitete meine Frau wieder Zimmerwarm zu. Das war jetzt Küche, die ich auch hinbekommen hätte, wenn ich die Idee gehabt hätte. Eischale unten zu 50% gefüllt mit einem Blumenkohlpüree und darüber dann ein Blumenkohlsalat mit deutlichen Noten von Essiggurken. Das Ganze dann gratiniert. Lecker!
Gerollte Steine, QR-Code mit dem Handy scannen und genießen, so verlangte es die To Do Liste vom Team des Setzkasten. Was dann passiert, will ich nicht verraten. Guter Trenngang zum finalen Fleischgericht.
U.S. Roastbeef & Spargel wurde natürlich wieder erwärmt, kleine Tranchen eines über jeden Zweifel erhabenen Rindfleisches wurde in einem Saucenspiegel angerichtet. In der Sauce kleine Stücke von weißem Spargel. Grüner Spargel dann noch in Form eines angebratenen Stücks, dass mit dem Fleisch angerichtet wurde. Schlotzig kann man diesen Gang beschreiben, gute Sauce mit sehr gutem Fleisch. Und auch wenn alle Gänge nicht umfangreich waren, wir waren wirklich satt nach dem vierzehnten von sechszehn Gängen. Aber es folgten noch zwei Desserts, gut dass es nicht auch noch Käse gab.
Limonentarte & Dill holten wir zum Anrichten aus dem Kühlschrank, in dem es verwahrt wurde nach unserer Ankunft. Ich muss gestehen, dass ich nicht mehr wirklich meine Gedanken zu den beiden Gängen erinnern kann. Dafür hatten mir wie immer die herzhaften Gänge zu sehr geschmeckt und mir wie immer viel besser als die Desserts gefallen.
Deswegen lasse ich auch beim Cookie Dough Bilder sprechen. Lustige Idee mit dem Lolli, die wehmütige Erinnerungen weckt an den traditionellen Menü-Abschluss von Lars Keiling in seinem 2 Sterne Restaurant! Da war es auch immer ein finaler Lolli, Eis am Stiel.
Ein alkoholfreier Secco aus Apfel; Heidelbeere und Kirsche begleitete die beiden Desserts. Diese Schorle von der angesagten Kelterei van Nahmen fand sich als Überraschung noch im Karton vom Setzkasten. Dann war es um, dieses Menü und ich komme zum Fazit.
Was Anton Pahl mit seinem Team vom Setzkasten hier als Außerhaus Menü vorbereitet, ist für mich die maximale und finale Essenz einer Sterneküche für zu Hause. Und das bei einem unglaublich niedrigen Aufwand in der eigenen Küche. Man braucht einen Ofen, genug Geschirr, eine Pinzette zum anrichten und schon offenbart sich das Maximum dessen, was ein Sternekoch in einer anderen Küche erreichen kann. Ich habe in den beiden Lockdowns einige Menüs aus Sterneküchen zubereitet, aber das waren durch die Bank sehr ambitionierte 3 oder 4 Gang Menüs mit sehr edlen, hochwertigen Zutaten, aber eben doch letztendlich recht konventionelle Menüs. Anton Pahl geht einen anderen Weg, er denkt sich ganz viele Kleinigkeiten aus, die er ohne großen Qualitätsverlust in eine andere Küche geben kann und erreicht dadurch, dass sich beim anrichten das Gefühl von der Vielfalt der Sterneküche einstellt! Chapeau! Das war großartig! Und was nicht unerwähnt bleiben darf, so wenig Müll nach dem Essen war noch nie! 16 Pappdosen in den Papiermüll zusammen mit dem Karton, 16 Plastikdeckel in die gelbe Tonne! Das war es. Klasse!
Sollte es einen dritten Lockdown geben, wir fahren wieder nach Düsseldorf, ganz sicher. Aber ich hoffe doch sehr, dass wir bald wieder einkehren dürfen in unseren liebsten Restaurants. Anton Pahl wird uns aber sicher wieder bekochen, dann aber in seinen Räumen im Edeka-Keller in Düsseldorf. Wir kommen, sobald wir dürfen!