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Ja, so schnell kann's gehen...
Durch eine Kurzkritik des klugen Julien Walther (www.troisetoiles.de) war ich auf das Izakaya im neu eröffneten Sir Nikolai Hotel in der Nähe der schlanken Katharinenkirche aufmerksam geworden. Ein Blick in die inzwischen auch zweisprachige Internet-Karte, die noch exakt den in weiches Leder gebundenen Exemplaren vor Ort entspricht, hatte mir zudem offenbart, dass hier keineswegs eine Kneipe mit mehr oder weniger großem Speisenangebot wartet. Sondern ein veritables, stylisches Restaurant, das nicht nur klassische japanische Sushi und Sashimi anbietet, sondern - ohne erkennbaren Hinweis, quasi "under cover" - Nikkei-Cuisine, also japanisch-südamerikanische Fusion.
Nikkei in Hamburg, da war doch was....
Nun, normalerweise bin ich stets für Abwechslung, jedenfalls bei meinen Restaurantbesuchen. Indes, ein kleiner Gedanke kämpfte sich aus dem Unbewussten hoch und aus dem Augenwinkel checkte ich die Karte:
Flunder-Tiradito, Softshellcrab-Tempura, Toro-Sashimi, Schweinebauch, Lamm-Chops vom Robata-Grill, Nigiri sowieso. Tatsächlich - vom Dessert abgesehen (das mittags eh dem nur kleinen Hunger zum Opfer fallen muss) könnte man das Menü aus dem Nikkei Nine komplett nachstellen. Einschließlich weißem Port, aromatisiertem Bier und Sparkling Sake. Sogar die südafrikanische Rotweincuvée hat der Großhändler auch hier platziert. (Nee, soweit geht die Verrücktheit dann doch nicht! 10€ für die 0,15l Pfütze übrigens auch hier der irreale Preis.)
Die Arbeitsbelastung gerade im Sommerloch, das Zugticket hin und zurück einiges preiswerter, als die einfache Taxifahrt von Schwerin nach Wendorf... Schon betrat ich das edel-modern gestylte Hotel, dem man die erst kürzlich erfolgte Eröffnung noch anmerkt: Kein Hinweis auf das Restaurant, auch die Top-Toiletten
sind nicht ganz leicht zu entdecken, das Personal muss sich noch finden und stimmt viel untereinander ab. Der Gast stört dabei nicht, aber mittags ist es ja eh meist etwas lebhafter, passte schon.
Ganz anders als im Nikkei sind die Räume heller, was einerseits an den bodentiefen Fenstern zum Nikolaifleet liegt, andererseits am komplett verglasten Innenhof (für die ausländische Kundschaft "courtyard" genannt). Daneben gibt es drei kleinere Bereiche: Eine Bar mit Hochstühlen auf der einen und wenigen Zweier- und Vierertischen auf der anderen Seite. Die niedrige Decke macht es ein wenig "lauschig". Es schließt sich optisch getrennt durch zwei Säulen eine lange Tafel an, die ja spätestens seit The Table auch in Hamburg en vogue ist. Hier ist die Decke höher und komplett verchromt.
Macht was her. Die Hängelampen sind sicher star-designt, aber nicht so meines. Schließlich hinter einer Wand einige Tische direkt vor der Showküche, hier ist es eher skandinavisch schlicht, auch wegen der pastellnen Farben und hellen Hölzer. Die Unterschiedlichkeit der Bereiche gefällt mir gut. Anders, als im Nikkei Nine, aber nicht schlechter. Ich entschied mich für den Innenhof, der komplett als Club/Bibliothek/Salon eingerichtet ist. Die Wohnzimmeratmosphäre
wird durch einen riesenhaften geknüpften Teppich auf dem schwarzen Steinfußboden verstärkt. Auf den mit blauem Samt bezogenen Clubsesseln saß ich höchst bequem. Der Kamin brannte natürlich nicht, dafür war wohl erstmals ein Dachsegment geöffnet. Das schuf neben dem eh schon tollem Licht auch wunderbare Luft. Leider auch einigen Dreck auf den darunter stehenden Tischen, der dem vielen Personal aber nicht aufgefallen war. Ich wählte vorsorglich doch einen Platz unter den noch geschlossenen Elementen, wer weiß schon, was sonst noch Gutes von oben kommt. Später wurden die Tische, auch meiner, mit einem feuchten Schwammtuch gewischt. Gewöhnungsbedürftig, vielleicht kommen die Krümelschienen noch. Auf jeden Fall ein Hingucker sind die Tischplatten aus schwerem Blech, vermutlich deswegen auch keine Decken oder Läufer. Eingedeckt in einer Mischung von japanisch und europäisch.
Die Mannschaft war zunächst etwas reserviert, aber freundlich, überwiegend aufmerksam und am Feedback interessiert. In und mit der Küche wird englisch gesprochen, wie überhaupt die Ausrichtung auch auf internationale Kundschaft deutlich ist. Am Mittag war das Publikum sehr gemischt von geschäftlichen Runden über Paare und Freundinnen bis hin zu mehreren einzelnen Schlemmern. Angenehm.
Es wird ein Lunchmenü angeboten. Meine Wahl stand aber ja schon vorher fest. Etwas schade fand ich, dass der Service mit mir nicht über die Portionsgrößen gesprochen hat. Den einen oder anderen der sechs Gänge hätte man sicher auch kleiner ausführen können.
Der White Port von Taylor (7,5€) war vorzüglich gekühlt. Als ich einen sehr kleinen Fremdkörper im Glas bemerkte, wurde unverzüglich ein neues serviert.
Ein Amuse wurde nicht gereicht. Lag es an der Tageszeit oder der Kalkulation von Mittagsangeboten? Etwas unflexibel fand ich es schon, Pluspunkt für das Nikkei.
Die Flunder zu Beginn war - wie alle Produkte, die ich probierte - von sehr guter Qualität und für Weißfisch unerwartet dick geschnitten
Das war auch deshalb überraschend, weil die hauchdünnen usuzukuri-Schnitte auf der Karte ausdrücklich angeboten werden. Grund war sicherlich die üppig verwendete Huacaina-Sauce, deren Frischkäse mit gelbem Chili und reichlich Passionsfrucht daherkam. Das Milchprodukt milderte die Schärfe sehr erfolgreich, so dass das Gericht ausgewogen war. Persönlich gehören Passionsfrucht wie Granatapfel aufgrund der recht harten Kerne nicht zu meinen Favoriten. Wie "Head Chef Hamburg" Ben Provis im Nachgespräch anmerkte, wären dünnerer Fisch und weniger Sauce schon sinnvoll. Jedoch sollen internationale Vorlieben berücksichtigt werden und der westliche Gast bevorzuge eben "mehr". Leichte Vorteile beim Nikkei Nine. (24€)
Weiter ging's mit dem Extrawunsch fetter Thunfisch. Die Präsentation auf gestoßenem Eis war wunderschön
Vier dicke Schnitte aus dem mittleren Bauch, chu-toro. Leider war der noch fettere o-toro nicht verfügbar, aber die Qualität war exzellent, noch etwas glänzend. Interessant, dass keine Sojasauce gereicht wurde, die hausgemachte im Nikkei hatte mich sehr überzeugt. Stattdessen aber in Salz eingelegte Ingwerwurzel, die einen ähnlichen Effekt hatte. Vermutlich auch wegen der (für mich entbehrlichen) Garnitur mit Osietrakaviar schlug dieser Teller mit 34€ zu Buche. Aber das Preisniveau kannte ich ja vor dem Bestellen...
Dafür wurde die frische Wasabiwurzel am Tisch klassisch auf der Haihaut-Oroshi gerieben, ganz ohne Aufpreis (Nikkei 10€). Später bei den Nigiri mussten der Kellner nochmal ran und kam dabei doch etwas ins Schwitzen
Insgesamt ausgeglichen.
Die folgenden Weichschalenkrebse (18€) unterschieden sich deutlich vom Leidensgenossen an der Alster. Zwei größere Exemplare, dadurch war das Fleisch etwas fester, aber eben auch schon der Panzer verfestigter
Das würdevolle Essen mit den Stäbchen (der gehobenen Einmal-Kategorie) war nicht ganz einfach. Serviert auf Streifen von Gurke und reifer Mango
Die Frucht ein Selbstläufer zu Krustentieren, aber auch die Frische passte gut. Statt einer gebundenen eine klare Limettensauce, die mit der abplatzenden Panade sämiger wurde. Trotzdem weniger elegant, als bei der Konkurrenz.
Gespannt war ich nun auf den Schweinebauch
zu dem ich ein Bier auf Pflaumenbasis mit Meersalz (7,5€) süffelte. Vor vier Wochen war ja noch Yuzu und grüner Tee im Spiel. Beides eine sehr gute Ergänzung. Das Schwein konnte indes nicht mit dem fetten Traum von damals mithalten. Gegrillt und mit höherem Fleischanteil
waren die Stücke einerseits schön knusprig, aber an der einen oder anderen Stelle fest mit der Tendenz zu trocken. Nicht alle, aber manche. Sehr gelungen indes die Ingwer-Tosazu-Salsa mit frischem Limettenabrieb.
Auf hohem Niveau, aber deutlich konventioneller. Dafür mit 14€ günstig.
Nach einer kleinen Pause das Lamm aus dem Robata (32€)
Die drei Koteletts sehr gute Fleischqualität, Gargrade von teils medium, teils weniger. Sehr saftig
von der Qualität dem einen sehr guten im Nikkei ebenbürtig, aber nicht an die zwei phantastischen heran reichend.
Und geschmacklich? Keine Ahnung. Die Küche hatte dermaßen viel koreanische Gochujang-Marinade draufgeknallt, dass es erst sehr salzig wurde, dann scharf. Die Holländer sind keine Brasilianer - und Lamm ist keine Seezunge. Will sagen: Eigentlich ja gar nicht so geschmacksarmes Fleisch, hätte ich trotzdem blind nicht sofort Lamm unter der Sauce entdeckt. Hätte auch Kalb sein können oder Schwein... Schade. Unter der Salzigkeit litt auch die Idee, statt Reis eine Scheibe Süßkartoffel zu präsentieren, die in Sojasauce eingelegt worden war. Oder gewesen sein soll. Farblich merkte man davon nichts, geschmacklich war eh kein Durchkommen gegen Onkel Kims Rache. Da war ich enttäuscht, das gute Fleisch hätte eine aufmerksamere Würzung verdient gehabt. Wobei das nicht gegen die Idee spricht, sondern daran erinnern will, dass die Dosis das Gift macht.
Bei den abschließenden Nigiri
hatte ich mir aburi, also Geflämmtes verbeten. Der Authenzität der battle wegen, aber auch, um die Qualität von Flunder/hirame, magerer Thun/maguro, Brasse/tai und Lachs/shake roh besser beurteilen zu können. Alles 1a, die Bilder sprechen für sich. Der Preis von 20€ war sehr angemessen. Sojasauce glänzte auch hier durch Abwesenheit. Und auch hier gilt: Die Konkurrenz ist nur um Nuancen besser, aber dabei geht's eben auch meist in der japanischen Küche.
Gilt auch für den Sparkling Sake: Obwohl mit 32€ für 0,375l sogar etwas weniger teuer (andere Vokabeln verbieten sich), fehlte mir etwas herbe Frische, er schien mir zu süßlich geraten. Auch war dies hier Perlwein, bei meinem ersten war ich ja da nicht sicher. Aber das mag nun alles auch an meiner Tagesform gelegen haben, vielleicht war es sogar dieselbe Ware...
Jo, der winner is klar: Das Nikkei Nine präsentierte sich für mich ausgereifter, raffinierter. Das Izakaya muss sich - auf schon hohem Niveau! - erst finden, das gilt für den Service, aber auch noch für die Küche. Das Ambiente dagegen sehr angenehm. Die Preise gerade für die Vorspeisen sind nicht zu beanstanden.
Auf die Revanche darf man also gespannt sein!