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Auf das Riva bin ich durch MarcOs etwas ältere Kritik gestoßen, als ich ein lohnendes Endziel für das diesjährige „Biwak“ unserer sog. Reservistenkameradschaft suchte. Tatsächlich handelt es sich um nur noch drei Herren im gesetzten Alter, die sich einst in der „Schule der Nation“ kennenlernten und nun ihre regelmäßigen Treffen bei gutem Essen und Wein mit einer eigentlich nicht erwähnenswerten sportlichen Aktivität tarnen. Wobei im letzten Jahr der Marsch von Konz über den Kanzemer Altenberg mit Besuch einiger nicht völlig schlechter Weingüter in Wiltingen und weiter zum Scharzhofberg bei über 30 Grad schon herausfordernd war. Bremen verwöhnte uns heuer regional-typisch mit Nieselregen, aber durch den ungenauen Marschbefehl des gastgebenden Schreibstuben-Muckels gerieten die 6 Kilometer Flachetappe in unter einer Stunde doch recht schweißtreibend...
Nun, nach einer kleinen Nacht-Zielübung (aka Schwarzlicht-Minigolf) schlenderten wir die letzten 1500 Meter durch das Ende der Überseestadt, einem 300 Hektar großen Stadtentwicklungsprojekt im größten Teil der ehemaligen städtischen Hafengebiete. Wohnen, Büros und trotz teilweise zugeschütteter Hafenbecken auch Gewerbebetriebe befinden sich hier seit über 10 Jahren in einem beständigen Wandel und natürlich gibt es auch schon die ersten Klagen von neuen Bewohnern, die tatsächlich überrascht sind, dass ein Großmarkt vor 5 Uhr morgens von LKW angefahren wird...
Die unterschiedliche, wachsende Gastronomie richtet sich überwiegend an young urban professionals und ist in allen ihren Facetten das kulinarischen Pendant zum Musical, wie ich es bereits an anderer Stelle beschrieben habe: Ein zeitgemäßes, durchgestyltes, professionell dargebotenes Produkt zum Preis der Hochkultur, aber eben ohne tatsächlich die ganz große Oper zu sein.
Man merkt, nach wie vor sind diese Konzepte nicht wirklich meine Herzensküche. Aber das Riva hat in dem, was es bieten will, überzeugt. Es ist das Vorzeigeobjekt der Q1-Gruppe, die mit einem halben Dutzend Läden der oben beschriebenen Art in der Innenstadt, aber eben bevorzugt im hippen Hafenrevier präsent ist. Im Erdgeschoss des Landmark-Towers (mit seinen sehr gut situierten Bewohnern) fast an der Spitze des Molenkopfes liegt es direkt am Fluss, was die Terrasse bei besserem Wetter zu einem place-to-be besonders beim Sonnenuntergang macht. Für mich ein persönlicher Reiz, da ich vis-a-vis des Stromes direkt hinter dem Deich meine Jugendjahre verbrachte und am Flussufer allerlei Dummheiten „fabrizierte“ (ohne mich allerdings von Binnenschiffen mitziehen zu lassen!)
Die Reservierung über das Ordersystem war einfach und es kam eine Erinnerungsmail einen Tag vorher. Reserviert wird nur zum Essen und vor 20:45 Uhr auch lediglich für 2 Stunden, bei späterer Ankunft ohne Zeitlimit bis Küchenschluss.
Das Ambiente wurde von MarcO wunderbar beschrieben. Inzwischen ist die Kombi aus dunklem Holz, Nischen, bequemen Sesseln und einem Lichtkonzept Standard in vergleichbaren Restaurants und Hotels, aber ich fühle mich darin immer noch wohl. MarcO fragte, wie wohl abends die Stimmung sei: Nun, irgendwann nach 21:00 wurde das Licht dunkler und farbiger, Deep House und Stimmengewirr lauter, so dass etwas Club-Feeling aufkam. Ein eventueller Auftritt der Schönen und Reichen wurde verpasst, da wir ja auch den Heimweg - mit kleinem Absacker an der Schlachte, der heimischen Partymeile - ebenfalls auf Knobelbechern vor uns hatten (Die Truppe wollte meutern und den weißen Kübel rufen, aber DerBorgfelder vom Dienst war unerbittlich!)
Unser großer runder Tisch stand etwas mittig im Raum, was für unsere kleine Gruppe gar nicht schlecht war. Wir bekamen guten Blick auf das Geschehen, eine Servicekraft war auch außer der Reihe immer greifbar und wir hatten genügend (Corona-)Abstand zu den anderen Gästen (fast alles junge schicke Pärchen), auch zu mehreren - gesitteten - „Mädelsgruppen“. Das Zeitlimit wurde nicht exekutiert, da unser Tisch nicht neu belegt wurde. Fein, ohne Zeitdruck haben wir gern noch eine Flasche bestellt und blieben am Ende fast 4 Stunden.
Im Service lief alles wie erwartet: In der Ansprache berufsjugendlich, aber professionell. Natürlich auf amerikanische Art pseudo-persönlich, „unser“ Pascal (natürlich mit Kärtchen) hat den Beruf vielleicht nicht gelernt, arbeitet aber jetzt hauptberuflich in der Gastro. Locker, dabei nicht übergriffig. Aufmerksam oder ansprechbar, gut geschult im Rahmen des Konzepts. Auch der Restaurantleiter, der uns schon am kleinen Empfangstresen etwas überherzlich begrüßt hatte, war den ganzen Abend vor Ort. Erbetene Pausen wurden beachtet. Ein Gang auf die Terrasse mit kurzfristig bestelltem Crémant rosé (6,5€) war zeitlich kein Problem. Das Ausheben des Geschirrs von einzelnen Gästen, während andere noch am Essen sind, mag ich nicht so. Aber das System muss am Samstag eben möglichst reibungslos funktionieren. Einen unangenehmen Zeitdruck haben wir trotzdem nicht gespürt.
Die Corona-Auflagen wurden durchweg eingehalten. Nur eine Serviette unter der Patschehand beim Brot schneiden, die hätte ich mir doch gewünscht. Aber das nicht erst seit diesem Jahr...
Die Küche hat insgesamt ordentlich abgeliefert, die Produkte waren durchweg von guter Qualität, handwerklich kam alles ohne größere Fehler und ein paar eigene Ideen waren auch dabei.
Nach den ersten Getränke-Bestellungen (Selters 6,5€/0,75l, Radeberger 3,3€, Weißer Port 4,5€) kam schnell Baguette in Standardausführung, immerhin knusprig. Dazu mit u.a. Zitronengras aromatisiertes Olivenöl, das der Anpreisung nach in einer Liga mit Ambrosia hätte spielen müssen. Das Öl war ohne eigene Ecken und Kanten, die Kräuter jedoch zu erschmecken. Ein etwas sparsames „Amuse“, später bekamen wir auf Anfrage problemlos zusätzliche Scheiben.
Ein Kamerad war mit seinem Mare e Monti von Boudin Noir und Jakobsmuschel (13,5€)
Boudin noir und Jakobsmuschel
höchst zufrieden, der andere „Reservist“ (tatsächlich vom KvD zum nachträglichen KDV mutiert) stöhnte ein wenig, als er der Menge seiner gemischten Antipasti (13,9€) gewahr wurde. Überhaupt waren alle Portionen reichlich bemessen, das PLV viel besser als befürchtet.
Ich hatte mich für Ceviche vom Wolfsbarsch (15€) entschieden, das auf Süßkartoffelspalten angerichtet war.
Ceviche vom Loup de Mer auf Süßkartoffel
Das schob den Geschmack ungewohnt auf die süße Seite, wofür auch die nur zurückhaltende Limetten-Säure verantwortlich war. Hinzu kam ein fast völliger Verzicht auf Schärfe, so dass der Teller etwas brav blieb, mehr Mitteleuropa als Südamerika. Immerhin war der Koriander nicht zu dominant. Der Wolfsbarsch hatte kaum angezogen, vielleicht als Folge der geringen Säure oder zu kurzer Standzeit. Allerdings konnte dadurch der ja weitgehend rohe Fisch bei Zimmertemperatur tatsächlich einen Eigengeschmack entwickeln.
Im Glas schmeckte der fruchtige Chardonnay von Jermann (42€), später wechselten wir kompromisshalber zu einer apulischen Cuvée Primitivo/Negro Amaro (29,75€), die mit 15 Umdrehungen all jene Lügen strafte, die mir eine Vorliebe für Rotweinschorle andichten. Ha! Der Aufschlagfaktor gegenüber den Netzpreisen liegt bei 2,5 bis 3; im Norden liegt das im Vergleich zwischen normal und günstig. Sinnvoll fand ich das Angebot, alle offenen Weine auch als 0,1 Pfützchen zu bekommen, zum Preis von 60% des „falschen Viertele“. So können auch die Chauffeure mehr als einen Wein bestellen.
Während meine zwei Begleiter noch glaubten, mit zwei Gängen durch den Abend zu kommen, ließ ich mir einen Caesar‘s Salad (8,5€) schmecken.
Caesar‘s Salad RIVA style
Ohne eine erneute Diskussion über Originalrezepte loszutreten, irritierten doch die Karottenstifte und halbe Kirschtomaten. Immerhin, es schmeckte ein knackfrischer Römer-, nicht Eisbergsalat, die Baconchips waren knusprig und (zwei) Anchovis waren auch zu finden. Sauce kräftig, Croûtons gerade richtig im Biss, Padano statt Parmiggiano unauffällig, Kapern“Äpfel“ zum Selbstschneiden etwas unelegant .
Nachdem wir in der einbrechenden Dunkelheit auf der Terrasse die Lichter der Stadt genossen und dem kalten Wind genug getrotzt hatten, ging es an die Hauptgänge.
Die Tagesempfehlung Rinderfilet und Garnelen
Rinderfilet und Garnelen
schlug mit 36,9€ ordentlich zu Buche, Sashimi-Tataki mit kaltem Kalbsbraten als eigenständiges Vitello Tonnato wurde mit 24,5€ berechnet und meinen RIVA Fischtopf gab es für 40 Cent mehr.
Super-Fischtopf
Die Fischsuppe überzeugte vom Start weg mit einem kräftigen, tomatisierten Fischfonds, Streifen von Chilischote sorgten für eine pikante Note. Anisette war nicht zu schmecken. Sehr gut, um Längen besser als im Chapeau La Vache. Auch die reichhaltige Einlage gefiel mir: Jakobsmuschel, Oktopus, Wolfsbarsch, Lachs und Kabeljau, alles vernünftig große, weitgehend saftige Stücke mit klarem Produktgeschmack, an denen nur die Haut störte. Gemüse-Juliennes sorgten für einen angenehmen Crunch. Obwohl kein namentlicher Bezug zu südfranzösischen Suppen-Klassikern hergestellt wurde, gab es warmes Weißbrot, knusprig, aber ohne wahrnehmbare Röstung und dazu eine sogenannte Sauce Rouille, die mir aber eher Paprika-Mayo zu sein schien.
Geröstetes Weißbrot und Sauce Rouille
Für meinen Geschmack außerdem zu wenig Knoblauch und kaum Wumms. Etwas schade, auch hier vorsichtiger Mainstream. Aber das stärkste Gericht des Abends für mich.
Eine Käseauswahl wurde nicht angeboten. Deshalb dreimal das am spannendsten klingende Dessert: Lavendel-Crème brûlée mit Erdbeersalat und Rhabarber-Sorbet.
Lavendel Crème brûlée, Erdbeersalat, Rhabarber-Sorbet
Das säuerliche Eis war auch der Temperatur geschuldet geschmacklich zu schwach, um gegen die süßen Komponenten durchzudringen. Denn die Erdbeeren waren nicht nur kräftig süß, sondern auch aromatisch. Und auch der Lavendelgeschmack der recht lockeren Crème gelang der Küche ganz prima. Deutlich, aber nicht zu seifig. Natürlich ist es noch schöner, wenn die Crème à la minute karamellisiert wird und dann direkt zum Gast geht, oben warm und unten kühl. Aber das ist unter Vollast am Sonnabend schon recht schwierig. So blieb es ein guter Abschluss.
Mangels Süßweinen stießen wir erst mit Frangelico (3€), Calvados (4€) und Averna (3€) zufrieden auf einen insgesamt auch kulinarisch erfreulichen Abend an und endeten mit einem Café Crema (2,7€), bevor es ins Nachtleben ging.
And now back to Garmisch...