Das Herzhaft- Klassische Küche drückt unsere Freude an frisch zubereiteten, leckeren und natürlichen Gerichten aus.
Dies ist uns ein besonderes Anliegen, denn Genuss ist nicht nur
"Sterneküche"- Genuss fängt bei einfachen, guten Produkten und Gerichten an, die professionell und liebevoll zubereitet werden.
Und zum Genuss gehören auch die Stimmung und das Umfeld, die Tageszeit, das Wetter und viele andere Faktoren.
Dieses Restaurant ist in der Tat eine Bergisch-gastronomische Erfolgsgeschichte, seit 1995 wirken Petra & Ulrich Heldmann in historischem Gemäuer auf der Brüderstraße in Remscheid, im Jahr 2001 kamen erstmalig Sterneweihen hinzu, die man bislang ohne Unterbrechung zu verteidigen vermochte.
Betrachtet man die finanzielle Lebensrealität im bergischen Städte-Dreieck und die hiesige Haltung zur gehobenen Gastronomie im Allgemeinen, die tendenziell – um es sehr vorsichtig auszudrücken – nicht unbedingt der landläufigen französischen entspricht, ist alleine diese lange Zeit ein Fakt, der einem Respekt abverlangt – viele Mitbewerber sah man Kommen und Gehen in diesen Jahren.
Weniger Respekt vor mir selbst ringt mir der Umstand ab, das ich es in all den Jahren nie geschafft hatte, hier einmal zu speisen; immerhin konnte ich aber schon vor Jahren die nicht weit der Brüderstraße ansässige, ähnlich positionierte Villa Paulus von meiner regionalen Gastro-Bucket-List streichen.
Die Heldmanns betreiben, wie mittlerweile die meisten ihrer Mitstreiter, neben dem besternten Hauptrestaurant ein Zweitlokal, das anstatt einer mehr oder weniger flexiblen 3 bis 7-gängigen Degustations-Offerte fast gäzlich auf à-la-carte setzt.
Und dieses verhieß an einem heiter bis wolkigen Donnerstagmittag genau die richtige Dosis Gaumenfreude, die ich leicht magenknurrend gerade gut gebrauchen konnte, „Harry, hol schon mal den Wagen!“ schmetterte ich vorfreudig in die Behausung– keine Antwort, Harry hatte heute wohl frei, gutes Personal ist ja so selten geworden…
Von infantilen Tagträumen in Sachen servil garagierender Chauffeur wieder befreit ging es auf nach Remscheid, der umsichtige Autor war von einigen Remscheid-Besuchen der letzten Wochen vorgewarnt und wählte die idyllische Route durch das Morsbachtal.
Denn durch die synergetische Genialität von „Straßen NRW“, der Remscheider Stadtverwaltung und der beteiligten Baufirmen brachte man das Kunststück fertig, Remscheid über Wochen an diversen wichtigen Einfallstraßen mit parallelen Baustellen quasi von der Außenwelt abzuschneiden, Pendler brauchten zum Teil 60 Minuten für eine Strecke die ansonsten in maximal 15 zu absolvieren ist, die Lokalredaktionen überschlugen sich vor Empörung – es leben die Freuden des Individualverkehrs!
Kritik
Mit dem triumphierenden Gefühl in der Magengegend, dem galoppierenden NRW-Baustellen Terrorismus ein seltenes Schnippchen geschlagen zu haben, rollte ich gegen 13:30 auf den Parkplatz vor der 1889 erbauten, majestätisch den Hang hinabblickenden, architektonisch zeitgenössisch regionaltypischen Fabrikanten-Villa, die angesichts der Wolke, die sich in diesem Moment vor die Sonne schob, einen recht morbiden Eindruck machte – das Gebäude scheint rein äußerlich die besten Jahre hinter sich haben.
Einen Moment dachte ich gar, man hätte heute Mittag geschlossen, da ich nur zwei weitere Vehikel sah und die ganze Szenerie nicht unbedingt einen lebendigen Eindruck machte, dieser sollte gottlob täuschen.
Schön ruhig ist es hier in dieser Remscheider Nebenstraße nicht unweit der Innenstadt, der Blick kann weit schweifen, vor dem liebevoll dekorierten Eingang gibt es einen Terrassenbereich, in dem es sich an lauen Sommerabenden sicher vorzüglich dinieren lässt.
Der leicht morbide Bates-Motel-Eindruck außen setzt sich innen nicht fort, das Treppenhaus atmet stilvoll Historie, für altmodische Zeitgenossen wie mich einfach herrlich, ich kann diesen ganzen Lounge-Mist nicht mehr sehen und freue mich an solchen Häusern genauso wie an gelegentlich erspähten chromblitzenden Oldtimern im ansonsten uniformen, plastik-verseuchten Verkehrsgewühl.
Freundlich fiel sie aus, die Begrüßung durch die hochgewachsene, schlanke wie ranke, junge Service-Leiterin im adretten Kostüm. Wenn es auch in diesem Fall diese ganz spezielle, künstliche, überprofessionelle Freundlichkeit war, auf die ich in gehobener Gastronomie immer allergisch reagiere, für mich wie Limonade mit Süßstoff: von außen betrachtet ok, dennoch bleibt dieser fahle Nachgeschmack.
Man führte mich in einen angrenzenden Gastraum, schönes Parkett unten, gepflegter Stuck oben, ein Kronleuchter, dezenter Wandschmuck, eine rosé gestaltete Wand vis-à-vis von meinem Tisch, zu meiner Rechten ein herrlicher Blick, die lederbespannten, beigen Hochlehner boten kommoden Sitzkomfort- „hier kann man es aushalten“ lautete mein erstes Urteil.
Twiggy delegierte den Service nach der Platzierung des athletischen Autors alsbald an einen jungen Auszubildenden in adretter Kellnerkluft, der sichtlich bemüht war seine Sache gut zu machen und seine spürbare Unsicherheit damit wieder wettmachte, das sein zaghaftes Lächeln noch nicht vollsynthetischen Ursprunges war.
Die gepflegte, ansprechend gestaltete Speisekarte wurde gereicht, ein erster Getränkewunsch erfragt, entspannt lehnte ich mich zurück und begann mit der Auswahl meines dreigängigen Mittags-Imbisses.
Die Karte des „Herzhaft“ bietet, ähnlich dem Hauptrestaurant, regionaltypische Klassiker mit modernem Touch in der Ausführung, genretypische, vorsichtige Ausflüge in exotische Gefilde und tendenziell krisenfeste Dessert-Optionen.
Vorfreudig ratterte ich nach kurzer Überlegung meine Bestellung herunter, der junge Mann entschwand dankend und kehrte nach kurzer Zeit mit dem
| Gruß aus der Küche |
und meinem vorab bestellten Wasser (Haaner Felsenquelle, 0,25l zu 2,50€) zurück.
Wenn ich in der Überschrift von gemischten Eindrücken orakelte, dann sollten diese jetzt ihren Anfang nehmen, meine stets mit maximaler Herabwürdigung bedachte, persönliche Geißel des Amuse Bouche Universums wurde serviert: das insbesondere hier in der Gegend von Gastronomen jeder Couleur stets gern kredenzte, farblose Duo von „Brotauswahl „St. Krümelstaub“ an Mystery Quark „Bad Pamphausen“.
Der Dip sollte hier in diesem Fall zumindest gut abgeschmeckt sein – leichte Knoblauchnote - und das Brot frisch, dennoch frage ich mich jedes Mal, warum man nicht - wie im übrigen im Heldmann Gourmet-Restaurant dem Vernehmen nach gerne praktiziert - ein einfaches, kreatives Löffelgericht servieren kann?
Es erwartet in diesem Preisgefüge sicher niemand einen Esslöffel Beluga-Kaviar oder einen halben gehobelten Alba-Trüffel auf einem lauwarmen à la minute Raviolo für lau, dennoch kann man sicher ohne großen Waren- und Arbeitseinsatz etwas bieten, das verglichen mit einer Bruschetta bei einem einfachen Italiener die Geschmacks- und Genussnerven der meisten Gaumen nicht in ein resigniertes Wachkoma fallen lässt.
Umso mehr freute ich mich auf meine
| Vorspeise |
Ceviche vom Fjord Lachs | Escabeche |Avocado – 14€
2016 Blanc de Noir, Weingut Haltinger, Baden – 0,1l zu 4€
, die nach angenehmer Wartezeit an den Tisch kommen sollte.
Ceviche vom Fjord Lachs | Escabeche |Avocado
Hier zeigte sich abermals eindrucksvoll, daß das Kopfkino, das die moderne, auf Zutaten oder Aromen reduzierte Deklaration der Gerichte bewirkt, manchmal doch etwas in die Irre führen kann.
Da ich eine Escabeche wie auch die Ceviche als eigenständige Gerichte bzw. Zubereitungen kenne, dachte ich naiver Weise an eine Variation des Fisches, vielleicht mit der Avocado als verbindendes Element?
Serviert wurde allerdings eine übersichtliche, leicht durch die Essigsäure „angegarte“ Tranche des hervorragenden Lachses in einem geschmacklich an Escabeche erinnernden sauer-süßlichen Sud, darauf Tupfen einer Avocado Zubereitung, etwas entkernte rote Chili und ebenfalls in dem Sud marinierten, hauchdünnen roten Zwiebelringen.
Ich bemühte mich wirklich äußerst wohlwollend, in den Sud eine gewisse Tiefe zu interpretieren, schmeckte ihn separat ab, ließ alles auf der Zunge zergehen und war durchaus leidlich zufrieden.
Dennoch: Es blieb geschmacklich eindimensional, weil in dem Sud außer einer dominierenden Säure eine dumpfe Süße mitschwang, die eine Note in sich trug, wie ich sie einmal in einer mit Stevia übersüßten Nachspeise ertragen musste - durchwachsen!
Trost spendete der wohltemperierte Begleiter aus Baden mit ausgewogener Mineralität und einem gewissen Schmelz, der schon beim ersten Schluck Lust auf mehr machte.
Der junge Mann räumte ab und das einzige überaus befremdliche an seiner ansonsten wirklich bemühten Tagesform trat zutage, nämlich das er nicht ein einziges Mal – auch nicht bei den folgenden Gängen - nach der Zufriedenheit fragte.
Setzt man diese hier voraus? Hat man Angst vor negativem Feedback? Hält man das für überbewertet? Man weiß es nicht…
| Hauptgericht |
Spargel Risotto mit Garnelen – 16€
Wein siehe Vorspeise
Spargel Risotto mit Garnelen
Jahre ist es her, das letzte gute Risotto, und selbst das hat mich nicht wirklich beglückt, Risotto wäre definitiv keine wirklich ideale Henkersmahlzeit für mich, aber in einem seltenen Anflug von „ich brauch was Leichtes“ ließ ich mich hinreißen,
Rein optisch wusste das Gericht schon durchaus zu überzeugen: stolz thronte das appetitlich saftig glänzende Meeresgetier auf seinem Reisbett, sorgfältig geschnittener grüner Spargel, frische Kräuter und Tomaten Brunoise sorgten in jenem für farbliche Akzente.
Ich probierte. Welchen Reis man hier nahm, Carnaroli oder Arborio, ich weiß es nicht genau, vielleicht auch einen ganz anderen, was ich jedoch genau weiß: der Koch mag es al dente.
Nun ist Risotto sicher ein Gericht bei dem persönliche Vorlieben selbst im Herkunftsland sehr stark ins Gewicht fallen, was für den einen „all‘ onda“ ist, ist für den andere Pampe, was für den einen noch den perfekten Biss hat, verortet man zwei Ecken weiter unter Rohkost.
Der Reis hatte noch viel Biss, ebenso der Spargel, eine homogene Masse mit der relativ dünnflüssigen Brühe entstand nicht, man hatte ein wenig das Gefühl ein Süppchen mit überaus reichhaltiger Einlage zu essen.
Die geschmacklichen Eindrücke eher flach, zudem man hier eine überaus großzügige Dosis Zitronengras im Einsatz hatte, die alles andere stark dominierte.
Wie auch bei frischem Koriander kommt bei mir bei Zitronengras sehr schnell der Punkt, wo es nicht mehr bereichert sondern unangenehm überlagert, was hier der Fall war.
Würde man böse sein wollen, könnte man resümieren das Ganz habe Anklänge eines untergarten asiatischen Fusion-Gerichtes gehabt und als solches sein Ziel verfehlt.
Das Highlight bildeten geschmacklich die vernehmbar mit Wermut abgelöschten Garnelen, die für sich genommen zwar ein kleiner Hochgenuss aber auch nicht gerade eine handwerkliche Großtat waren.
Der Blanc de Noir tat abermals ein gutes Werk, aufgrund der frühen Stunde (ich trinke mittags eigentlich nie Wein zum Essen…) und der Tatsache, daß ich fahren musste, gönnte ich mir allerdings nur ein Glas und genoss den Rest von meinem immer noch halbwegs hinreichend kühlen Glas.
| Dessert |
Crème brûlée von der Tonkabohne mit Sorbet – 7€
Crème brûlée von der Tonkabohne mit Mangosorbet
Gut schaute das aus, ich war begeistert, sollte das ein Mango-Sorbet sein? Ja, es war Mango, ein herrliches Sorbet, erfrischend, fruchtig, intensiv, köstlich!
Die Crème brûlée wartete mit einer knackigen Zuckerschicht auf, nicht verbrannt, nicht drei Zentimeter dick und einen Presslufthammer fordernd, einfach perfekt.
Samtig, homogen und mit der leichten Rum-Vanillenote der Tonka die Creme selbst, beides in Kombination eine wunderbare Liaison von Süße und Säure mit dem leichten Biss der Zuckerschicht, einfach aber gut.
Eine Crème brûlée als Highlight eines von mir bewerteten Menüs, das ich als Dessert Verächter das noch erleben darf!
Die Zufriedenheit wurde wie erwähnt auch bei diesem Gang zu keiner Zeit erfragt, ich gönnte mir noch einen (guten) Espresso (3€) und konnte die Zahlung problemlos bargeldlos am Tisch erledigen.
Verabschiedet wurde ich mit der bereits vorab genossenen Profi-Freundlichkeit der Service Leiterin mit jovialem Gruße quer durchs Treppenhaus, draußen hatte es aufgeklart - na immerhin, das muss das sonnige Mango-Sorbet gewesen sein!
Fazit
Schwierig, rein handwerklich gibt es gar nicht so viel zu meckern, zumindest gab es keine großen Ausfälle. Es bleiben subjektive Kritikpunkte wie die Textur des Risottos, die für meine Begriffe flache Ceviche, das langweilige Amuse. Trotz guten Desserts diesmal objektiv-subjektive 3,5 Sterne für die Küche, wie immer gemessen am Preisgefüge und Selbstanspruch des Restaurants.
Der Service war dem entsprechend, gertenschlanke blonde Teflon-Freundlichkeit am Empfang traf auf unsicheren Azubi, der zwar präsent war aber eher den Eindruck einer bemühten Aushilfe machte, mehr als wohlwollende 3,3 Sterne aufgerundet auf 3,5.
Das Ambiente für mich gut, ich lasse die Bilder für sich sprechen, die Tischkultur gefiel mit stilvoller Schlichtheit, vier Sterne.
Die Sauberkeit ohne jeglichen Tadel, auch die Toiletten habe ich kurz zum Händewaschen aufgesucht, alles penibel gepflegt und sauber.
Das PLV möchte ich trotz aller Kritik an geschmacklichen Belangen mit vier Sternen bewerten, Ware und Handwerk waren für sich genommen als gut zu betrachten.
Ich werde die Karte im Auge behalten und ggfs. demnächst im „großen“ Heldmann Restaurant testen, was der Michelin an den dortigen Menüs seit 17 Jahren für sternewürdig erachtet – es bleibt spannend!