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Heute allerdings entscheiden wir uns für die Heimfahrt. Muss halt einer sich beim Wein zurückhalten. Ich bin es nicht. Ich habe Geburtstag. Und das hat sich auch in der „Ole Deele“, obwohl nicht angekündigt, schon rumgesprochen, so dass ich mich über reichlich Glückwünsche nicht beklagen kann. So ist das eben in Zeiten von Facebook.
Dass es heute allerdings auch unser letzter Besuch hier werden würde, ahnen wir da noch nicht.
Unser Abend beginnt zum Apéritif wie immer mit einer Reihe von sehr kreativ gearbeiteten Amuse Bouches. Den Start macht ein Zweierlei rund um die Forelle mit einer von Wasabi ummantelten Kartoffel-Lauch-Mousse und Forellenkaviar und ein mit Forellentatar gefüllter Lolly aus Gurke und Tonic. Ist die Mousse recht füllig und kräftig, weist der Lolly einen prägnanten und schönen Fischgeschmack auf.
Ein Fenchel-Salat mit Panna Cotta, Wassermelone, schottischem Lachs und Olivenöl spielt mehr die frischen, fruchtigen Akzente heraus.
Einen Ausflug in die kulinarische Welt der DDR gibt es mit dem Würzfleisch à la „Ole Deele“. Kalb, Kapern und eine Sauce, in der ich einen Hauch von Madeira ausmache, ist herrlich altmodisch, aber total fein und lecker. Dazu gibt es einen Macaron auf Basis von Brottrunk mit Leber und Imperialkaviar, der frisch und vielschichtig einen schönen Gegenpol zum Würzfleisch setzt.
Zum sehr guten Sauerteigbrot gibt es eine ausgezeichnete, luftig aufgeschlagene Kürbiskernbutter mit karamellisierten Kürbiskernen sowie eine würzige Tapenade von Walnuss und Tomate.
Das Menü in der „Ole Deele“ umfasst derzeit fünf Gänge zu 115 Euro, die optional um Extragänge und Käse erweitert werden können. Wir entscheiden uns für die Auswahl vom Käsewagen.
Den Auftakt ins Menü macht ein vielfältiges Arrangement um die ungestopfte Gänseleber. Die ist eine überzeugende Alternative zur herkömmlichen Foie Gras und bringt einen intensiven Eigengeschmack mit. Bittersalate als Creme verarbeitet bieten einen kleinen Widerhaken, weiße Schokolade als dünne Plättchen, Kräutersud, Hüttenkäse und Apfel als fruchtige Komponente komplettieren das vielschichtige Ensemble, bei dem jeder Bissen einen neuen Akzent zutage bringt. Das ist nicht nur optisch klasse, sondern kann auch aromatisch überzeugen.
Verspielt geht es mit dem nächsten Gang weiter. Eine Gazpacho wird geklärt und dann als Sphäre gearbeitet. Darunter findet sich Hamachi als Sashimi und an der Seite auch noch als Tatar. Auch bei diesem Gericht spielt Gallein mit zahlreichen Komponenten, die zunächst komplementär wirken, sich aber letztlich gut zusammenfügen. Recht kleine und feste, aber geschmackvolle Falafel teilen sich den Teller mit Koriandercreme, Röstzwiebelbrotchips, einer Mayonnaise auf Basis von Miso sowie Tomaten, die durch Sodapatronen einen leichten Britzeleffekt mitbekommen.
Bei aller Kreativität und beeindruckenden handwerklichen Fähigkeit frage ich mich, ob hier nicht zu viele Komponenten um meine Aufmerksamkeit buhlen. Aber schmecken tut’s halt schon.
Mit dem schottischen Hummer wird es zwar nicht weniger komplex, aber der Gang erscheint trotz zahlreicher Elemente merklich fokussierter. Der Hummer ist nicht nur pur, sondern auch im Ravioli verarbeitet. Die Puntarelle, auch bekannt als wilder Chicoree, ist in feinen Stücken geschmort, was ihr die übermäßige Bitterkeit nimmt, der Paprikasud weist durch Cayenne und Shiso eine ganz leichte Schärfe auf, Grapefruit in karamellisierter Form auf dem Ravioli ist so pointiert eingesetzt, dass Süße und Säure sich gekonnt die Waage halten. Estragonblätter und vor allem Shiso-Kresse geben eine ätherische Schärfe ab, die sich dezent, aber merklich über den Teller legt. Ein tolles Gericht!
Auch beim Luma-Schwein ist klar, dass hier das Fleisch die Hauptrolle spielt, wenngleich es wiederum nicht an begleitenden Komponenten mangelt. Der Rücken ist perfekt gegart und mit einem geschmacksintensiven Fettrand versehen. Ein geschmortes Stück ist als Knusperpraline verarbeitet und dazu gesellen sich fruchtige Elemente von Aprikosen und gelben Pflaumen mit Senfsaat, die gut passen. Auch kleine Stücke von grünen flachen Bohnen, Pfifferlinge und Radieschen spielen noch mit. Eine tiefe, dunkle Jus und Pfiferlingsschaum runden den guten Gang ab.
Nicht auslassen sollte man den mit mehr als 30 Sorten bestückten Käsewagen vom Affineur Waltmann aus Erlangen. Oliver Fabris hat eine wirklich außergewöhnliche Auswahl zusammengestellt, die auch mit zahlreichen unbekannten Sorten zu überraschen weiß. Und er präsentiert ihn kenntnisreich, begeisternd und sehr großzügig. Vom „Petit Gaugry“, einem mit Marc de Bourgogne affinierten Käse ähnlich einem „Epoisse“, lässt uns Oliver Fabris gleich eine kleine Schachtel am Tisch – die wir natürlich nicht aufessen, es aber durchaus hätten dürfen.
Unter einem knusprigen Shisoblatt verbirgt sich als Pré-Dessert Romanasalat als Eis und geschmort, Granatapfel als Creme sowie Fichten- und Sesamstaub. Das ist ein bisschen herb, aber süß genug, um einen gelungenen, komplexen und orginellen Übergang zum Dessert zu bilden.
Die verspielte Linie verlässt die Küche auch nicht mit dem Dessert. Ein als Maiskolben geformtes Eis ist gefüllt mit Brombeersorbet, eingelegten Brombeeren und Maiscreme, das darauf platzierte Tartelette mit einer Brombeersphäre und -creme.
Das ist insgesamt zwar etwas mächtig, aber mir gefällt, dass hier zwar viel passiert, es aber im Wesentlichen um die Variation weniger Komponenten geht. Handwerklich ist das aufwändig gemacht und lecker.
Und dem stehen auch die Petits Fours nicht nach. Ein Himbeermacaron mit Johannisbeere und Basilikum, ein geeister Karotten-Lolly sowie ein Eierlikör-Drop auf Sablé runden das gelungene Menü ab.
Der Abend in der „Ole Deele“ war ein rundum fabelhaftes Vergnügen. Oliver Fabris und Elke Wacker sind ein herzliches Gastgeberpaar, das von der Begrüßung bis zur Verabschiedung für eine charmante Begleitung sorgen. Benjamin Gallein und sein Sous-Chef Chris Werner servieren die Gerichte selbst und haben zahlreiche Details zur Zubereitung zu erzählen, die den Aufwand, der in der Küche betrieben wird, unterstreichen.
Aber das Entscheidende ist natürlich, dass die Gerichte schmecken. Und das tun sie wirklich. Die Gänge sind komplex komponiert und laufen zwar mitunter Gefahr, den Esser mit zu vielen Komponenten zu überfordern, aber bleiben doch stets harmonisch.
Und das wäre vielleicht auch meine einzige Empfehlung gewesen: Dass man hier viel kann, ist mehr als offensichtlich, aber man muss nicht auf jedem Teller auch alles zeigen.
Als wir die „Ole Deele“ verlassen, ist für uns klar, dass sie auch weiterhin in Niedersachsen ganz weit vorne ist. Einen Monat später überzieht der zweite Lockdown die Gastronomie und Mitte November kommt die Nachricht, dass die Inhaber das Restaurant Ende Januar schließen würden, völlig überraschend. Mit der Regierungsentscheidung, die Gastronomie auch bis ins neue Jahr hinein geschlossen zu halten, war damit auch das vorzeitige Ende der „Ole Deele“ besiegelt.
Dieser Bericht kommt also in jeder Beziehung zu spät. Er kann nur noch eine tolle Leistung dokumentieren, die wir hier einige Male erleben durften und die es in dieser Form nicht mehr geben wird. Im Nachhinein ärgert es mich natürlich ungemein, dass wir nicht häufiger hier zu Gast waren.
Dem Team wünschen wir, dass es möglichst schnell wieder unterkommt. Oliver Fabris wird ab Februar als Gastgeber und Sommelier im noch recht neuen „Lindenblatt 800 Grad“ in Hannovers Altstadt fungieren, das sich auf Edelsteaks spezialisiert. Hoffen wir, dass wir auch die Kochkünste von Benjamin Gallein und Chris Werner bald wieder erleben können.
Bis dahin bleibt die traurige Erkenntnis, dass in der Region ein weiterer strahlender Stern erloschen ist.
Bericht wie immer auch auf meinem Blog: http://tischnotizen.de/ole-deele-burgwedel-3/