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Eineinhalb Jahre ist es doch schon wieder her, seit wir das letzte Mal hier waren. Und auch davor war es eine längere Zeit. Eigentlich schwer verständlich, denn als Niedersachsen sind wir mit hochkarätigen Restaurants nicht übermäßig gesegnet und von der Landeshauptstadt aus ist Osnabrück schnell zu erreichen. Zeit also für einen erneuten Besuch.
Im Rahmen eines Spezialangebots im März für Mitglieder des Gourmet-Clubs von Restaurant-Ranglisten kommen wir in den Genuss, einen umfassenden Überblick über den aktuellen Stand von Thomas Bühners Küche zu erleben. Die Abfolge umfasst zum einen das vollständige große Menü mit dem Untertitel „innovation / avantgarde“ sowie einige Gerichte aus dem kleinen Menü, das unter dem Namen „Tradition & Qualité“ einen vermeintlich klassischeren Ansatz verfolgt.
Viel hat sich seit unserem letzten Besuch verändert. Nadja Siebert hat die Restaurantleitung von Thayarni Garthoff übernommen und Christian Scholz ist seit dem Weggang von Sven Oetzel der neue Sommelier. Nachdem René Frank sich mit der CODA Dessert Bar (s. hierzu auch separaten Bericht) in Berlin selbständig gemacht hat, war auch die Position des Chef-Pâtissiers vakant und wurde mit Roman Aster besetzt. Nicht nur personell hat sich also einiges grundlegendes getan, auch stilistisch haben wir in den Gerichten eine deutliche Veränderung erlebt. Doch dazu später mehr.
Der Abend startet mit einigen Kleinigkeiten, einem fragilen Mohntartelette mit Gänseleber, einem erfrischenden und nicht dominierenden Koriandergranitée sowie einer intensiven Schinkenbrühe. Zwar nur eine Petitesse, aber dafür eine, die es in sich hat, ist der abschließende Gruß in Form eines kleinen Stückchens Anchovi, das sich unter einer Ziegenmilchhaut verbirgt und mit dem dazugehörigen sehr cremigen Käse erstaunlich gut verbindet.
Snack #1 - Tartelette Mohn / Gänseleber
Snack #2 Koriandergranitée
Snack #3 Schinkenbrühe
Amuse Bouche: Ziegenkäse / Anchovi
Angesichts des vor uns liegenden Programms bin ich dankbar, dass diese Grüße auch mengenmäßig wirklich nur die Papillen reizen. Am besten gefallen hat mir hierbei eindeutig die Anchovi aufgrund der gewagten, aber schlüssigen Kombination.
Beim sehr guten Brot halte ich mich ebenfalls zurück, was sich noch als vorteilhaft herausstellen wird.
Brot, Butter, Olivenöl
Im ersten offiziellen Gang des Menüs schickt die Küche marinierte Makrele, die begleitet ist von Edamame, Fromage Blanc, schwarzem Rettich, einem Ingwergranité und Miso. Der schön dekorierte Teller erlaubt ein vielfältiges Kombinieren, bei dem alle Elemente gleichwertig wirken können und sich in Summe ein schönes, leicht asiatisches Geschmacksbild ergibt. Guter Auftakt!
makrele | mariniert | miso | edamame | fromage blanc
Mit dem nächsten Gericht erleben wir bereits den ersten Höhepunkt. In einem Mantel aus dünn geschnittenem und bestenfalls leicht erwärmtem Wagyu-Rind befindet sich ein perfekt gegartes Stück Kabeljau. Texturell passen diese beiden Komponenten schon sehr gut zusammen, wenngleich das Fleisch geschmacklich eher im Hintergrund bleibt. Etwas knackiges Grünzeug sorgt für Frische, aber der eigentliche Burner ist für mich die Safran-Consommé. Safran kann bei Überdosierung leicht sehr dominant und penetrant wirken. In dieser Kabeljau-Brühe entfaltet er sich aber ganz fein und dennoch mundfüllend wie ein guter Wein mit einem langen Finish. Bei diesem oder dem vorherigen Gang wurde noch ein vorzügliches Zitronen-Focaccia serviert. Das ist ausgezeichnet geeignet, keinen Tropfen übrig zu lassen.
wagyu japanisch 30 d dry aged | salad | kabeljau consommé
Ähnlich reduziert, und auch mengenmäßig eher wie ein Zwischengruß, präsentiert sich die Red Gamba mit einer Mandarinen-Sojabutter. Die Sauce ist vorzüglich und passt sich gut der leichten Süße der Gamba an.
red gamba | mandarinen - sojabutter | zitronenthymian
Ein weiteres Highlight folgt mit dem Oktopus, der derzeit nach meinem Empfinden eine große Renaissance in der gehobenen Küche erfährt. Und das völlig zu Recht. Richtig zubereitet ist er geschmacksintensiv, zart und lässt sich vielfältig kombinieren. Bei Thomas Bühner werden die Stücke des Pulpo mit einer intensiven Wildschwein-Emulsion und einer fruchtigeren und nur dezent scharfen Kimchi-Creme kombiniert. Die Rosenkohlblätter übernehmen eher dekorative Wirkung für mich, aber alles übrige funktioniert ausgezeichnet, wirkt überraschend und neu.
octopus | wildschwein - emulsion | kimchi | rosenkohl
Es folgt eine weitere ungewöhnliche Komposition, bei der der eigentliche Hauptdarsteller gar nicht eindeutig auszumachen ist. Flusskrebse in einer kräftigen Jus sind großzügig von Trüffel bedeckt, daneben einige knackige Scheiben Yam-Wurzel, in die kunstvoll knusprige, hauchdünne Scheiben Bellota-Schinken eingearbeitet sind. Auch wenn der Trüffel den vordergründigsten Geschmack liefert, ist dies erneut ein Gericht, das ein spannendes Geschmacksbild abgibt, zumal mit der Yam-Wurzel auch ein Element auf dem Teller ist, das nicht allzu häufig in der Sternegastronomie zu finden ist. An anderer Stelle wurde dem Gericht etwas durchaus intellektuelles bescheinigt, was ich zwar nachvollziehen kann, aber für mein Empfinden nicht unbedingt zutrifft. Dafür überwog der insgesamt süffige und leicht verständliche Grundton doch zu sehr. Auch dies sehr überzeugend.
trüffel périgord | mountain yam | flusskrebs | bellota ham | ei
Und um den Faden der geschmacklichen neuen Erfahrungen nicht abreißen zu lassen, serviert die Küche als nächstes Segmente von der Oka-Schote mit Kaviar und einem Sud aus Melone und Kefir. Ich muss das googeln und erfahre, dass es sich um den sogenannten Knolligen Sauerklee handelt. In Konsistenz und Geschmack durchaus ähnlich der Yamwurzel, aber ein wenig säuerlicher. Da der Kaviar selbst auch nicht übermäßig salzig ist, überwiegt hier eindeutig ein harmonischer, frischer Eindruck.
caviar impérial | melonen (saft) kefir
Wenn auf einen Gang in diesem Menü das Attribut intellektuell zutrifft, dann vielleicht am ehesten auf die Kombination aus Gillardeau-Auster, Kalbsbries und Portulak. Das wirkt ein wenig forciert für mich, und abgesehen davon, dass es für mich auch geschmacklich nicht wirklich aufgeht, hätte ich mir zumindest das Bries etwas röscher gewünscht. Darüber hinaus leidet die Optik des Gerichtes etwas unter der arg hochviskosen dunklen Sauce.
auster (gillardeau) | kalbsbries | portulak | austerncoulis
Vor den Hauptgängen folgt eine Hummersuppe, die mit Vadouvan abgeschmeckt ist. Schon der Duft ist betörend, der Geschmack löst das auch ein. Durch die indische Gewürzmischung wird der Geschmack ganz leicht ins exotische geschoben, ohne aber dem Hummer trotzdem immer den Vortritt zu lassen. Sehr klar, sehr heiß, sehr gut.
hummersuppe | vadouvan
Als erster Fleischgang folgt Etouffée-Taube, im Walcholderrauch gegart und mit einem karamellisierten Kürbissaft serviert. Einige Blättchen Löwenzahn – fertig. Eine derart minimalistische Präsentation hätte ich hier im Leben nicht erwartet. Bei unserem letzten Besuch hatte ich Taube als Extragang eingeschoben und seinerzeit war das ebenfalls sehr gute Exemplar von einer Maisvariation sowie zwei Tellern à part begleitet. Aber die Präsentation dieses Mal überrascht mich - bis ich den ersten Bissen nehme. Und dann verstehe ich. Die Taube ist von sensationeller Qualität. Der Rauchgeschmack ist präsent, in der Nase, wie im Mund, aber dennoch elegant. Die Sauce ist nicht so süß wie befürchtet und schmiegt sich perfekt an die Rauchnote und das kräftige Fleisch. Ich erwähnte wohl das ein oder andere Mal bereits, dass Taube mein Lieblingsfleisch ist. Hier ist sie perfekt in Szene gesetzt. So pur, so mutig, so großartig. Alleine für diesen Gang hat sich bereits das ganze Menü gelohnt.
étouffée taube | wacholderrauch | karamellisierter kürbissaft
Das folgende Bisonfilet aus dem “Tradition & Qualité”-Menü steht dem in Punkto Qualität nicht nach, ist aber in der Präsentation in der Tat deutlich klassischer angelegt.Mit Morcheln und Boudin Noir ist dieser Gang eindeutig etwas deftiger geprägt und bekommt durch die Sauce Foyot, eine Ableitung der Béarnaise, und die Jus füllige und recht opulente Partner. Aber auch dieser Hauptgang gefällt mir außerordentlich durch die sehr gute Fleischqualität und die exzellente Zubereitung.
bison | kanadisch | sauce foyot | chicorée
Im “la vie” wird im Gegensatz zu den meisten anderen Restaurants noch ein zubereiteter Käsegang angeboten, was ich sehr schätze, denn ich bin der festen Überzeugung, dass das kreative Potential beim Arbeiten mit Käse zu wenig ausgeschöpft wird. Thomas Bühner beweist das Gegenteil. Der Le Phébus ist sehr cremig und würzig und kommt gemeinsam mit Pinienkerneis, kleinen Scheibchen von der Kaki sowie etwas Shimousa, einer im Zedernholzfass gereiften Sojasauce.
le phébus | pinienkerneis | kaki | shimousa
Als erstes Dessert wird “Neues Gold aus Kalkriese” serviert, das sich, wie bereits verschiedentlich beschrieben, auf den Fund historischer Goldmünzen bezieht. Die nachgebildete Münze ist vor allem relativ karamellig und dominiert damit die übrigen Komponenten. Hübsch anzuschauen, aber noch nicht wirklich überzeugend.
neues gold aus kalkriese
Das wird es dafür mit dem abschließenden Dessert. Tonkabohne, geeißter Edelweiß, grüner Apfel und Selleriemilch bieten eine bunte Spielwiese unterschiedlichster Konsistenzen und setzen einen frischen und kaum beschwerenden Schlusspunkt unter ein umfangreiches Menü.
tonkabohne & edelweiß | geeist | grüner apfel confiert | selleriemilch
In der Weinbegleitung fanden sich bei den Weißweinen überwiegend relativ junge Weine. Neben einem Sauvignon Blanc von der Loire gab es einen Riesling vom Weingut Odinstal aus der Pfalz, zu Trüffel und Kaviar einen Silvaner Sekt von May aus Franken und ein nicht näher notierter Portugiese. Ich hätte mir hier durchaus an der ein oder anderen Stelle etwas kräftigeres und cremigeres vorstellen können.
Der Lemberg “Hades” vom Weingut Weinsberg aus Württemberg hingegen war angenehm füllig, ohne die Fleischgänge zu überdecken. Ausgezeichnet auch der 2012 Riesling Kabinett “Schlossberg” vom Kesseler aus dem Rheingau und die Sauvignon Beerenauslese von Frey aus der Pfalz.
Christian Scholz und der andere junge Herr im Service dürften die Weine durchaus offensiver präsentieren. Mitunter waren die Ansagen sehr leise, so dass man nachfragen musste. Auch hätte ich mir mehr Erklärung gewünscht, warum der entsprechende Wein zum Essen gewählt wurde.
Der Service unter Nadja Siebert agiert formvollendet und professionell, könnte aber durchaus auch noch etwas an Lockerheit zulegen. Eine Mitarbeiterin, deren Namen wir uns leider nicht gemerkt haben, hat uns in dieser Beziehung ausgesprochen gut gefallen. Sie “kann nur Kaffee” - und wird damit wissen, dass sie gemeint ist. Gut gemacht!
petits fours
der haselnussautomat
Im Laufe des Abends haben wir Gelegenheit, wie alle Gäste, Thomas Bühner in der Küche zu treffen. Zu einem kleinen Whiskey Sour Shot, der dort von ihm zubereitet wird, sprechen wir mit ihm über die augenfällige Veränderung in der Stilistik seiner Küche. Hat man ihn in der Vergangenheit oft mit sehr detailverliebten und komponentenreichen Gerichten in Verbindung gebracht, wirkten die Gänge an diesem Abend erstaunlich reduziert, mitunter fast minimalistisch wie bei der Taube. Dort, wo noch mehrere Komponenten auf dem Teller waren, war die Anrichteweise durchweg kompakter.
Der Geschmack und die Aromenkombinationen sind weiterhin enorm vielschichtig. Die Kreativitätsmaschine läuft nach wie vor auf Hochtouren und auch anhand des Personaleinsatzes in der Küche und beim Beobachten des Anrichtens ist kein reduzierter Aufwand zu erkennen. Dennoch, bestätigt Bühner, war es eine bewusste Entscheidung, diesen Weg zu gehen. Offenbar fühlten sich andere Gäste mitunter überfordert, bei zu vielen Komponenten auf dem Teller noch alle Nuancen herauszuschmecken. Ob das tatsächlich so ist, kann ich nicht beurteilen. Andere Köche werden schließlich auch genau dafür gefeiert, aber Thomas Bühner geht nun diesen Weg und er ist sich dessen bewusst, dass das auch ein Risiko darstellt.
Für mich hat sich dieses Risiko ausgezahlt. Ich hatte in diesem Menü mehrere begeisternde Momente, mit der Taube, dem bei weitem reduziertesten Gang, als persönlichen Höhepunkt. Und mir sind Köche lieber, die sich weiter entwickeln und was trauen, als jahre- oder gar jahrzehntelang das selbe Programm abzuspulen. So bleibt Thomas Bühner unter den deutschen Dreisterneköchen auch weiterhin derjenige, der die Avantgarde und Moderne am konsequentesten bedient. La vie est belle.