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Eine zugegeben recht banale Floskel, die jedoch auf Lokale mit asiatischer Küche durchaus zutreffen kann. Dass sie sich an einem Freitagnachmittag Mitte November in der Karlsruher Amalienstraße bewahrheiten sollte, konnten wir im Vorfeld ja nicht ahnen. Im guten Glauben hatte ich einen Tisch für zwei Personen reserviert. Ein nahezu leerer Gastraum bescheinigte mir später die Absurdität meines Reserviergebarens.
Ich traf mich zum wiederholten Male mit einem GG-Kollegen zum Lunch. Diesmal waren in dem von außen als Weinstube getarnten Chinarestaurant Wangji zugange. Seit März 2020 gibt es diesen unscheinbaren Chinatempel in der Nähe des Mühlburger Tores, an dem ich bestimmt schon gefühlte zwanzigmal vorbeigefahren bin ohne davon jemals Notiz zu nehmen.
Kaum hatte ich den Shumaischuppen entdeckt, war der Eintrag hier auf GG natürlich oberste Rezensentenpflicht. Herr Oparazzo zeigte sich interessiert an einem erneuten Mittagessen, war es doch ein paar Wochen (oder waren es Monate?) zuvor beim Rüppurrer „Chinaladen mit Y“ ganz erträglich.
Die Zeiten von Zechprellerei, vulgären Tischmanieren und anstößigen Witzen auf Kosten des Servicepersonals bzw. der anderen Gäste gehören ja Gott sei Dank seit ein paar Jahren (oder waren es Monate?) der Vergangenheit an. Gastroguerilla war gestern! Heute nimmt man sich da eher gegenseitig und ohne Anstrengung in Sittenhaft.
Ein Wort noch zu dem freundlichen Verzehrveteran aus dem nördlichen Schwarzwald. Der Oparazzo wirkt - nach seinem äußeren Erscheinungsbild zu urteilen - wenig großväterlich. Man kann es kaum glauben, dass sich dieser Best-Ager bereits im Rentenalter befindet, so jugendlich schelmisch kommt der sympathische Genusskurstädter daher.
Keine Frage, vom Humor her surfen wir auf der gleichen Welle, was eine angeregte Tischkonversation mit ihm quasi unvermeidlich macht. Ich freute mich deshalb auf unser erneutes Lunchdate, auch wenn mir die überstandene Arbeitswoche ganz schön zugesetzt hatte und ich das ein oder andere Sekundenschläfchen auf der Fahrt von Wörth nach Karlsruhe gerne abgehalten hätte.
Die hohen Parkplatzgebühren an der Amalienstraße geflissentlich ignorierend stellte ich des Volkes Wagen in kurzer, fußläufiger Distanz zum Wangji ab. Kalter Wind blies mir um die Ohren. Also nix wie rein in die nicht ungemütlich wirkende Hühnerherzhütte im gutbürgerlichen Gewand.
Draußen vor dem Tore
Natürlich war er mal wieder vor mir da. Da brauchte es wieder eine gut funktionierende Ausrede des in dieser Hinsicht nie verlegenen Futterfreundes von der linken Rheinseite. Verkehr und Baustellen in und um Karlsruhe sowie der Stau auf der A65 lassen Pünktlichkeit in dieser Region eh zur reinen Glückssache avancieren.
Ich erkannte ihn sofort, besetzte er doch gleich den ersten Tisch im vorderen Bereich des langgezogenen Gastraumes, dessen alter Kachelofen wohl noch aus der Zeit von Prasses Kaiserplatzl – einer badischen Weinstube par excellence – herrührte.
Skurrile Asiakulisse
Auch das viele dunkle Holz vergangener Tage (Deckenverkleidung, Stützpfeiler, Sitzmöbel) hatte man anscheinend kritiklos übernommen. Eine Art gastronomischer Denkmalschutz wehte durch anachronistisch anmutendes Gebälk.
Der nostalgische Gastraum
Aber wie sagt der kulinarisch versierte Angelsachse: „Don’t judge the cook by its cutter!“. Spätestens als wir die Speisenkarten in Händen hielten, war klar, dass dies kein gewöhnlicher Ente-Süß-Sauer-Chinese sein würde. Dafür klangen die Gerichte in der umfangreichen Futterfibel viel zu ungewöhnlich – um nicht zu sagen abenteurlich. Die Anwesenheit vieler Asiaten werteten wir als weiteres Indiz für die Zubereitung authentischer Chinakost.
Dennoch hätte uns die Einhaltung der gängigen Hygieneregeln nicht gestört. Unterbesetzung hin oder her. Da sollte man keine Abstriche machen, wenn es um die gewissenhafte Kontrolle des Impfstatus und die ordnungsgemäße Registrierung (per Luca-App) der Gäste geht. War hier leider nicht der Fall und wurde von uns am Schluss auch höflich moniert. Ausflüchte seitens der Servicedame halfen uns da wenig weiter. Eine Bitte: lernt etwas daraus, Leute! In eurem Heimatland würdet ihr mit der Einstellung garantiert auch nicht durchkommen.
Unsere Servicedame war nie auf Zack, aber immer am Handy (verdeckt)
Der hell gekachelte Fliesenboden und die weißen Kunststofftischdecken ließen die heimelige Weinstubennostalgie schnell in den Hintergrund treten. Sterile, dafür aber leicht abwaschbare Tischkultur, die den hochglänzenden PVC-Charme einer Uni-Mensa versprühte. Die anwesenden Studenten aus Fernost schienen es gewöhnt zu sein.
Den Schoppen Höpfner-Pils (3,80 Euro) brauchte ich dringend, um runter- bzw. anzukommen. Mein Kollege hatte da bereits einen alkoholfreien Gerstensaft (2,80 Euro) aus der gleichen örtlichen Brauerei am Start.
Was er vor meinem Erscheinen noch so alles gesoffen haben könnte, ist schwer zu sagen. Klar, war der Typ heiter drauf, was aber eher auf sein sonniges Gemüt zurückzuführen war, als auf eine alkoholbasierte Druckbetankung am späten Vor- bzw. frühen Nachmittag.
Eine fast schon groteske Aktion in puncto Dienst am Gast lieferte unsere Servicedame nach Abschluss des Bestellvorgangs ab. Sie brachte uns nämlich gut gelaunt die zweite Speisenkarte – wahrscheinlich die, mit den richtig guten Sachen drin. Gut, dass wir uns da bereits entschieden hatten. Das ersparte uns die Qual einer noch größeren Auswahl.
Aus purer Dankbarkeit beließen wir es natürlich bei den vorher georderten Gerichten. Nicht auszudenken, wenn das ein paar Minuten zuvor getätigte Bonierritual (natürlich per Handy) durch kurzfristige Änderung unserer Abmachungen ad absurdum geführt worden wäre. „Herr, lass Hirn regnen!“ – steht zwar so nicht in der Bibel, liegt einem aber bei solchen Erlebnissen gerne mal auf der Zunge…
Das Speisenangebot, das sich auf der Homepage als „Ideenort für den hungrigen Magen“ präsentiert, war mir viel zu umfangreich. Allzu viele „Ideen“ über die Frische der verwendeten Zutaten wollte ich an dieser Stelle gar nicht verschwenden. Über einen QR-Code konnte man sich übrigens eine deutlich ansehnlichere Version der Karte auf seinem Handy betrachten.
Dem Publikum, das ohne moderne Technik hier speiste, stand lediglich die abgegriffene Laminierversion des schlecht kopierten Küchenprogramms in Schwarzweiß zur Verfügung. Eine Liste voller Kuriositäten. Nicht nur kulinarisch, sondern auch was die Rechtschreibung und die Grammatik anging.
Vorneweg herrschte am Tisch gedämpfte Einigkeit, was uns drei verschiedene Dim-Sum-Gerichte einbrachte. Darunter waren recht nichtssagende Shumai (3,90 Euro), die anstatt der typischen Schweinehack-Shiitake-Füllung eine langweilige Garnelenmasse in sich trugen. Keine Ahnung, ob die selbst gemacht waren. Geschmeckt haben sie jedenfalls nach nicht besonders viel.
Shumai mit Garnele aber ohne Geschmack
Besser mundeten uns die gebratenen Jiaozi (4,90 Euro). Die hatten wesentlich mehr Bumms in ihrer Teigtasche versteckt. Ein Schälchen chinesischer Essig zum Reindippen wurde ihnen an die Seite gestellt. Erst dachten wir, es handele sich um Balsamico, was unsere Bedienung dann aber schnell klarstellte. Die würzigen „Asiamauldäschle“ konnten was, keine Frage. In Kombination mit der Säure vom Essig besuchten sie zwar keine gehobene, aber doch eine bessere Dim-Sum-Schule.
Jiaozi mit China-Essig und mit Geschmack
Die Jiaozi mit Garnelen (4,90 Euro) entpuppten sich als klassische Har Gau. Gedämpfte chinesische Krabbenklößchen, die nicht nur nach Convenience aussahen, sondern auch genauso schmeckten. Am Gaumen hinterließen sie auch keinen nachhaltigen Eindruck. Schade, Dumpling-Ziel auch bei der Vorspeise Nr. 3 nicht erreicht. Nachdämpfen als kulinarische Ordnungsmaßnahme kam leider nicht in Betracht.
Har Gau aus de Dutt!
Schon optisch machte der von mir georderte Schweinebauch mit Chili (12,90 Euro) nicht viel her. Eine regelrechte Enttäuschung für den gemeinen Scharfesser. Die grüne Paprika, die man hier großzügig den leicht pikanten, sehr dünn geschnittenen Schweinebauchfetzen beigemengt hatte, wollte nicht so recht zünden.
Grüne Paprika an Schweinebauch
Essbar war dieses banale Wokgericht dennoch, wenn auch etwas einfallslos arrangiert und nicht nur räumlich mehrere hundert „Li“ von der Rüppurrer Yangda-Version entfernt. Zudem mit knapp 13 Euro auch nicht gerade schüchtern kalkuliert.
Gewokter Schweinebauch der harmlosen Sorte
Gut, hätte ich drüber hinweggesehen, wenn wenigstens der Reis einen soliden Eindruck gemacht hätte. Hat er aber nicht, wie man ja bereits der Überschrift entnehmen konnte. Erst in der Küche ruiniert, dann ungeniert dem Gast serviert! Den hätten wir in der Tat bei jedem Schnellchinesen um die Ecke mit mehr Biss und Aroma aus dem Kocher geschaufelt bekommen.
Schlechter als Uncle Ben's
Genauso unspektakulär wie mein Schweinebauchteller kam auch das Lamm mit Kreuzkümmel (14,90 Euro) aufs Porzellan.
Lamm mit Kreuzkümmel
Den Zwiebeln fehlte jeglicher Feinschnitt. Anscheinend hantiert man mit den Gemüsebeigaben in der Küche eher grobmotorisch.
Das Zwiebellamm
Dafür hatte man sich bei der Verwendung von Kreuzkümmel ganz der Homöapathie verschrieben. Das Fleisch war zwar nicht totgebraten, hätte aber ruhig noch ein wenig mehr Schärfe vertragen. Recht braver Teller mit genug Zwiebeln, um den Bad Herrenalbaner als Heißluftballon zurück in seine Kurstadt schweben zu lassen.
Zum Abschluss gönnten wir uns noch ein paar frittierte Milchkrapfen. Sie waren als „gebratene Milch“ (5,90 Euro) in der Karte ausgewiesen und wurden etwas lieblos auf einer weißen Porzellanschale serviert. Dass zu diesem Zeitpunkt unsere weiße PVC-Tischebene noch von Reiskörnern und Gemüsefitzelchen der vorher verspeisten Hauptmahlzeiten bedeckt wurden, störte unsere Bedienung nicht im Geringsten.
Vorne die Reste des Hauptgangs, hinten das Dessert...
Um schnell für saubere Tischverhältnisse zu sorgen, hätte es lediglich eines feuchten Lappens bedurft. Aber der war wohl an diesem Mittag genauso abwesend wie Teile der Servicecrew.
Das leicht pelzige Gefühl am Gaumen, das ich beim Verzehr der leidlich süßen Milchkroketten verspürte, lag wohl an den verwendeten Zutaten. Diese wurden aber nicht verraten. Betriebsgeheimnisse mussten schließlich gehütet werden.
Gebratene Milchkroketten
Na dann: Buenos dias, Glutamathias! Und zahlen bitte. Das nächste Lunchdate kommt bestimmt. Ob es allerdings wieder ein Asiaschuppen sein wird, kann ich jetzt nicht garantieren. Wie sagte schon Laotse: „Wang ji mals ni!“. Oder war es einer der chinesischen Studenten, die es sich neben dem Kachelofen bequem gemacht hatten?
Ich merke, es wird Zeit diese kleine Verzehrepisode nun enden zu lassen. Bertolt hilft mir beim Fazit:
In diesem Sinne, mal schauen, nach was es uns im neuen Jahr so gelüstet. Die Auswahl in und um Karlsruhe ist ja groß genug. Freue mich bereits jetzt auf das nächste kulinarische Intermezzo mit dem Razzo.