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Die Lage am Leineufer und zum Platz der Göttinger Sieben hin in Sichtweite der hannöverschen Markthalle ist also prominent und das Konzept, das in der Soft-Opening-Phase durch den Berliner Sternekoch Markus Semmler begleitet wurde, multifunktional angelegt.
An sieben Tagen in der Woche hat man ab mittags geöffnet und bietet einen relativ günstigen Lunch an, sonntags auch einen Brunch, nachmittags bedient man die Kaffee- und Kuchenfraktion und abends lockt man Feinschmecker mit Mehrgangmenüs.
Damit pendelt man zwischen Landtagskantine, Besuchergruppenverköstigung und Gourmetessern.
Damit das alles gelingt, hat man sich mit der Cellerar GmbH, einem Tochterunternehmen der Klosterkammer, einen finanzstarken Partner geholt und mit Karsten Fricke einen Chefkoch, der als ehemaliger Souschef bei Thomas Bühner im Osnabrücker „La Vie“ über Dreisterne-Erfahrung verfügt. Damit ist der Anspruch, zumal für den Abendbesuch, schon mal recht hoch angesetzt.
Das Ambiente ist hell und luftig, eher nordisch neutral und verteilt sich auf zwei recht große Bereiche. Im Sommer wird auch eine große Terrasse bespielt, der man mit mehr Pflanzen und Sonnenschirmen allerdings etwas mehr Heimeligkeit verleihen könnte.
Interieur I
Interieur II
Im „zeitfür...“ kann man abends aus einem à la Carte-Angebot wählen. Die Vorspeisen und Zwischengerichte liegen hierbei zwischen etwa 10 und 17 Euro, die Hauptgerichte zwischen 20 und 30 Euro und die Desserts bei knapp unter 10 Euro. Ein Menü in 3 – 5 Gängen für 49 – 68 Euro wird auch angeboten und setzt sich aus dem à la Carte-Angebot zusammen.
Wir wählen individuell.
Zu Beginn schickt die Küche lauwarmes und sehr luftiges Focaccia in ausgezeichneter Qualität mit Kräuteröl, das etwas wie Pesto anmutet. Schade, dass es nicht nachgelegt wird. Weiteres Brot gibt es ebenfalls nicht.
Focaccia & Kräuteröl
Als Appetitmacher grüßt die Küche vorab mit einer Scheibe Entenbrust auf Süßkartoffelpüree mit Rotkohlgelee. Das ist für sich genommen ganz nett, aber noch recht unauffällig. Ein Messer wäre zum einfacheren Verzehr hilfreich gewesen.
Amuse Bouche: Entenbrust, Süßkartoffel und Rotkohlgelee
Als Vorspeise entscheidet sich mein Mann für Garnelen im Tomaten-Zimt-Sud. Der ist weiß und wird am Tisch angegossen. Etwas Tomaten-Gremolata und Schwarzwurzel vervollständigen den Gang, der sich in Summe recht elegant präsentiert. Trotzdem hätte etwas mehr Würze dem Gericht noch weiter nach vorne geholfen.
3 Garnelen / TomatenZimtSud / Schwarwurzeln / Radieschen
Für mich geht es mit einer Geflügelkrokette auf Feldsalat los. Zwangsläufig kommen Erinnerungen an Hollandbesuche und die dort so weit verbreiteten Kroketjes auf. Ähnlich wie dort bleibt die Füllung etwas undefinierbar, ist aber durchaus schmackhaft. Die Vinaigrette liefert eine schöne Zitrusnote, Szechuan in Form von Schärfe kann ich aber nicht ausmachen. Die Vorspeise ist in Ordnung, lässt aber, vor allem im direkten Vergleich zu den Garnelen, doch deutlich an Originalität vermissen.
Geflügelkrokette / OrangenSzechuanVinaigrette / Feldsalat / Pinienkerne
Mit erheblich mehr Anspruch kommt der Zwischengang meines Mannes daher. Optisch sehr ansprechend präsentiert ist das gut gewürzte Entenrillette, bei dem vor allem mit Holundercreme gefüllte Kumquats bittere und säuerlich prägnante Akzente setzen können. Einige Cremetupfen und Geleewürfel runden die texturelle Abwechslung ab.
EntenRillette / Buchenpilze / Eigelbcreme / Kumquat / Holunder
Die Küche war so nett, mir als Zwischengang den Kabeljau zuzubereiten. Der Fisch ist zwar erneut für meinen Geschmack etwas zu schwach gewürzt. Dafür ist die Zitronen-Kapern-Velouté schön intensiv und Fregola Sarda gehören zur Zeit sowieso zu meinen liebsten Beilagen.
Kabeljau / ZitronenKapernVelouté / Fregola / Wirsing
Unkompliziert und deftig wird es mit der zart geschmorten Iberico Schweinebacke mit Kartoffelpüree auf dem Teller gegenüber. Die Specksauce ist eine schöne Ergänzung zum Schmorfond und an dem Gericht gibt es auch überhaupt nichts auszusetzen. Es schmeckt sehr gut, bleibt aber eben guter Bistrodurchschnitt. Mit vielen anderen Gängen signalisiert die Küche wesentlich Ambitionierteres.
Iberico Schweinebacke / SpeckSchaum / Zuckerschoten / KartoffelPüree
Wie zum Beispiel mit meiner Wahl, der Taube auf „Himmel & Erd“-Art, also mit Blutwurst und Kartoffelstampf. In diesem vielschichtigen und texturell abwechslungsreichen Arrangement spielt sich eine Menge ab. Die Keule ist ausgebacken, die Brust schön rosa, Blutwurst findet sich gebraten und als Creme, Zwiebelsegmente getrocknet und geflämmt. Bis hierhin ist alles wunderbar. Eingelegte, säuerliche Silberzwiebeln empfinde ich aber als unpassend und störend in dieser deftigen, aber aufwändigen Komposition, die mir ansonsten gut gefällt und der der kreative Anspruch deutlich anzumerken ist.
Der Service nimmt meinen Hinweis hierzu übrigens sehr professionell auf.
Tauben "Himmel & Erd" / BlutWurst / KartoffelStampf / Apfel / Zwiebel
Ein ähnlich divergentes Bild geben die beiden Desserts ab, für die wir uns entscheiden. Das Schokoladenparfait mit Apfelkompott erscheint noch recht konventionell. Auch das originell klingende Honig-Brot-Eis dazu, das wie angefrorene Mousse au chocolat schmeckt, fällt zusammen mit der Hippe nicht besonders auf. Erneut gut, aber wenig überraschend.
SchokoladenFondant / HonigbrotEis / HaselnussChip / Apfel
Was aber wiederum auf meinen Gang zutrifft. Milchreis als Espuma, unter dem sich Quittenkompott findet, ist in dieser Form von jeglicher Schwere befreit und zusammen mit einem guten Braune-Butter-Eis ein wirklich origineller Abschluss meines Essens.
Milchreis mal Anders / Preiselbeere / Quitte / braunes ButterEis
Und so wie unsere Desserts zwischen modern, kreativ und etwas bieder solide schwankten, so präsentierte sich der gesamte Abend. Ich habe noch eine Weile gedacht, wozu die Küche imstande wäre, wenn sie sich mehr trauen würde. Garnele, Rillette, Taube und Milchreis haben deutlich erkennen lassen, wie fantasievoll es hier durchgehend sein könnte. Nun gut, ein wenig mehr Mut zur Würze könnte auch nicht schaden. Aber befremdlich fand ich vor allem die Unentschiedenheit, mit der sich das „zeitfür...“ präsentiert. Dass man auch die Feinschmecker erreichen möchte, macht man ja sowohl mit vielen Gerichten deutlich als auch mit der Wahl von Karsten Fricke als ambitioniertem Küchenchef.
Wenn man auch weiterhin Bistro-typische Gerichte präsentieren möchte, wäre es vielleicht hilfreich, die Karte entsprechend aufzuteilen. Nur so als Idee.
Der Service agiert souverän, wenn gelernt oder zumindest erfahren und etwas unbeholfen, wenn offensichtlich noch sehr neu im Geschäft.
Die Weinkarte ist nicht besonders umfangreich, listet aber in allen Preislagen vor allem aus Deutschland und Frankreich vernünftige Weine.
Auch wenn sich das „zeitfür...“ uns noch etwas unentschieden zeigte, empfinden wir es als Bereicherung für die lokale Gastroszene. Das Zeug für mehr hat Karsten Fricke allemal. Jetzt sollte er sich nur noch „zeitfür“ mehr Mut nehmen.
Bericht wie immer auch auf meinem Blog: tischnotizen.de/zeitfuer-hannover/