Wir verwenden Cookies
Wenn Sie unsere Webseiten besuchen, kann Ihre Systemsoftware Informationen in Form von Cookies oder anderen Technologien von uns und unseren Partnern abrufen oder speichern, um z.B. die gewünschte Funktion der Website zu gewährleisten.
Weil ich einfach nicht akzeptieren will, dass ein Innenarchitekt-gestylter "Konzept"-Laden nach dem anderen für seine im schlechtesten Fall Convenience-lastige, im besten auch nur Als-ob-Hochküche abgefeiert wird, und die echten Könner in dieser Stadt mit ihrer Und-ob!-Leistung, etwas höheren Preisen, aber dem soviel besseren Preis-Leistungs-Verhältnis extrem kämpfen müssen. So sehr, dass, nachdem im traditionell schwachen Januar das Mittagsangebot schon der mangelnden Nachfrage zum Opfer gefallen war, ich auch zu Beginn des neuen Monats mittags der einzige Gast blieb.
Am Angebot kann es weiterhin nicht liegen. Der hochbegabte Emil Karnaczewicz hat wohl oder übel auf die hanseatische Knauserigkeit reagiert und insbesondere die Mittagskarte umgestellt. Das teure (und gleichzeitig seinen Preis werte) Menue ist entfallen, die Gerichte sind der Papierform nach wesentlich rustikaler geworden und auch die Preise sind neu kalkuliert. An Qualität, Kreativität und handwerklicher Umsetzung gibt es jedoch keine Abstriche, wie ich bei meiner winterlichen Trilogie Steckrübensuppe mit Croutons und Kartoffeln (5€), Gurkensalat mit Dijonsenfdressing (4€) und schließlich glasiertem Spanferkelbauch mit Grünkohl, Pinkel und dreierlei Kartoffeln (14€) höchst angenehm erfahren durfte. Dem anschließenden Nachmittagsterminen geschuldet, wurden die Speisen von zwei alkoholfreien Bieren von Veltins (á 3,2€) begleitet und das Mahl mit einem verlängertem Espresso (2,9€ autsch) beendet.
Nach der Bestellung wurde zweierlei knuspriges Baguette gereicht (getrocknete Tomate, Oliven, inzwischen zugekauft, aber untadelig), dazu streichfähige(!) Butter und Maldonsalz. Das weitere Amuse ist zumindest mittags der neuen Kalkulation zum Opfer gefallen. Schade, aber nachvollziehbar.
Die Suppe wurde hörbar frisch aufgeschäumt, kam mit einem Brotchip und natürlich selbstgerösteten Croutons mit etwas Paprika. Wie jetzt schon häufiger bemerkt, legt die Küche Wert auf den Einsatz von Kräutern. Hier überraschte Estragon, der mit der Anisnote überraschend gut den kräftigen, aber nicht bitteren Geschmack der Oldenburger Ananas ergänzte. Erbsenkresse und Schnittlauch waren Ergänzungsspieler. Die kleinen Kartoffelwürfel waren exakt gegart, weich, aber festkochend und hatten, oh Wunder! deutlichen Eigengeschmack. Endlich scheint auch das Weckglas auf dem Rückzug, aus dem kleinen, rundlichen Teller war die Suppe vollständig zu leeren.
Da mein Hauptgericht einige Zeit zur frischen Zubereitung brauchte, bot mir Herr Karnaczewicz an, den Gurkensalat als Zwischengericht zu servieren. Auch hier wurde ein einfacher Teller kreativ veredelt, ganz ohne teure Gimmicks. Die knackigen Gurken waren mit gerade genug feiner Senfsauce überzogen, um noch selbst geschmacklich zu bestehen. Außer erwartbarem Dill und Petersilie, vervollständigte hier Kerbel die wohlbedachten Komponenten. Macht Spaß, den Überlegungen des Chefs nachzuschmecken, besonders, wenn sie so exakt auf den Teller gebracht werden.
Waren Suppe und Salat von der Menge übersichtlich, konnte beim Hauptgang auch der Preis überzeugen. Zur Leistungskomponente bedarf es keiner Worte, das Bild sagt doch schon: Ein Gedicht von Grünkohl und Pinkel, dem norddeutsche Winterklassiker. Anstelle des (häufig entweder trockenem oder fettig-sehnigen) Kasslers oder dem weich und wabbelig gekochten Allerweltsspeck hier zwei Tranchen saftiger Spanferkelbauch, dessen lackierte Kruste nachgerade zersplitterte. Die Füllung der Grützwurst war schon ausgelöst und in zwei appetitlichen Nocken angerichtet. Kein Schlachtfeld mit Wurstpelle bleibt so zurück. Meisterlich auch die vegetarischen Bestandteile. Der Kohl eher traditionell lange gekocht, aber nicht zu einer undefinierbare Pampe, sondern schon noch blättrig. Anstelle der üblichen Haferflocken verwendete die Küche zur Bindung etwas gestampfte Kartoffeln und - für mich Neuland - kleine schwarze Linsen. Kräftig abgeschmeckt, noch Kräuter untergezogen und man ahnt, warum derzeit der Grünkohl so im Trend liegt. Die Erdäpfel waren ebenfalls unschlagbar. Neben einer gut getroffenen Salzkartoffel gab es dieselbe in einer Kräutermischung ähnlich des Bouquets der Frankfurter Sauce gerollt. Herausragend aber die zweimal gebackene Variante. Große Kartoffeln werden gebacken, ausgehöhlt, die Masse mit ihren leichten Röstnoten herausgekratzt, gestampft und gewürzt, paniert und erneut im Ofen gebacken. Eine knusprige neue Erfahrung!
Der abschließende Espresso wurde bereits verdünnt in der vorbildlich angewärmten Tasse serviert, dazu ein Gläschen Wasser. Sehnsüchtig schaute ich zu meinem Pedro Ximenes auf der Theke hinüber, blieb aber standhaft sitzen (schweigend im Gespräch vertieft?). Galt es doch, meinen Freund zu überzeugen, unsere Mittagsverabredung am Montag vom Gretas in die Villa zu verlegen. Mit dem Bild vom Schweinebauch, einem zugesicherten Platz für seine Boxerdame und meiner Versicherung, dass der erste Raum am Eingang keineswegs düster sei, gelang mir auch dies.
Nachdem ich von den hier erstmals inspizierten, Waschräumen wiederkam, die in jeder Beziehung frisch und erfreulich waren, fand ich noch einen leckeren Abschiedsgruß in Form einer Sorbetkugel von der Grannysmith-Reduktion vor. Zart schmelzend, süß und intensiv in Farbe und Geschmack. Dazu ein paar Cremetupfen (Vanille?), ein wenig Crumble und als letzte Kräuterüberraschung etwas Basilikum. Ein wunderbarer grüner
Abschluss.
Ich bin auf einem Kreuzzug!