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Nun aber gab es einen Anlass, einen ganz besonderen sogar, und das elegante Ritz-Carlton Hotel in der prächtig weihnachtlich beleuchteten Autostadt bot dafür genau die richtige Bühne. Zimmer in der Clubetage, einige Bahnen im imposanten 40m langen Außenpool, großes Menü und sämtliche Getränke inklusive. Rundum-Wohlfühl- und Sorglos-Paket also.
Der Empfang im Restaurant, ebenso wie im gesamten Haus, außerordentlich freundlich und das wird auch so bleiben. Der Service unter dem allzeit charmanten Maître Jimmy Ledemazel ist gut gelaunt und fürsorglich.
Zum Champagner werden zügig die ersten Snacks gereicht, darunter die vermutlich berühmteste Olive Deutschlands, die mit einer hauchdünnen Karamellschicht überzogene Kalamata Olive.
Sehr schön auch die kräftig erdige Kombination aus Champignon, Petersilie und Granny Smith.
Karamellisierte Kalamata Olive
Auch bei den folgenden zwei Snacks wechseln sich Feinheit und Deftigkeit ab. Allerdings ist der mit Kaninchen gefüllte Kürbis letztlich zu klein, um sämtliche angekündigten Zutaten voll auszuspielen. So bleibt die Petitesse zwar ob ihrer Kunstfertigkeit hübsch anzuschauen, aber geschmacklich zu dezent.
Anders hingegen der Rosenkohl in Variation mit Wildsalami, der eine schöne Würzigkeit ausspielt.
Kaninchen, Kürbis, Zwetschge & Malz
Rosenkohl & Wildsalami
Mit Pulpo, roter Bete und Feta ist das abschließende Amuse Bouche eindeutig im Mittelmeerraum verortet und überzeugt mit einem runden Geschmacksbild sowie abwechslungsreicher Textur. Letzteres mag auch der Sinn gewesen sein, den Feta in geeister Form zu bringen. Geschmacklich kann ich ansonsten den Mehrwert nicht erkennen.
Pulpo, Rote Bete & Feta
Das Menü startet mit Gänseleber und marinierter Jakobsmuschel. Diese zunächst für mich ungewöhnlich anmutende Kombination ist ein veritabler Knaller. Die Jakobsmuschel nimmt der Leber jegliche Schwere und hebt beides nach vorne. Mandarinencreme und Sesam setzen elegante Akzente. Das ist optisch wie geschmacklich großartig.
Die 1997 Riesling Spätlese aus dem Ürziger Würzgarten von Dr. Loosen ist dazu von derart unerwarteter Frische, dass das ganze Gericht federleicht erscheint.
Gänseleber mit marinierter Jakobsmuschel, Mandarine & Sesam
Dass auch das norddeutschste Gemüse überhaupt, Grünkohl, von jeglicher rustikalen Schwerfälligkeit befreit zu erstaunlicher Feinheit mutieren kann, beweist Sven Elverfeld mit dem Flusszander. Der Fisch von fabelhafter Qualität, der Kohl als Pesto, Creme, frittiert und als Dashi-Sud verarbeitet – all das ist rund, süffig und originell.
Flusszander, Kohl-Dashi Sud, Buchenpilze & Grünkohlpesto
Elverfeld kombiniert gerne regionale mit weltläufigen Produkten, so auch bei der Kombination aus Roter Garnele, Karotte und geschmortem Schweinebauch, der hier in Aufschnittstärke beides umwickelt. Das alleine finde ich noch nicht komplett schlüssig, aber gemeinsam mit der tunesisch inspirierten Sauce Mechouia sowie durch Koriander und Ingwer bekommt das Gericht den nötigen exotischen Kick.
Rote Garnele & geschmorter Schweinebauch, Sauce Mechouia, fermentierte Karotten, Koriander & Ingwer
Ähnlich verwegen klingt auch der nächste Gang, in dem sich Bouchot-Muscheln und Ochsenschwanz mit grünem Curry, Paprika-Lardocreme und Pecorino verbinden. Das hört sich wilder und kräftiger an, als es letztlich tatsächlich ist. Die einzelnen Aromen sind zurückhaltend eingesetzt und fügen sich harmonisch zusammen.
Bouchot Muscheln & Ochsenschwanz, Romana Salat, grüner Curry, Paprika-Lardocreme, Pecorino Riserva
Durch und durch klassisch präsentiert sich das folgende Gericht. Es ist Trüffelzeit und was würde besser zu weißem Trüffel passen als ein schönes Stück vom Gefügel, hier Sot l'y laisse, das Pfaffenstückchen vom Geflügel, und eine geschmeidige Selleriecreme? Eine Winner-Kombination, die in jedem Fall aufgeht und hier auch noch bildschön in Szene gesetzt ist.
Sot l'y laisse, Knollensellerie, Haselnuss & weißer Trüffel "Magnatum Pico"
Die Gewürz-Taubenbrust auf Blattspinat ist in ihrer reduzierten Präsentation bereits ein Hingucker und steht auch geschmacklich nicht nach. So sehr ich normalerweise eine klassische Jus schätze, überzeugen hier vor allem die Saucen auf Tomaten- und Speckbasis, die dem kräftigen Fleisch und der intensiven Gewürzkruste eine schöne Fruchtigkeit entgegensetzen. Erwähnte ich schon mal, dass Taube mein Lieblingsfleisch ist? Dieses Exemplar ist definitiv eines der überzeugendsten.
Gewürz-Taubenbrust, Blattspinat, Tomaten & Bacon-Emulsion, Crème fraîche
Vom ausgezeichnet bestückten Käsewagen serviert uns Jimmy Ledemazel einige fabelhaft gereifte Stücke der Affineure Antony und Waltmann. Warum sollte es hier auch etwas anderes als das Beste geben?
Rohmilchkäse vom Wagen
Auf das Champagner Cremesorbet vom Ruinart Rosé habe ich mich besonders gefreut, habe ich dieses doch trotz der etwas blassen Erinnerung an unseren letzten Besuch als absolute Referenz abgespeichert. Und genau so wird es auch dieses Mal sein. Gäbe es hiervon eine Familienpackung zu kaufen – ich wäre der beste Kunde.
Champagner Cremesorbet "Edition Ruinart Rosé"
Über die Qualitäten von Chef-Pâtissier Fabian Fiedler haben kürzlich erst die „Sternefresser“ euphorisch berichtet. Und auch ich bin begeistert. Das Dessert, eingeweckte Kirschen mit bengalischem Pfeffer, Gewürztagetes, Heu, Nussbutter und Roggen ist schon optisch eine beeindruckende Schönheit. Hier werden auf kompaktem Raum alle Texturen in Szene gesetzt. Die Süße bleibt eher zurückhaltend, ein paar vorweihnachtliche Aromen blitzen durch, Frucht und etwas herbe Noten werden von einem süffigen Schaum eingebunden. Das ist ungemein vielschichtig, aber überhaupt nicht kompliziert zu verstehen. Wie auch immer man die einzelnen Komponenten kombiniert, bleibt es in Summe immer eine sehr harmonische Angelegenheit. Große Klasse!
Kirschen mit bengalischem Pfeffer & Gewürztagetes, Heu, Nussbutter & Roggen
Die abschließenden süßen Grüße in Form kleiner Desserts stehen dem nicht nach. Diese sind zwar nicht so komplex wie das vorherige, sind aber auch kreativ, wie bei der Komposition aus Holunder, Blumenkohl und griechischem Joghurt. Was etwas verwegen klingt, ergibt ebenfalls einen stimmigen Grundakkord und bleibt eindeutig auf der süßen Seite.
Holunder, Blumenkohl, Amaranth & griechischer Joghurt
Wie bei einem abklingenden Musikstück leiten die letzten Kleinigkeiten in immer gewohntere Geschmacksgefilde über. Roibusch, Sablé Crouton & Elstar spielt gekonnt mit dem Thema Tee. Der mit Spekulatiuscreme gefüllte Chou zeigt dann endgültig, dass wir uns in der Adventszeit befinden.
Damit ist es dann aber noch immer nicht getan, denn es folgt noch ein Pralinenwagen mit mehr als einem Dutzend wunderschöner und origineller Exemplare. Und Jimmy Ledemazel schiebt dazu den nicht minder imposanten Digestifwagen an den Tisch und dann ist tatsächlich das Ende erreicht.
Der Pralinenwagen
Das war ein sehr beeindruckender Abend, der uns eine Küche auf Top-Niveau und von großer Souveränität geboten hat. Wie selbstverständlich verbindet Sven Elverfeld sehr regional typische Zutaten mit Aromen von weiter her, ohne dass dies beliebig wirken würde. Ob Grünkohl und Zander, Garnele und Schweinebauch oder Muscheln und Ochsenschwanz – all das passt zusammen, gerade auch im Kontext der fein austarierten und komplexen Kompositionen.
Besonders stark fand ich die Gänseleber mit marinierter Jakobsmuschel, die Taube und das Dessert mit Kirschen.
Zum Genuss an diesem Abend hat, neben dem bereits zu Beginn erwähnten prima aufgelegten Service-Team, auch Marcel Runge beigetragen, der uns eine Weinbegleitung zusammengestellt hat, die auf angenehme Art klassisch war und weniger auf Experimente setzte, aber gleichzeitig echte Entdeckungen und einige fabelhaft gereifte Weine hervor zauberte, darunter den großartigen 97er Dr. Loosen Riesling, einen spektakulären 89er Vouvray von Le Haut Lieu, der mit seiner unaufdringlichen Süße wunderbar zum Käse passte oder den kalifornischen Chardonnay von Radio-Coteau. Allesamt hochklassige Exemplare, so dass hier auch der Natural Wine von Els Bassots, ein würziger Chenin Blanc, nicht wie ein Exot daher kam, sondern sich sehr passend einfügte. Insgesamt war das eine der besten Weinbegleitungen seit langem.
Dieses Mal war es ein besonderer Anlass, der uns endlich mal wieder nach Wolfsburg führte. Nach so langer Zeit war eine Auffrischung meiner Erinnerung dringend nötig. Und der Eindruck, den das „Aqua“ heute hinterlassen hat, ist nachhaltig positiv. Es sollte also nicht erneut so lange dauern, um die Erinnerung wachzuhalten. Schon gar nicht, da es für uns quasi vor der Haustür liegt.
Bericht und sämtliche Bilder wie immer auch auf meinem Blog unter: http://tischnotizen.de/aqua-wolfsburg/