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Wir hatten uns den Fußweg so eingeteilt, dass wir zur Mittagszeit im sehenswerten Insel-Städtchen aufschlugen. Vorweg stieß ich bei meinen Recherchen auf das Gasthaus Zum Engel, das wir als unser Einkehrziel festlegten. Es sollte unsere Rast kulinarisch aufwerten, so viel sei an dieser Stelle schon mal verraten.
Viel war an diesem Dienstagmittag in der „Perle des Bodensee“ nicht los. Je mehr wir uns Lindau näherten, desto besser wurde das Wetter. Kaum hatten wir die Bodenseeinsel betreten, herrschte strahlender Sonnenschein. Dennoch signalisierten unsere Mägen ihre Bereitschaft zur Kalorienaufnahme. Die Flucht nach drinnen war trotz Traumwetter die logische Folge.
Das Gasthaus Engel gibt es in dem Sinne eigentlich nicht. Es existieren nämlich zwei Gastronomien, die Bier- und die Engelstube, die unter einem Hoteldach untergebracht sind.
Außenansicht
Gleich rechts im Parterre befand sich die Bierstube. Diese hatte in den Wintermonaten nur abends geöffnet. Aufgrund ihres derben Charmes trägt sie auch den Namen „Bockstube“. Übrigens ein prima Fleck, um am Abend noch die ein oder andere Hopfenkaltschale zu genießen.
Wir gingen die Holztreppe hinauf und traten in das als „Engelstube“ bezeichnete, eigentliche Wirtshaus ein. Es zählt zu den ältesten seiner Art in Lindau, das jedenfalls verriet uns die erste Seite der Speisenkarte. 1390 erbaut und 1589 erstmalig als Wirtschaft erwähnt, sah man den Räumlichkeiten gleich an, dass hier ganz viel Nostalgie drinsteckte.
Innenansicht 1
Die urige Engelstube
Wir waren so ziemlich die ersten Gäste und die freundliche junge Dame vom Service ließ uns freie Platzwahl. So kam es, dass sich der Schreiber dieser Zeilen zusammen mit seiner Gemahlin genau den Tisch aussuchte, dessen Wandbänke um einen historisch-wertvollen, sonnendurchfluteten Erker verliefen. Warum nicht etwas ausgesetzter tafeln? Das Hängen an den Sandsteinfelsen der Pfalz macht mir ja sonst auch nichts aus.
Mit dem schönen Blick auf die Gässchen der Lindauer Altstadt und der wärmenden Februarsonne im Nacken saß es sich hier ganz vorzüglich. War es der lange Fußmarsch oder die Nähe zum Wasser, die uns so durstig hier aufschlagen ließ? Egal, mit einer Flasche Krumbach Mineralwasser aus dem Allgäu (0,75l für 5,50 Euro) und einem kleinen Augustiner Hellen (3 Euro) wurde schnell Abhilfe geschaffen.
Beim überschaubaren Weinangebot war man mit einem Riesling aus dem Hause Reichsrat von Buhl (Deidesheim) und der Ursprung-Cuvée von Winzergigant Markus Schneider sogar ein wenig pfälzisch angehaucht. Beim Primitivo di Manduria von der Masseria Borgo dei Trulli musste ich an einen großen Gastroliteraten aus dem Norden der Republik denken. Keine Ahnung warum…
Später ließ ich mir noch eines der beliebtesten Feierabendbiere des nahen Allgäus schmecken. Das bernsteinfarbene Rödler Kellerbier aus der Simmerberg Braumanufaktur (0,5l für 4,20 Euro) war ein feinwürziges, untergäriges Bio(ge)bräu mit leicht malziger Note, dem ich gerne den Vorzug gegenüber dem geschmacklich recht belanglosen Meckatzer gab.
Kellerbier aus dem Allgäu
Ein halber Liter Biergenuss aus der Bügelflasche, der genau meiner Vorliebe für süffige Hopfenerzeugnisse entsprach. Denn was hat schon damals Darth Boorg seinem treuen Padawan bei dessen Ausbildung zum Craftbier-Jedi eingetrichtert: „Auch Wasser wird zum edlen Tropfen, mischt man es mit Malz und Hopfen!“ Und kommt der unbekannte Edelstoff dann noch aus der Region, freut sich der zugereiste Gerstensaftentdecker aber sowas von.
Das LandZunge-Logo (kein Tippfehler!) versicherte uns schon auf der ersten Seite der Speisenkarte feines Fleisch, besten Käse und schmackhaftes Gemüse aus der Region. Die Speisekollektion war erfreulich klein gehalten. Drei deftige Suppen, zwei Salate, ein halbes Dutzend „Winterschmankerl“ und eine Handvoll „Engel-Klassiker“, die als Spezialitäten des Hauses ausgewiesen waren. Für Vesper-Verehrer gab es zur Stärkung noch ein paar Brotzeitteller.
Zusätzlich zum Standardwerk für Tafelfreunde wurde ein Klemmbrett mit dem täglich wechselnden Mittagstisch gereicht. Für preisgünstige 8,90 Euro standen an jenem Dienstag Rindfleischstreifen vom Weiderind in Pfeffer-Soße und Kroketten auf der Kladde. Zusammen mit der Bayerischen Kartoffelsuppe (5,50 Euro) und einem kleinen Beilagensalat (1,50 Euro) würde ich dem Hunger zur Mittagszeit sicherlich ein Schnippchen schlagen, so meine Gedankenspiele vor Abschluss des Bestellvorgangs. Meine Frau schloss sich der zünftig klingenden Mittagsofferte übrigens gerne an.
Gut, zu den fünf handverlesenen TK-Formlingen aus Kartoffelmasse gesellte sich später noch eine Portion Bratkartoffeln (3,50 Euro) hinzu. Beilagentechnisch wollte ich unbedingt auf Nummer Sicher gehen. Die in der blau-weißen Löwenkopfterrine (mehr Freistaat geht nicht!) servierte Kartoffelsuppe konnte sich auf ihre vollmundige Gemüsebasis verlassen und hatte zusätzlich noch eine feine Ingwernote vorzuweisen. Ein paar gebratene Speckwürfel unterstrichen ihren Deftigkeitsanspruch. Ein ordentlicher Klacks Schlagsahne mit Petersilienhaube vollendete den gehaltvollen Knollenpott, der von sicherer Hand beim Würzen und Abschmecken kündete.
Freistaatsterrine
Kurz vor dem Eintreffen des Rindergeschnetzelten wurden uns die beiden gemischten Salatteller gereicht. Die bunte Frische-Portion war mit appetitlichem Joghurtdressing angemacht. Der Krautsalat schmeckte überraschenderweise nicht nach der gewöhnlichen Eimerware à la Homann, sondern war frisch geraspelt. Ein beiläufig wahrgenommenes Detail, das jedoch einiges über die Auffassung der Küchencrew verriet.
Beilagensalat 1
Beilagensalat 2
Den positiven Gesamteindruck untermauerte die vorzügliche Pfefferrahmsauce, in der sich eine stattliche Anzahl an noch saftigen Rinderstreifen tummelte, zwar auf unspektakuläre, dafür aber kräftig abgeschmeckte Art und Weise.
Rinderstreifen in Pfefferrahm
Auch hier befand sich keine angerührte Allerweltstunke aus dem Lindauer Pulverturm auf dem Porzellan, sondern ein profunder Beiguss, der nicht mit Aroma geizte. Klar dachte ich mit einer Spur von Wehmut an die selbstgemachten Kroketten aus der heimischen Bienwaldmühle, aber die sind in der gutbürgerlichen Gastronomie ja eher die Ausnahme.
Und so verließen wir die mittlerweile gut gefüllte Engelstube leicht angehopft und mit gutem Bauchgefühl. Den Lindauer Engel empfehlen wir gerne weiter und wünschen Herrn Ermler und seinem Team genügend Durchhaltevermögen um diese schwierige Zeit zu meistern.