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Als wir letzten Montag nach dem Schwimmen in der Kurstadt ein Restaurant suchten, zwang uns die momentane Sperrung der Hauptstraße (für anliegende Gastronomen ein echtes Dilemma) auf Umwegen bei der Südpfalz-Therme und dem nebenan sich befindenden Haus des Gastes aufzuschlagen. Dieses Kulturzentrum beherbergt neben einem großen Konzertsaal (mit über 400 Sitzplätzen) auch eine Reihe von Konferenz- und Tagungsräumen und ist somit ideal für Festlichkeiten und Veranstaltungen jeglicher Art. Das Anfang 2010 vollständig renovierte und im April desselben Jahres wiedereröffnete Culinarium befindet sich ebenfalls im Haus des Gastes.
Es finden sicherlich viele Touristen, Kurgäste und Thermalbadbesucher den Weg in das naheliegende Restaurant, äh… Weingalerie, äh… Café. Und damit möchte ich schon auf ein Hauptproblem dieser Gastro hinweisen. Hier wird eindeutig zu viel des Guten gewollt! Viele „Baustellen“ oder „Nebenkriegsschauplätze“, die wahrscheinlich das Gesamtkonzept tragen sollen, aber klar zu Lasten der Fokussierung auf eine Sache gehen, nämlich der Qualität, die aus der Küche kommt. Da hilft auch das gutgemeinte Gandhi-Zitat, bei dem sich alles um die Zufriedenheit des Gastes dreht, auf der Homepage nichts.
Klar stürzt man sich in erster Linie auf des Pfälzers Lieblingsgetränk und bietet in der integrierten Weingalerie mit über 70 Weinen von 14 Weingütern aus der unmittelbaren Region eine reiche Palette an guten Tropfen an. Daneben wird mit Küchen-Partys, Walking-Dinners, Themenabenden, Catering für Feierlichkeiten jeder Art sowie Home-Cooking geworben. Die beiden Geschäftsführer des Culinariums, Dieter Toffolo und Nico Krüger, sind da sicherlich ein gut eingespieltes Team, das auf Erfahrung (Toffolo) und jugendlichen Elan (Krüger) setzt und solche Events sehr gut planen und dann auch umsetzen kann. Mir ist das ganze „Event-Cooking“ schon immer suspekt. Da wird jede Jahreszeit, jede Tradition und jedes regionale Produkt touristisch ausgeschlachtet bis zum letzten Bissen. Wo da noch das Erlebnis ist? Mir jedenfalls völlig schleierhaft.
Der junge, ambitionierte Koch Nico Krüger hat ohne Frage etwas auf dem Kasten. Er gehört beispielsweise den „kulinarischen Komplizen“ an, die dafür sorgen, dass „die Junge Südpfalz auch weiterhin gut isst“ (im Rahmen des Tourismusvereines „Südliche Weinstraße“). Und seine Speisekarte verspricht eine exquisite Deutschlandreise der kulinarischen Art. Dabei spart er nicht an Regionalbezug und Zitaten aus der Küche der benachbarten „Grande Nation“. Warum auch? Die Grenze liegt schließlich keine 15 Minuten vom Kurort Bad Bergzabern entfernt.
Maronenschaumsüppchen (derzeit auf nahezu jeder saisonal geprägten Speisekarte in der Pfalz) mit hausgemachten Comtéravioli (6,50 Euro), knusprige Kalbskopfpraline mit Dijonnaise (12 Euro) und ein „Surf and Turf“ in der Light-Variante (Rindercarpaccio und gebratener Garnele für 12 Euro) markieren die Fixpunkte bei den Vorspeisen. Büsumer Nordseekrabben mit Kräuterrührei und Roter Beete (14 Euro) und gebratene Kalbsleber „Berliner Art“ (15 Euro) konkurrieren mit dem 6 Wochen gereiften Pfälzer Rumpsteak (mind. 220 g für 22 Euro) und dem Filet Wellington vom Rinderfilet (26 Euro). Allein 10 verschiedene Fleischgerichte bei den Hauptspeisen legen den Schwerpunkt von Krügers Küche deutlich dar. Zur Freude der Carnivoren, die sich zwischen Hirschrückenmedaillon, Gänsekeule und Cordon Bleu vom Kalb entscheiden dürfen. Und für ausgewiesene „Mehrgang-Esser“ gibt es das saisonal geprägte dreigängige Monats-Menü mit einer Wahlmöglichkeit beim Hauptgang (aktuell entweder Brust und Keule von der Gans oder gebratenes Lachsfilet) für 29 Euro.
Aber wie hat es schon Kochlegende Witzigmann treffend formuliert: „entscheidend ist, was auf dem Teller landet!“. Und das war an diesem Montagabend eher bescheiden. Nach einem viel zu scharf gewürzten Gruß aus der Küche, einer kleinen Tasse indisch angehauchtem Linsenschaumsüppchen, das eher einem Gruß aus der Curryhölle von Madras gleichkam, brachte der freundliche Service zeitnah den bestellten Pfälzer (?) Feldsalat. Gut, dass so ein Grünzeug auch aus pfälzischem Boden stammt, ist nun wahrlich keine außergewöhnliche regionale Besonderheit. „Brutal regional“ ist zwar en vogue wie selten, aber man sollte es auch nicht übertreiben, sonst heißt es womöglich irgendwann einmal „Rumpsteak vom Metzger Hasenbein mit Pfälzer Zwiebeln“.
Egal, zurück zum Salat. Außer der regionalen Herkunftsbezeichnung der in unseren Breiten auch als „Wingertsalat“ bezeichneten Blätter hatte er wenig Pfälzisches an sich. Vielmehr schwamm er in einer viel zu süß abgeschmeckten Himbeeressig-Pampe. So mag ich Salat überhaupt nicht. Rapunzel mag Essig und der darf ruhig auch ein wenig sauer sein. Der versprengte Haufen singulär auftretender Granatapfelkerne sah nett aus, konnte das Ganze aber auch nicht mehr retten. Da halfen selbst die würzigen Parmesankrümel nicht. Kurzum: seine stolzen 9 Euro (nein, da waren keine Putenstreifen, kein gewürfelter Südtiroler Bauernspeck und auch keine gerösteten Pinienkerne aus dem Reformhaus drauf!) war er nicht wert.
Dass man das im Culinarium auch besser hinkriegt, bewies der lecker angemachte Beilagensalat meiner Begleitung. Er kam zu den beiden hausgemachten Semmelknödeln, die sich in einer aromatisch duftenden Waldpilzrahmsauce tummelten (11 Euro). Die Waldpilzmischung war von der Portion her ordentlich und schmeckte frisch. Leider fehlte es der Sauce doch arg an Würze. Das „Zuviel“ beim Amuse bouche wurde durch ein „Zuwenig“ bei den Hauptgängen unnötigerweise fehlkompensiert. Ich verstehe das Argument, dass man in einem Kurhaus mit Salz etwas sparsamer umgeht, aber so charakterlose Saucen hatte ich schon lange nicht mehr auf dem Teller. Meine noch leicht bissfest gekochten frischen Fusilloni (=dicke Spiralnudeln) mit Kräutersaitlingen und Spinat (13 Euro) hatten zwar die richtige Konsistenz, wurden aber von einer derart langweiligen Pampe (das Wort “Soße“ erscheint mir hier eher unangebracht) umgeben, dass ich mich fragte, ob hier der Weißwein nur in homöopathischen Dosen an die Küche weitergegeben wird. Aber immerhin: ich hatte während des Essens zumindest den Hauch einer Vorstellung, wie das alles hätte schmecken können. „Imaginationsküche“ wäre an dieser Stelle wohl der passende Ausdruck. Man merkte den Gerichten an, dass es die Küche zwar handwerklich draufhat, aber an den Feinheiten, wie beispielsweise dem richtigen Abschmecken der Speisen, gnadenlos scheitert. Schade, hier ließe sich geschmacklich deutlich mehr herausholen!
Noch ein paar Worte zur Einrichtung des Culinariums. Sie ist modern, aber nicht ungemütlich. Viel indirektes Licht, das die Weinflaschen als Protagonisten in den Vordergrund stellt, dazu futuristisch anmutende, dimmbare Röhrenleuchten an der Decke sorgen für ein stimmungsvolles Ambiente. Man sitzt auf gut gepolsterten, mit Lederimitat überzogenen Stühlen bzw. Wandbänken. Eingezogene Trennwände wirken raumteilend und schaffen immer wieder gemütliche Nischen. Dadurch lassen sie den großen Gastraum behaglicher wirken. Großformatige, auf Leinwand gezogene Fotos von Kaffeebohnen und Kastanien zieren die pastellgelb gestrichenen Wände. Zweier-Tische sind „über Eck“ eingedeckt. Das erleichtert die Kommunikation und schafft ein engeres Beisammensein am Tisch.
Der Service hat seine Sache gut gemacht. Er war immer aufmerksam und zur Stelle ohne aufdringlich oder besserwisserisch zu agieren.
Die Weinkarte des Culinariums ist gut sortiert (man hat ja eine Vinothek im Haus) und offeriert viele gute Tropfen auch glasweise. Bei den Flaschenweinen kalkuliert man fair (Flaschenpreis ab Weingut + 10 Euro Korkgeldaufschlag), während man bei den Vierteln preislich etwas kräftiger hinlangt. Aber die Weine von der „Schweigener-Elite“ Friedrich Becker, Gert Bernhart und Johannes Jülg haben eben nicht nur eine hervorragende Qualität, sie haben auch ihren Preis. Da zahlt man auch mal über 6 Euro für die 0,25l-Karaffe und darf sich ganz mondän zurücklehnen. Für die einkehrenden Pfalzbesucher sind das wahrscheinlich „Normalpreise“. Nur der Pfälzer Weinstubenkenner rümpft da etwas verständnislos die Nase. Aber der geht ja sowieso dahin, wo es weniger touristisch zugeht, der Wein billiger und das Essen dafür deftiger ist.