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Wer mich liest, weiß, dass wir gerne auch portugiesisch oder spanisch in Bremen einkehren würden.
Portugiesisch ist in Bremen leider totale Fehlanzeige. Spanier gibt es einige und mit dem Cocina de Salva hatten wir einen guten Treffer gelandet. Auf einer Radtour stach mir das Tio Pepe mit seiner kleinen, aber farbenfrohen Front im letzten Sommer ins Auge. Es liegt im Niemandsland zwischen dem gutbürgerlichen Schwachhausen und dem szenigen Ostertor an einer breiten Straße, mit den Ausläufern des Hauptbahnhofs gen Norden im Rücken. Auf anderen Portalen wird es überwiegend mit Sympathie bedacht, ohne dass kulinarische Höhenflüge versprochen werden.
Wie wir an einem Samstagabend Ende März erleben durften, hat das Tio Pepe treue Gäste. Darunter eine große Gruppe mit E-Zigaretten, die mächtig Dampf abließen und das Restaurant in einen leichten Nebel tauchten. Pepes Wirtsfrau hatte das aber am Telefon bei der Reservierung fairerweise angekündigt, aber es hielt uns nicht ab. Ansonsten kleine Gruppen und Paare, die das Restaurant bis auf den letzten Platz füllten. Spontangäste mussten abgewiesen werden.
Die sehr schlichte Homepage http://www.tiopepe-bremen.de/ lässt das Restaurant kleiner erscheinen, als es ist. Unvorteilhaft auch, dass nur wenige Gerichte der Karte aufgeführt sind. Da sollte Pepe ernsthaft über einen Relaunch nachdenken.
Ich mache eigentlich kein Aufheben davon, ob eine Empfehlung auszusprechen ist oder nicht, weil sich das aus den einzelnen Bewertungskategorien für den Leser als selbst zu ziehendes Fazit ergeben sollte.
Tio Pepe ist ein Sonderfall. Wenn ich gänzlich empathielos die Daumenrichtung bemühen müsste, würde er nach unten zeigen. Wir für uns haben keinen neuen Spanier entdeckt, den wir unseren in Bremen „gelisteten“ Restaurants zufügen mögen.
Aber wenn man nur Standards erwartet und eine familiäre, persönliche Atmosphäre in einem „rustikalen“ Ambiente anziehend findet, dann kann man das Tio Pepe ausprobieren.
Das Preisniveau ist durchwachsen und ich denke, dass 3,5 Sterne mit Empathieanteil stimmen.
Service:
Als wir das Restaurant betraten und gen Tresen strebten, um uns anzumelden, fielen die vielen gebrauchten Gläser und Tassen auf dem Tresen auf, die der Reinigung harrten. Und das, obwohl kurz nach 18:00 Uhr nur wenige Tische besetzt waren. Zweimal klirrte es während unseres Besuches; vielleicht, weil der Platz zu eng geworden war.
Nur eine junge Frau und die blonde Frau des Wirtes Pepe kämpften gegen die Bestellungen an. Als sich das Lokal füllte, mussten wir an zwei Getränkeorders erinnern. Die Mitglieder der Dampfergruppe bekam nach unserer Beobachtung ihre Speisen nur sehr sukzessive.
Für die Freundlichkeit verdiente sich unsere Bedienerin aber einen Kürpunkt.
Die Wirtsfrau fand beim ersten Vorbeigehen an unserem Tisch zur Tür eines Vorratsraumes kein Wort der Begrüßung und taute erst später auf.
Nett, dass der sehr lebendige Wirt und Koch Pepe persönlich den Tapasteller an den Tisch brachte und annoncierte, was er wunschgemäß aufgelegt hatte.
Der Service war für einen Samstagabend mit Volllast eindeutig unterbesetzt und Freundlichkeit und nette Sprüche lassen den Gast nicht jede Wartezeit verzeihen. Aber vielleicht muss man das im Tio Pepe empathischer beurteilen.
Beim Nachschauen der Getränkepreise fiel mir auf, dass die Karte im Aushang nicht mit der im Restaurant gereichten übereinstimmt, die z. B. neben dem Bier San Miguel auch das Estrella Galicia (jeweils 2,70 €) aufwies. Das grüne Konzernpils kommt im Restaurant auf 2,80 € für 0,3 l (draußen noch 2,60 €). Vilsa-Mineralwasser wird mit 5,20 € für 0,75 l berechnet.
Die drei offenen Hausweine stehen mit 4,60 € für 0,2 l auf der Karte (gebont waren 4,40 €). Die „klassifizierten“ anderen offenen Weine beginnen bei 5,40 € für 0,2 l.
In toto schon Getränkepreise, die einem Restaurant in teurer Lage entsprechen.
Nach einem flauen Estrella Galicia blieb auch ich beim Hausrosé hängen, der trinkbar war, aber deutlich kälter hätte sein müssen.
Essen:
Auf der Homepage sieht man nur 14 Speisen. Demgegenüber ist die gereichte Karte deutlich umfangreicher:
8 Tapas von 7,50 – 8,50 €, 7 Salate von 3,50 – 10,50 €, 8 Fischgerichte (Scampi, Calamares, Miesmuscheln, Zander, Thunfisch) von 10,50 bis 17,30 €, 5 Fleischgerichte (Huhn, Lamm, Rind) von 11,80 bis 15,50 € ohne Beilagen, die aus 6 Positionen von 2,60 bis 3,60 € gesondert geordert werden müssen. Überraschend die vier Pastagerichte „Maccarones“ von 8,90 bis 10,90 €. Die Nachspeisen lasse ich mal weg. Paella muss gesondert geordert werden. Mittwochs ist Scampitag und ein Kilo mit einem halben Liter Hauswein werden für wohlfeile 29,90 € angeboten.
Bis auf die Nudelgerichte weckte keine Kartenposition spontan Neugierde oder erregte Vorfreude. Man findet keinen Oktopus, sondern nur die langweiligen Ringe oder ganze Tuben. Kein Kaninchen, keine Innereien. Das gilt für alle Tapas und alle Hauptspeisen.
Wir wählten den gemischten Teller mit sechs Tapas nach eigener Wahl für 12,50 € und das Ali oli (ich übernehme die Schreibweise aus der Karte) mit Baguette für 3,00 €.
Vorweg: Koch Pepe ist ein Freund der gehackten Petersilie, die alle Gerichte zierte, ja sogar das Ali oli, obwohl sie da nun sicherlich nichts zu suchen hat. Das Ali oli wurde in einer Miniaturpaellapfanne in ordentlicher Portion serviert und hatte eine unerwartet säuerliche Note, die an Zitrone erinnerte (unsere Bedienerin meinte Essig). Nach kurzer Gewöhnung gefiel es uns aber und das „Hausgemachte“ nehme ich ab. Das Baguette war frisch und feinporig, so dass es sich gut zur Aufnahme des Ali oli eignete.
Sieger auf dem Tapasteller waren die gegrillte Chorizo und die Thunfischteigtaschen. Gelungen auch die Sardellen in Essig und die Kartoffelchips. Die Aufschnittfraktion mit Paprikawurst und Serrano war unauffällig.
Für zusammen 15,50 € und eingedenk der Portionsgrößen kein Schnäppchen, aber auch keine überzogene Bepreisung.
Nach angenehmer Wartezeit kamen dann das Lammfilet (15,50 €) mit Kartoffelchips als Beilage (2,80 €) und die Maccarones mit Scampi (10,90 €).
Meine Maccarones waren von der Nudelform her Penne rigate. Ein ordentlicher Teller mit vielen großen Gambas und Tomatenstücken, die Fruchtigkeit an das insgesamt gut gelungene Gericht brachten.
Meine ständige Begleiterin bekam vier Stränge Lammfilet, das wir mit „medium plus“ geordert hatten (gefragt wurde nach dem gewünschten Garzustand nicht). Der Garzustand stimmte und die Fleischqualität auch. Für mich war das Filet aus der Pfanne kaum gewürzt, meine Mitesserin fand es einseitig stark gewürzt, ohne das Hervorstechende benennen zu können. Die Kartoffelchips waren gelungen. Für 18,30 € ein für mich nur mittelmäßiges Gericht (Bevor es zur Gegendarstellung kommt: Meiner Frau hat es geschmeckt). Mit einem Beilagensalat, den man auch getrennt hätte ordern müssen, wäre man bei 21,30 € gelandet. Demgegenüber fand ich mein Nudelgericht sehr gut portioniert und mit 10,90 € freundlich bepreist, zumal wenn man die unverschämten Preise einiger Italiener bedenkt, wenn nur das Wort Scampi auf der Karte erscheint und auf dem Teller nur eine Ahnung von den asiatischen Meeresfrüchtchen vermittelt wird.
Also insgesamt ein gemischter Eindruck. Mit 3,5 Sternen ist das Essen im Tio Pepe gut bedient.
Ambiente:
Laut Homepage haben Pepe und seine Frau das Restaurant im April 2008 übernommen und renoviert.
Es ist im Erdgeschoss eines Bremer Hauses untergebracht, eine besondere, historische Form des Reihenhauses, das ganze Stadtviertel in Bremen prägt und von der geduckten Arbeitervariante im Bremer Westen bis zum repräsentativen Stadthaus des Bürgertums reicht. Das Tio Pepe ist in der großzügigen Variante beherbergt. Von außen erwartet man einen schlauchförmigen Raum. Das ist insoferne richtig, als dass es nur einen schmalen Fensterbereich gibt und sich der Rest des Restaurants durch die Tiefe des Hauses zieht. Nach dem Eingang weitet es sich aber nach links (hinter dem Treppenhaus ins 1. Stockwerk).
Nach dem Tresen kommen die Toiletten und der Gastbereich endet erst einmal mit dem „Familientisch“, der auch so aussieht. Dann rechts ein Lagerraum mit vielen Paellapfannen an der Wand. Meinen neugierigen Blick in das Gelass nahm Pepe zum Anlass, von seinen Paellagroßtaten zu berichten. Dann links und rechts offene, kleine Küchen. Anschließend ein „rustikal eingerichtetes Zimmer“ (Homepage) mit drei Sechsertischen, Fernseher und Raucherlaubnis. Dann geht es in den Sommergarten, der am Bahndamm mit Lärmschutzwand endet. Im (noch nicht geöffneten) Sommergarten auch viele Familienutensilien. Die Tochter des Hauses turnte im Restaurant rum, ohne dass es belästigend wirkte.
Die Einrichtung weist einen weißen Fliesenboden auf und eine warme Wandfarbe, eine weiße, halbhohe Täfelung rechts und ansonsten viel Deko. In Erwartung von Ostern war diese durch Eiersträuße in Vasen, Osterhasen, Lämmern usw. angereichert. Ich fand es schon überladen und erst recht nicht aus einem Guss. Die Einrichtung zeugte im Detail auch davon, dass nicht nur Profis bei der Renovierung Hand angelegt hatten. Wir saßen an einem Vierertisch auf einem kleinen Podestbereich links. Zwischen dem Tisch und der Tür zum Vorratsraum stand ein riesiger Dekobaum mit einer mächtigen Krone aus unzähligen Kunststoffblättern. Ein Staubfänger der überflüssigsten Sorte, der durch viele Spinnweben Anschluss an die Wand und Decke gefunden hatte! Weg damit, möchte ich Pepe und Frau zurufen!
Die Herrentoilette muss 2008 bei der Renovierung ausgespart worden sein. Eine Energiesparbirne der ersten Generation ohne Glaskörper an der Decke, angeschlagene Fliesen und eine wacklige Drückergarnitur, die es heute wohl nicht einmal mehr im Baumarkt zu kaufen gibt, vermittelten einen schrottigen Eindruck.
Die Tische bieten mehr Platz und Raum zwischen ihnen, als ich nach einem Blick durch das Fenster vermutet hätte. Sie sind ordentlich mit farblich passender Tischwäsche versehen. Das Stuhlwerk ist nicht einheitlich.
Positiv ist die indirekte Beleuchtung anzusprechen, die die Balance zwischen Gemütlichkeit und ausreichender Helligkeit zum Kartenstudium hält. Akustisch untermalt wird das ganze durch gängige spanische Musik, also eher Gassenhauer denn anspruchsvoller Folklore.
Ich will zum letzten Mal das Wort Empathie strapazieren, um ein Resümee zu ziehen.
Man kann das Beschriebene positiv als „authentisch“, „persönlich“, „familiär“ oder „originell“ beschreiben und Pepe und seine Frau betreiben ihr Restaurant sicherlich mit Herzblut. Nüchtern und objektiv beurteilt, nehmen Pepe und seine Frau ihren Gästen ordentlich Geld für Durchschnittliches in Räumlichkeiten ab, die hinter heutigen Standards deutlich zurückbleiben.
Ironisch frage ich zum Schluss, ob das vielleicht gemeint ist, wenn es auf der Homepage heißt: „Wir wollten kein normales Restaurant, das es an jeder Ecke Bremens gibt, wir wollten etwas außergewöhnliches auf die Beine stellen und wir denken das haben wir auch geschafft.“
Sauberkeit:
Neben den Spinnenweben unseres mächtigen Dekobaumes fiel mir auf, dass der weiße Fliesenboden keinen frisch gewischten Eindruck machte. Auf den Tischen ging es sauber zu.