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Schon am Vortag war uns beim Gang durch Reinhardshausen eine Pizzeria aufgefallen, die wir sowohl am Mittag als auch am Abend als proppevoll wahrnahmen. Wir versuchen es trotzdem dort, und ich schiebe den Rollstuhl, auf den unser Freund derzeit noch angewiesen ist, eine leicht ansteigende Straße hinauf in Richtung Hauptstraße.
Das Ambiente ***
Dort in der Hauptstraße 15 ist einem Teil des Erdgeschosses eines zweigeschossigen weißen Wohnhauses eine Art Wintergarten vorgebaut, große Fenster von der Erde bis zur Decke, die Fenster- und Türrahmen braun gestrichen. Auf dem Dach des Wintergartens prangt in großen Lettern neben abgelichteten Pizzen und Tomaten mit Mozzarella "Pizza Napoli … soooo lecker!"
Seitlich des Wintergartens führt eine Rampe ins Lokal. Der Zugang in die relativ kleine Gaststube ist behindertengerecht. In der Stube reihen sich in vier Reihen überwiegend Zweiertische, wenige Vierertische dicht an dicht aneinander. Zwei Tischreihen stehen vor beige gepolsterten langen Sitzbänken an den Seitenwänden, eine Tischreihe, unterbrochen von dunkelbraun gestrichenen Holzträgerpfosten, die weiß gestrichene Deckenbalken tragen, markiert die Raummitte, die vierte Tischreihe steht vor der Fensterfront.
Die vielen dunkelbraunen Stühle mit beigefarbiger Sitzpolsterung und die offene Pizzaküche samt Bedientheke in einer Ecke des Gastraumes unterstreichen optisch die gefühlte Enge. An der weißen Decke hängen mehrere Deckenventilatoren, die der Hitze des Pizzaofens, dessen Abluft in einem über die Wand geführten Ofenrohr nach außen geleitet wird, bei Bedarf entgegenarbeiten sollen. Bei unserem Besuch wird die Wärme im Raum durch Stoßlüftung, für die der Chef sorgt, gemindert. Trotz Stoßlüftung und Abluftrohr: Noch am Tag nach dem Napoli-Besuch tragen die Klamotten Pizza-Odeur.
Stellt man sich das Zusammenhocken einer neapolitanischen Großfamilie an einer langen Tafel vor, so wirkt das heimelig, nicht ungemütlich. So wirkt die Gaststube auch auf uns. Aber trotzdem: Mehr als ein Okay für das Ambiente ist nicht drin, sind da doch die Enge, die Gerüche, die Wärme.
Der Service ***/****
Es ist wieder ziemlich voll, das sehen wir durch die große Fensterfront, als wir uns der Pizzeria nähern. Vorsichtshalber geht meine Frau hinein, fragt, ob Platz sei, auch für einen Rollstuhlfahrer. Der Chef bittet, fünf Minuten zu warten, dann werde ein geeigneter Tisch frei.
Es dauert dann doch etwas länger als fünf Minuten, wir nehmen an einem Tisch an der Fensterfront Platz. Der Chef händigt uns umgehend die Speisekarten aus. Er und ein junger Mann, offensichtlich Italiener, des Deutschen nicht so richtig mächtig, und die augenscheinliche Frau des Chefs bedienen uns den Abend über. Der Service ist schnell, der Chef ist hilfsbereit und gastfreundlich, etwas holprig ist die Verständigung mit dem jungen Mann. Noch vor der Bezahlung bekommt jeder von uns Dreien ein Glas Marsala spendiert.
Den Service werten wir als ganz okay, also dreieinhalb Sterne.
Das Essen ****/*****
Der Chef nimmt unsere ersten Getränke auf, einen halben Liter Pinot Grigio (6,80 €) für meine Frau und mich, ein alkoholfreies Bier für unseren Freund. Der junge Mann serviert sie wenig später.
Inzwischen haben wir die Speisekarte – typisch italienisch, Pizza, Pasta, Salate etc. – rauf und runter gelesen, und der junge Mann merkt sich unsere Auswahl:
– zweimal Pizza Pugliese mit Tomaten, Mozzarella, Sardellen, Kapern und scharfen Pepperoni (6.- €) für unseren Freund und mich und
– eine Pizza alla Chef mit Tomaten, Mozzarella, Parmaschinken, Ruccola, Parmesan und frischen Champignonscheiben (7,50 €) für meine Angetraute.
Wir warten nicht lange, und der junge Mann serviert uns die drei Pizzen, braun gebacken, die Pizza alla Chef etwas stärker als die Pugliese. Wesentlich mehr Pepperonistückchen tummeln sich auf der Pizza unseres Freundes als auf meiner. Eine ordentliche Portion Ruccola, überstreut mit Parmesanspänen, liegt auf der Chef-Pizza.
Die Pizzen sind schön knusprig, in der Mitte hätten sie ein wenig dünner sein können. Sie schmecken sehr gut, die Pepperonis alarmieren die Geschmacksnerven, bei unserem Freund stärker als bei mir. Und dennoch: Als meine Frau den Chef nach scharfem Öl fragt und dieser wenig später ein Schälchen mit Myriaden von Pepperoni-Kernen in schon rötlich verfärbtem Öl präsentiert, fassen wir alle drei, die wir hohen Scoville-Werten nicht abgeneigt sind, zu. Wir träufeln, und das gibt den Pizzen den besonderen Kick! Das Öl ist von der Schärfe her erste Klasse. Die Pizzen munden hervorragend.
Danach müssen wir löschen. Obwohl eigentlich ungeeignet, aber ein weiterer halber Liter Pinot Grigio hilft mir und meiner Frau. Unser Freund versucht's mit einem weiteren Alkoholfreien und Apfelschorle, die etwas zu warm serviert wird.
Der Digestif darf bei mir, nach der Pizza erst recht, nicht fehlen. Es soll ein Ramazotti sein. Etwas ungewohnt fragt mich der Chef bei der Bestellung: "Deutsch oder italienisch?". Ich nehme die südliche Variante, die der Chef beim Servieren als die einzig richtige beschreibt, pur und nicht mit dem Zeugs, das in der deutschen Variante beigepackt wird: "Eis und so …". Der Ramazotti schlägt mit 2.- Euro zu Buche.
Den Marsala serviert uns der Chef kurze Zeit später. "Besser als Ramazotti", meint er. Es ist ein Semisecco, würzig, süffig – einfach lecker.
Die Pizzen werten wir mit besser als gut. Daß sie in der Mitte ein wenig zu dick sind, daß die Apfelschorle nicht richtig gekühlt ist und daß der Rand der Pizza alla Chef stellenweise etwas zu stark gebräunt ist, hindert uns an der Fünf-Sterne-Vergabe, deshalb viereinhalb Sterne.
Die Sauberkeit ***
Ein paar kleine Flecken in der Tischdecke fallen uns auf, meine Frau berichtet von einer Toilette, die okay sei. Die Pizzeria ist halt gut besucht, und das bleibt nicht ohne Spuren. Drei Sterne für die Sauberkeit.
Das Preis-/Leistungsverhältnis *****
Die Preise der Pizzen im Vergleich zu Quantität und Qualität werten wir als sehr gut, den Preis des Weines und des Ramazottis auch. Das mag einerseits an dem durchweg niedrigeren Preisniveau in der Gastronomie dieser hessischen Region im Vergleich beispielsweise zum Rheinland liegen. Aus unserer rheinischen Perspektive bewerten wir das Preis-/Leistungsverhältnis mit fünf Sternen.
Das Fazit ****
Am Tage nach unserem Besuch berichtet unser Freund, daß den Schwestern in der Reha-Klinik die Pizza Napoli als gute Pizzeria bekannt sei. Das Gefühl haben wir auch unterm Strich, trotz der genannten Abstriche in einzelnen Bewertungskategorien. Aber wir haben ja kein Fünf-Sterne-Restaurant erwartet, sondern eine Pizzeria, in der die Pizzen schmecken sollen. Und deshalb vier Sterne für das Fazit, unsere Erwartung wurde erfüllt.