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Wenn man es in Stuttgart kulinarisch mal so richtig krachen lassen möchte und halbwegs sicher sein will, kein Desaster zu erleben, dann sollte man ins Yosh gehen, so die Empfehlung einer Bekannten. Die Kritik von Schlemmerzunge auf RK ließ hoffen, daß es sich hier um keinen Aprilscherz handelte.
Wir hatten Glück, denn nur mit einem Tag Vorlauf bekamen wir noch einen Platz und begaben uns an einem Freitagabend auf die Suche nach dem Eingang, der dezent und im Dunkeln erst auf den zweiten Blick zu entdecken ist: Auf dem Killesberg, gleich am Eingang des Feuerbacher Wegs ist es mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen, auch Parkplätze des Restaurants sind gleich gegenüber. Aber Obacht, Schild gibt es keines, man sollte die Hausnummer besser im Kopf haben.
Die Eingangstür, zu der es ein paar Stufen hinaufgeht, stimmt schon ein auf das, was sich dahinter fortsetzt: Edel und zurückhaltend elegant gestaltet, schimmert sie zwischen braun und kupfer, und stimmungsvoll beleuchtet zeigt sich auf ihr im Halbrelief der Name Yosh.
Wir treten ein in die opulente Wunderwelt, die hier angenehmerweise wertig bis zurückhaltend einherkommt, schöne Hölzer, grob behauene Steine, weiches Licht. Es dominieren die Farben Anthrazit, Barolorot, Holzbraun und immer wieder Weiß, und ich möchte unwillkürlich „Aaaahhhh“ sagen, denn – unglaublich, aber wahr – mir bleibt schier die Luft weg, so schön ist es.
Weit kommen wir nicht, wir werden von zwei Herren mit Handschlag begrüßt. Nun bin ich kein großer Händeschüttler vor dem Herrn, noch nie gewesen, selbst der Oberkellner im Don Ciccio in Bagheria hat bis zu unserem zweiten Besuch gewartet, bevor er uns angefaßt hat, aber als bekennender Designterrorist bin ich längst bereit, hier Einiges in Kauf zu nehmen, um den Rest des Abends in dieser Umgebung zu verbringen.
Vorbei an aperitivierenden Menschen an der Bar geht es eine Holztreppe hinauf, die mich einen Moment überlegen läßt, ob ich einen Jennifer-Lawrence-Kniefall hinlegen soll, um sie mir aus der Nähe anzuschauen. Was ich mangels passender Robe doch unterlasse, aber die Treppe sieht definitiv so aus, daß ich sie gerne mit nach Hause nehmen würde.
Im ersten Stock angekommen werden uns die Mäntel abgenommen und wir bekommen eine Schloßführung, erst wird uns der Weg zu den Toiletten gezeigt, dann die Bauernstube und dann das Weiße Zimmer, in dem uns einer von ungefähr fünf Tischen zugewiesen wird, und ich sinke in einen bequemen stoffbezogenen Sessel und denke an Einzug. Mein letzter Ausflug in derartigen Luxus war bei Alain Ducasse in Moustiers-Sainte-Marie. Aber hier ist es schöner. Die Tische strahlen in schönstem Weiß, das Martelé-Besteck von Robbe und Berking macht auch mehr her als WMF Brasilia zuhause. Doch, doch, hier läßt sich wohl sein.
Als nächstes tritt auf einer der Händeschüttler, er entpuppt sich als ebenso netter wie engagierter Sommelier, reicht uns die Karten und fragt nach den Getränkewünschen, wir bestellen Rosé-Champagner und Wasser. Unter der Weinkarte brechen wir schier zusammen, Gott sei Dank ist die Fensterbank stabil.
Wir schmökern also durch die Auswahl, es gibt drei Menüs und einige À-la-carte-Gerichte. Die Küche, so bekommen wir außerdem erklärt, sei ungemein flexibel, auch Gangtausch oder andere Kombinationen seien kein Problem. Das klingt doch vielversprechend, und wir einigen uns auf das das achtgängige Tapas-Menü zu € 139 mit unterschiedlichen Variationen. Glasweise Weinbegleitung gibt es keine, wir bestellen nach kurzer Beratung mit dem Sommelier den Pouilly Fumé der Domaine Berthiers (€ 58) mit einigen Ergänzungen. Bringen wir’s an dieser Stelle hinter uns, die Preise befinden sich auch für Killesberg-Niveau und einen Michelin-Stern jenseits der Schmerzgrenze, das Henniez-Wasser kostet € 8 und bricht damit für mich den Rekord auf der nach oben offenen Restaurantpreisskala, der Mandois-Champagner ist mit € 15 für 0,1l dabei, die gleiche Menge Quetzal aus dem Alentejo mit € 11. Zwei ebensolche Gläser edelsüßer Chivate werden nicht berechnet und der Espresso ist mit € 3 geradezu ein Schnäppchen. Militante Sparschwaben wird man hier also eher nicht treffen, das Publikum ist entsprechend.
Serviert wird der Rosé-Champagner, kurz danach das selbstgebackene Brot. Der Mandois ist gut, aber kein Straßenfeger. Der Pouilly Fumé ist sehr schön, aber es müßte eh viel passieren, damit ich einen Pouilly Fumé von der Tischkante stoße.
Wir sind gespannt auf den Gruß aus der Küche: ein Spinat-Spargelsüppchen, ungeheuer lecker. Danach geht das Tapas-Menü weiter mit einer Gänseleberterrine mit Aprikosenconfit in einem Briochemantel für meinen Mann und Lachs-Seeteufelcarpaccio mit Basilikumpesto für mich. Die Gänseleber ist schmelzig, der dazu empfohlene Chivate auch. Mein Carpaccio fällt dagegen ab, die transparenten Fischfähnchen sind zwar optisch ansprechend dekoriert, aber zu hauchdünn, um geschmacklich in Erscheinung zu treten und das Basilikumpesto dominiert. Schade.
Es folgt nach einer längeren Pause die Morchellasagne mit Steinbutt-Tatar für uns beide, die Morcheln sind lecker, wie alles mit Morcheln eben lecker ist, die Pasta fast so dünn wie das Carpaccio, die Lasagne kommt dekonstruiert daher, nur das Steinbutt-Tatar läßt mich rätseln, ob es nur verwendet wird, um ein Wort mit fünf „t“ auf die Speisekarte zu bringen, denn es hat gegen die Pilze keine Chance und tritt nur sensorisch in Form seiner angenehmen Textur überhaupt an. Hm. Aber unzweifelhaft schmeckt es sehr gut.
Wieder eine Pause bis zum Petersilienwurzelsüppchen mit Trüffeln, das ja auch schon meine Vorkritiker begeistert hat, die Suppe cremt, die Trüffel duften, perfekt.
Bis zum nächsten Vorhang braucht es wieder etwas, zwischenzeitlich macht die Dame des Hauses die Runde, dann kommen die knusprig gebratene Wolfsbarschschnitten mit Petersilienpüree, Frühlingslauch und violettem Senf, dekoriert mit fritierter Petersilie und von der Größe her eher eine Praline und erinnern mich daran, daß die Pausen zwischen den kleinen Häppchen sehr groß sind. Angesichts dessen, was noch kommt, verweigere ich mit eiserner Disziplin das Plündern des Brotkorbs.
Die nächste Station ist eine geeiste Frischkäsemousse mit Pistazien, gerösteten Kürbiskernen, einem Hauch Honig und etwas Balsamico-Reduktion, sie übernimmt die Rolle des Sorbets im klassischen Menü, ist aber dankenswerterweise nicht süß. Aber Frischkäse ist keine Geschmacksbombe, deshalb wirkt es ein bißchen langweilig. Damit wir wieder wach werden, kommt zwischendurch der Slapstickauftritt des Abends, Händeschüttler Nummer 2 gießt mit Schmackes Wasser in das noch mehr als halbgefüllte Weinglas meines Mannes. Mein „neiiiin“ bleibt mir im Halse stecken. Der schöne Fußboden tut dem Kellner leider keinen Gefallen und sich nicht unter ihm auf, sichtlich bedröppelt räumt er die teuerste Schorle, die ich je gesehen habe, ab und bringt blitzschnell ein neues Glas.
Was uns dann noch wundert, ist daß nach einer weiteren längeren Pause vom freundlichen Sommelier beim Bringen des Quezals der „Hauptgang“ angekündigt wird. Tapas-Menü und Hauptgang schließt sich meiner Meinung nach aus, das Schöne an Tapas ist ja gerade, daß man viele Kleinigkeiten bekommt und nicht ein Tellergericht inklusive Sättigungsbeilage. Aber soweit hat man sich im Yosh dann doch nicht von braven deutschen Traditionen verabschiedet, denn es kommt tatsächlich eine Art Hauptgang: Für meinen Mann das Stubenküken und für mich, die ich getauscht hatte, Atlantiksteinbutt mit Morchelragout, Tagliatelle und Frühlingsgemüse in Form von Möhren und Erbschen. Die Morchel-Wiederholung ist verzeihlich, schließlich hatte ich getauscht und über Morcheln würde ich mich nie beschweren. Der Butt ist auf der Haut gebraten und deutlich mehr Schnitte als sein Kollege früher am Abend, er balanciert auf einem Häufchen Nudeln, die sehr gut sind, nur – sie pappen zusammen. Sie kleben aneinander. Ach nö, bitte nicht in dieser Kategorie, das muß nun wirklich nicht sein.
Die zum Abschluß servierte mächtige Valrhona-Schnitte mit Himbeersorbet und zwei Himbeeren ist auch nicht wirklich mein Ding, wenn auch eine gute Entschuldigung für mich, auch den Chivate zu probieren.
Noch zwei Espresso, die mit Gebäck serviert werden, und die Rechnung, die nach der Schorle-Nummer großzügig abgerundet wurde, dann ist unser Ausflug in das Leben im Luxus vorbei.
Fazit: Wer keine Zeit hat, übers Wochenende wegzufahren, kann hier problemlos das gleiche Geld ausgeben, deshalb bin ich bei der Sternevergabe angesichts des Essens und der Schorleeinlage ein bißchen knickrig. Aber das Ambiente ist schwer zu toppen.
Besonders herausragend der Sommelier, der vermutlich auch beim Nachschenken das Wasserglas getroffen hätte. Der Rundgang der Hausherrin wirkte ein bißchen gezwungen - ich kann nicht ganz nachvollziehen, warum eine mir fremde Person, die vorher nicht in Erscheinung trat, plötzlich an meinem Tisch steht.
Die Menükomposition fand ich nach hinten hinaus unausgewogen - bei einem Tapas Menü einen richtigen Hauptgang (und den erst nach 22 Uhr) und dann diesen mächtigen Nachtisch zu servieren, nachdem vorneweg alles sehr klein und leicht war, das paßt nicht. Und zusammengeklebte Nudeln finde ich der Preisklasse unangemessen.
Wunderschön, ein Traum von einem Restaurant. Nur auf den Toiletten hat man es mit der Wohlfühlbeleuchtung übertrieben, sie ist zwischen dunkelrot und anthrazit so funzelig geraten, daß die vorherige Besucherin mit dem Toilettenpapier die Schüssel verfehlt hatte...
Sauberkeit
Dazu muß man hier nichts schreiben, so selbstverständlich ist das.