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Mein Solinger Genusskollege gastierte zusammen mit seiner Herzensdame zum allerersten Mal in der Pfalz. Den Spontanbesuch des bergischen Hedonistengespanns in meiner Heimat galt es selbstverständlich auch kulinarisch entsprechend zu würdigen.
Und so kam es, dass ich Mitte August letzten Jahres bei den Kneflers meine Freisitzpremiere – ja man kann ruhig sagen – feierte. Den Innenhof kannte ich bisher wirklich nur als Durchgangsstation zum altehrwürdigen Sandsteingewölbe, einem wohligen Flecken Pfälzer Weinseligkeit, den ich seltsamerweise immer nur in der kalten Jahreszeit aufgesucht hatte.
Das Brand'sche Sandsteingemäuer
Meine Familie gab mir an diesem Abend ausnahmsweise mal „frei“ und so gabelte ich die beiden „Kulinarnomaden“ in ihrer hübschen Unterkunft in Kapellen-Drusweiler auf, um gemeinsam mit ihnen in Richtung Frankweiler aufzubrechen. Dass es in die dortige Weinstube Brand ging, wussten sie erst, als wir vor dem recht unscheinbaren Anwesen standen.
Überraschung! Aber eine, von der ich ganz genau wusste, dass sie bei meinen Freunden aus Solingen-Höhscheid gut ankommen würde. Man schätzt sich nicht nur, sondern kennt sich halt schon ein „Biss“chen.
Von der Dame des Hauses, Frau Eva-Maria Knefler, wurden wir freundlich begrüßt und in einer ruhigen Ecke des lauschigen Innenhofs platziert. Wir saßen – von reichlich Topfgrün umgeben – ganz gemütlich auf rustikalem, von Sitzkissen ins Bequeme gerücktem Holzmobiliar und genossen den Moment unserer ersten Zusammenkunft auf Pfälzer Gastroboden.
Man hatte sich jede Menge zu erzählen und das merkte auch unsere aufmerksame Gastgeberin. Sie ließ uns erst einmal in Ruhe ankommen und die Speisen- sowie Getränkekarte studieren. Der obligatorische Aufsteller mit den Empfehlungen des Abends ließ nicht lange auf sich warten.
Dieser gab sich mittlerweile etwas verschlankt. Früher zählte ich an die fünf Gerichte auf diesem fernab jeglicher Weinstubenkulinarik operierenden, weltoffen vorgetragenen Kreativangebot des Küchenchefs Christian Knefler. An diesem Augustabend waren es derer drei. Aber diese hatten es in sich.
Seeteufel, Maispoulardenbrust und Rücken vom Iberico-Schwein standen da Weiß auf Schwarz in gut lesbaren Lettern geschrieben. „In der Reihenfolge, bitte!“ würde der Doppelmagen-Agent von der Weser wohl sagen und natürlich an den sättigenden Folgen dieser ordentlichen Portionen („made in Palz“) ganz schön zu knabbern haben.
Ich persönlich liebäugle bei jedem Besuch mit dem Schaumsüppchen der Saison, das als Vorspeise genossen, eine sichere Eintrittskarte in die kräftige Aromenwelt des Küchenchefs darstellt. So auch diesmal. Die asiatisch angehauchte Blumenkohlterrine im Kokos-Curry-Gewand konnte zusätzlich mit einer gebratenen Garnele aufgemotzt werden. Da konnten weder ich, noch mein Gaumenbuddy aus der Klingenstadt widerstehen.
Bei den Hauptgerichten gingen wir dann aber getrennte Wege. Der Macster konnte vom Seeteufel auf Kimchi und Gewürz-Quinoa (29,90 Euro) nicht lassen, während mich die Maispoularde mit frischen Pfifferlingen und gebratener Polenta (27,90 Euro) am meisten abholte. Die Dame am Tisch entschied sich für ein vegetarisches Gericht aus der Standardkarte. Der gefüllte Ziegenfrischkäse mit Pinien-Walnuss-Kruste, Rucola und altem Balsamico (16,90 Euro) sollte es für sie sein.
Bei der Wahl des Weines gab ich meinem Spachtelspezi gerne Carte blanche. Dabei entpuppte sich der den „schweren Roten“ nicht abgeneigte Tannin-Titan aus dem Bergischen als waschechter Riesling-Rambo, der sich vom Frankweiler Innenhof aus direkt in die „Gleisweiler Hölle“ schicken lassen wollte.
Der vermeintliche, vom Flemlinger VDP-Winzer Theo Minges vinifizierte „Höllentrip“ führte uns in die Rieslinglage „Unterer Faulenberg“ (Flasche für 51 Euro). Er bescherte uns ein gästefreundlich kalkuliertes Großes Gewächs, das seinem Namen alle Ehre machte.
Unser Wein des Abends
Reife, süßlich-schmelzige Frucht traf hier auf feine Säure. Mit zart-floralen Kräuternoten in der Nase und gelbfruchtigen Aromen im Glas, genossen wir den edlen Tropfen aus dem mittlerweile größten Rieslinganbaugebiet der Welt (ca. 5800 ha Rebfläche) in vollen Zügen. Wobei ich mich als Chauffeur natürlich etwas mehr zurückhielt als der Solinger Schluckspecht zu meiner Rechten.
Zu unseren aromatisch duftenden Schaumsüppchen reichte man noch ein wenig Sauerteigbrot, das es früher mit Dip und knackigen Gemüsesticks zur ersten Hungerbekämpfung gab. Mit ihm ließ sich dann auch der letzte Rest von der mutig abgeschmeckten Asia-Terrine aus den Tiefen des Tellers wischen.
Gutes Sauerteigbrot
Ehrlich gesagt hatte ich bei all meinen Besuchen in der Weinstube Brand noch nie eine Suppe vorgesetzt bekommen, die mich nicht restlos begeisterte. So auch in diesem Falle. Christian Knefler’s Art zu würzen liegt mir einfach. Da passiert bereits mit dem ersten Löffel ganz viel am Gaumen. Vielleicht ist das dem ein oder anderen etwas „too much“, aber ich könnte mich in seine aufgeschäumten Suppenträume regelrecht reinsetzen.
Blumenkohl-Curry-Suppe mit gebratener Garnele
Nicht unerwähnt soll die Tatsache bleiben, dass die an einem Stäbchen befestigte, kurzzeitig auf Tauchstation gegangene Garnele sehr saftig ausfiel. Ihr leicht süßliches Fleisch setzte sich mit den noch leicht bissfesten Blumenkohlröschen, die dieses flüssige Aromabömbchen texturell bereicherten, ins allerbeste Benehmen. Die Folge: unsere Teller waren ratzfatz leer gelöffelt und während dieses Vorgangs konnte man mehrfach die Geräusche schwelgerischer Zufriedenheit bei den beiden Suppenkaspern am Tisch vernehmen.
Diese Laute setzten nach dem Servieren der Hauptspeisen zeitnah wieder ein. Kein Wunder, hatten wir es schließlich hier mit bildschön angerichteten Geschmacksgranaten zu tun, die es tunlichst zu entschärfen galt.
Im Zentrum eines üppig-grünen Rucola-Betts hatte es sich der mit knusprigem Pinien-Walnuss-Toupet überzogene Ziegenfrischkäse von Frau Shaneymac gemütlich gemacht.
Gefüllter Ziegenfrischkäse mit Pinien-Walnuss-Kruste, Rucola und altem Balsamico (als Hauptgericht)
Spritzer von altem Balsamico, Schnittlauch und Sprossen komplettierten dieses vor Frische strotzende Ensemble, das auch meiner Frau sicherlich große Freude bereitet hätte.
Zum Teller des Seeteufelsaustreibers wurde in dessen wortgewaltigem Bericht ja bereits alles Wesentliche erwähnt.
Seeteufel auf Kimchi und Gewürz-Quinoa
Hier kam ein frisches Top-Produkt aus dem Meer perfekt gebraten und in einfallsreicher Zubereitung auf die Keramik. Sein Fundament aus Kimchi, Quinoa und Co. wurde von einem Schaum von der gelben Linse bedeckt und wusste bei seinem Vertilger die Gaumenschrauben auf raffinierte Art und Weise anzuziehen.
Seeteufel für den Seeteufelskerl!
Ein typischer Knefler-Teller, der mit seinem intensiven Aromenspiel selbst das an sich recht langweilige Inka-Getreide in fernköstliche Sphären katapultierte.
Nicht minder süffig ging es auf meiner wohl beladenen Platte zu. Das perfekt gebratene, tranchierte Fleisch der Maispoulardenbrust hatte Label-Rouge-Qualität. Jeder Bissen geriet zum saftigen Geflügelvergnügen. Gut gewürzte, leicht knusprige Haut umfasste das weiche Brustfleisch des mit Mais gefütterten Huhns.
Maispoulardenbrust mit Pfifferlingen und gebratener Polenta
Zusammen mit den auf Biss sautierten Pfifferlingen, dem sättigenden Polenta-Bratling, den knusprig frittierten Salbeiblättern on top und den beiden harmonisch ineinandergreifenden Saucen war das ein durch und durch gelungener Hauptgang, der das Knefler’sche Küchencredo: „Es wird gekocht, was Spaß macht und Wumms hat!“, auf den Punkt brachte.
Mein Partner in Dine gönnte sich nach dem Hauptgang noch eine Kugel vom exotischen Sorbet, das er sich zusammen mit Pfälzer Schaumwein und etwas Mangoragout kredenzen ließ. Der Gast aus dem Bergischen wusste halt, wie es geht. Mein Bedarf an Nahrung war zu diesem Zeitpunkt mehr als gedeckt. Die Maispoulardenportion hatte ihr Übriges dazu beigetragen.
Als der Pfalzneuling längere Zeit nicht mehr an unserem Tisch präsent war, machte ich mich mal auf, um zu schauen, wo er denn abgeblieben war. Und wo fand ich ihn? Natürlich an der Ausschanktheke! Dort hielt er ganz entspannt ein Schwätzchen mit dem Hausherrn, den ich hier noch nie außerhalb seiner Küche gesehen habe. Da hatten sich welche gefunden. Ein ehemaliger Kollege von Christian Knefler und selbst Koch auf der Schwäbischen Alb gesellte sich ebenfalls hinzu, was zu einem netten Plausch in lustiger Runde führte.
Natürlich wollten wir unsere Dame am Tisch nicht zu lange warten lassen und brachen deshalb die kulinarische Fachsimpelei nach rund drei Stunden erschöpft ab. Dass wir dabei noch ein paar Magnumflaschen vom Kastanienbusch-Riesling aus dem Hause Rebholz schoppenweise zu saurem Schorle verarbeiteten, verstand sich von selbst (Spässje!).
Draußen im Innenhof leuchteten auf den Tischen bereits die tragbaren LED-Outdoor-Lampen, was dem lauschigen Ambiente dieses unprätentiösen Palz-Patios durchaus zuträglich war.
Innenhof-Atmo
Lauschiger Freisitz by night
Noch ewig hätten wir es unterm Sternenhimmel ausgehalten, aber die Müdigkeit beschlich uns auf leisen Sohlen. Und so ging es nach herzlicher Verabschiedung von der Familie Knefler wieder zurück nach Kapellen-Drusweiler, wo die Solinger „Bagage“ noch die „Wendel“-Treppe (Kalauer!) zu ihrer feudalen Dachwohnung zu erklimmen hatte.
Am nächsten Morgen besuchten wir dann zu Dritt das nahegelegene Grenzstädtchen Wissembourg, um uns mit gutem „fromage“, feiner „charcuterie“ und süßen Versuchungen vom Spitzenpatissier Daniel Rebert einzudecken. Auch am Abend blieben wir dem Elsass treu. Schade nur, dass die „Vieux Moulin“ zu Lauterbourg nicht ein paar Meter weiter nördlich, in Südpfälzer Landen liegt. Ein Bericht auf GG wäre oberste Rezensentenpflicht gewesen.