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Die Alte Brücke lag noch im Sonnenschein, aber den Neckar zog drohend eine Regenfront herauf. Also schnellstens mit der Bergbahn zum Schloss, denn die Schlossweinstube von Holger Scharff führt seit längerem die örtliche Restaurant-Rangliste an.
Leider hatten wir einen schlechten Tag erwischt.
Service und Küche mühten sich nach Kräften, aber "stets bemüht" ist ja bekanntlich nicht die allerbeste Bewertung.
Dabei litt insbesondere die Crew in schwarz am krankheitsbedingten Ausfall des Sommeliers, so dass im ausreservierten Restaurant Mandy Habighorst allein mit zwei zum Teil noch sehr unbeleckten Azubis den Service stemmen musste. Ansagen kamen spärlich, Nachfragen nur gelegentlich. Später half in einem Feuerwehreinsatz Timo Wentzel mit, der nach gerade beendeten Weiterbildung an der renommierten Hotelfachschule demnächst die Restaurantleitung übernehmen soll. Da hatten wir aber auch schon mal eine Dreiviertelstunde auf einen Gang gewartet. Immerhin wurde jetzt die Stimmung entspannter und dem Gast zugewandter. Zuvor merkte man den Stress doch deutlich, ohne dass es zu wirklichen Ausfällen oder Fehlern gekommen wäre.
Die recht direkte Ansprache ("Die Weinkarte bin ich!") ist im Übrigen verständlich, kommt das Paar doch aus Bremerhaven, da weht schon mal ein rauer Wind...
Nicht in der Bewertung, aber doch sehr positiv zu erwähnen, ist das von vier Studierenden der Hotelfachschule initiierte Projekt "Hand in Hand". Spitzen- und Sterneköche lassen sich von den Heimatküchen geflüchteter Menschen inspirieren und kochen mit diesen zusammen in ihren Restaurants. Herr Wentzel schenkte uns am Ende des Tages ein Exemplar des daraus entstandenen, aufwändig gestalteten Kochbuchs, in dem freundlicherweise das gesamte Team der Schlossweinstube spontan unterschrieben hatte
Ein sehr netter, versöhnlicher Ausklang des Abends. Vielen Dank dafür!
Für die weiße Brigade zeichnete wohl Sous-Chef Stephan Haupt verantwortlich, der sich zu späterer Stunde für ein offenes Gespräch an unseren Tisch setzte. Zusammen mit dem Bemühen, nach schwierigem Start noch die Kurve im Sinne des Gastes zu bekommen, führt dies noch zu (wohlwollenden) 3,5 Sternen beim Service.
Bei der Tischwahl zeigte sich Frau Habighorst flexibel, wenn auch nicht begeistert. Der ursprünglich vorgesehene Platz befand sich im zweiten, etwas höher gelegenen Raum mit schönem Kachelofen. Hier waren mehrere Tische für eine Familiengesellschaft zusammen geschoben worden. Dadurch entstand ein ungemütliches "Loch" im Raum. Statt durch kleine Tische zu "füllen" wurde unser Tisch in die Ecke hinter die Gesellschaft gedrängt.
Der angekündigte Blick auf Stadt und Fluss scheiterte zudem am dichten Laub vor dem eh nur kleinen Fenster. Nach etwas Insistieren konnten wir dann trotz Ausreservierung in den Hauptraum umziehen. Wie sagt der Volksmund: Frühes Erscheinen sichert die besten Plätze!
Bei zwei Gläsern Pommery Rosé, einmal mit selbst angesetztem Sirup aus Oxalis-Klee zum interessant bittrigen Cocktail gepimpt (angenehme 10,5/13€), wählten wir aus dem nicht-vegetarischen Menü jeweils die Variante mit 7 Gängen zu 135€, dazu die Weinbegleitung für preiswerte 59€. Das "ordinäre" San Pellegrino schlug mit 8€, Kaffee und Espresso mit 4€ bzw. 3,5€ kräftig zu Buche.
Die zum Auftakt gereichten, ungewöhnlich unauffälligen Brotsorten
(immer ein schlechtes Zeichen) wurden von Fleur de sel, Chilisalz, Olivenöl und einer interessanten Basilikum-Limonen-Butter begleitet.
Die drei Aperós waren von unterschiedlicher Güte: Ein frischer Quark wurde mit intensivem Lammschinken serviert
litt aber darunter, dass das Knäckebrot als Träger jedenfalls bei meinem Happen schon etwas schlapp machte. Eine halbe Ofenkartoffel war mit Fichtennadelschaum (Lebt denn der alte...?) und rohem Champignon gefüllt
und hatte ein gewöhnungsbedürftig saures Geschmacksbild. Allein das ironisch à la Imbiss in Alufolie servierte Backhendl
war als panierter ausgebackener Quader einer Farce kreativ und geschmacklich überzeugend.
Als Amuse ein Stück recht saftige Hähnchenbrust mit einer eher diffusen Sauce an Alb-Linsencreme und roter Bete
Bieder.
Gänseleber Schweinebauch Pflaume - Schwarzwaldmiso
Die cremige Terrine war tadellos und funktionierte gut mit den roten Süßweinen. Alles andere war schwach, sehr schwach. Der glasierte Schweinebauch entpuppte sich als eine aufgerollte Aufschnittscheibe; saftig, aber nur ganz leicht süßlich, da habe ich dieses Jahr - ganz unabhängig von unserer Diskussion über die Wertigkeit dieses Stückes - viel klügere und besser ausgeführte Variationen erlebt. Ein Haselnuss-Chip war nicht crispy, sondern zäh, für mich in dieser Liga ein absolutes No-go. Tiefpunkt waren die Pflaumenscheiben, kaum Geschmack, schon gar nicht nicht nach der angekündigten (Schwarzwald?)-Miso und auch unnatürlich hart. Der Vergleich mit unreifer Supermarktware, wie man sie manchmal auf Hotelbuffets findet, drängte sich rein faktisch auf.
Ins Glas gab es als süße Begleitung wahlweise einen argentinischen Torrents oder Sweet Purple von Oliver Zeter. Beides gefiel.
Bayerische Garnele Pfirsich - Wasabikraut
Ein Lichtblick! Das Krustentier kam als (derzeit ja ungemein hoch im Kurs stehende) Ceviche. Wie immer beim kalt Gegarten von interessanter, eben ungewohnter Textur. Der Geschmack war nicht durch zu viel Säure beeinträchtigt und die süß-fruchtigen Aromen des marinierten Pfirsichs wie die kräuterig-scharfen Akzente (Chili, Senfsaat) gaben ein harmonisches Gesamtbild. Auch das Auge ruhte wohlgefällig auf dem Arrangement. Sehr schöner Teller.
Und wunderbar passend der Sauvignon Blanc von Oliver Zeter aus der Pfalz.
Gebratener Seidentofu mit zweierlei Tomate und Maiskuchen
Den vegetarischen Gang tauschte ich aus dem zweiten, insgesamt fleischlosen Menü ein. Während mein Sohn die vorgesehenen La-Ratte-Kartoffeln mit würzigem Bergkäse sichtlich genoss, erlebte ich den Reinfall (mindestens) des Abends. Die Tofuscheibe war teilweise bis zur ungenießbaren Bitterkeit verbrannt, keine Ahnung warum so ein Teller zum Gast geht. Einen Ersatz musste ich zudem ablehnen, hatte das Sojaprodukt keineswegs die glatte, an panna cotta erinnernde Konsistenz von Seidentofu, sondern die weiche Bröckeligkeit eines festen Tofus.
Der in Backpapier servierte Maiskuchen
war dagegen von sehr feiner Konsistenz und hatte eine schöne, an Karamell erinnernde Farbe. Nur leider war er so staubtrocken, wie Polenta überhaupt denkbar ist. Absolut kein Genuss. Beim späteren Fleischgang waren identische Beilagen vorgesehen, ich verzichtete dankend auf einen weiteren Versuch.
Irgendetwas muss in den 45 Minuten Wartezeit auf diesen Gang in der Küche furchtbar schief gelaufen sein.
Dementsprechend hab ich mir zum Pfälzer (?) Grauburgunder nichts weiter gemerkt. Er hat aber ganz und gar nicht wehgetan, wie überhaupt die Weinbegleitung sehr passend, qualitativ hochwertig und daran gemessen günstig war.
Die drei folgenden Gänge zeigten dagegen die Küche dann deutlich verbessert.
Taube Artischocke Speck - Estragon
Das Fleisch hervorragend weich (seit dem Elements weiß ich das zu schätzen), hier kam die Glasierung anders als beim Schweinebauch auch geschmacklich voll zum Tragen. Die Artischocken teils mit Kartoffeln kombiniert waren ein ungewöhnlicher, aber sehr interessanter Begleiter, mir gefiel z.B. die mit Creme gefüllte und mit Chips verschlossene Rolle sehr gut. Aber auch die Stücke, die à la barigoule geschmort wurden, was uns einen fantastisch "molligen" Fonds bescherte. Der Speck hier elegant als Schaum eingesetzt. Estragon setzte Geschmacksspitzen auf dieses sehr süd-französische Gericht.
Nicht nur regional passend der Rosé vom Château Miraval, der meinen Geschmack wirklich voll traf.
Fluss Zander Ebereschen - Weizengras
Ein guter Teller, ohne Höhen und Tiefen. Der Fisch war sanft gegart und saftig, nur leichte Röstaromen. Weizengras als Grießnocke, Saat (? Ich hab's für Buchweizen gehalten.) und Puder gaben mir nicht viel. Die Hippe mit Tatar schon mehr. Eberesche und gebratener Lauch steuerten nicht zu viel Säure und eine leichte Bitterkeit bei und etwas Schärfe war auch im Spiel. Aber wo war der Fluss?
Bei diesem angenehmen Gericht konnte der Moselriesling von Molitor also die Hauptrolle übernehmen.
Nebraska Flank Steak Tomate (Mais: Not again, my friend!) - Schafgarbe
Das Fleisch kam trotz der Gegenteiliges andeutenden, bemühten Schreibweise in nur einem, schmalen Stück und hat meine Vorurteile gegen den eher langfaserigen Schnitt völlig zerschmettert. Große Klasse, Struktur und Zartheit im idealen Verhältnis
Zudem mit leichtem Rauch versehen. Man erinnert sich an den Duft am Lagerfeuer mit Old Shatterhand, back in the old times... Maiskuchen würden wir alten Karl-May-Leser natürlich eher in den Pueblos von Texas und New Mexico vermuten, aber zum Thema Neue Welt hätten sie in der Tat gepasst! Wie auch die Beilagen im Übrigen. Wobei ich die zweierlei Tomaten nicht wirklich mit dem Rindfleisch zusammen bringen konnte. Die Schafgarbe mit dem Raucharoma schon eher.
Beim Wein hat sich Herr Wentzel dann wahrlich nicht lumpen lassen und mit einem Mersault 2008 einen weißen Kraftprotz ausgepackt. Der entschädigte schon für einiges, speziell nach der zweiten Runde...
Käse
Zum Abschluss Käse von Affineur Waltmann mit einem Jahrgangsport-Port 2003 von Ferreira. Natürlich beste Produkte auf dem Teller, aber auch nicht gerade ein kreativer Geniestreich der Küche. Fairerweise sei aber berichtet, dass die selbst gemachten Chutneys und die schwarzen Nüsse schon überzeugten. Das Früchtebrot ragte dagegen nicht aus dem Mittelmaß heraus - und so schloss sich der Bogen zum Beginn unseres fast vierstündigen Mahls, das neben vielen sonnigen Abschnitten doch überraschend viele trübe Momente hatte.
Für die Küchenleistung daher im Mittel 3 Sterne. Beim PLV dürfen die Schwächen nicht erneut bewertet werden, daher angesichts der Produkte etwas besser, aber auch keineswegs günstig.
Zur Nachbesprechung zogen wir dann zu Fuß den Berg hinunter in die Altstadt. Irgendwann in dieser Nacht hatten sich die Wolken endgültig verzogen, denn ich sah in früher Stunde ein helles Licht...