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Selbst die Schnarchfraktion vom Meininger-Verlag (Neustadt a. d. W.), die uns alle zwei Jahre mit ihrem „Pfälzer Restaurantführer“ mehr amüsiert denn informiert, hat vom Können des talentierten Herrn Seiler Junior Notiz genommen und ihn in der 2018/2019er Auflage zum „Aufsteiger“ der Pfalz gekürt. Bewertet mit 2,5 Kochlöffeln im Schlemmeratlas und ausgezeichnet mit einem Michelin-Teller für eine Küche mit guter Qualität kommt der „Kronprinz“ nun auch bei bedeutsameren Gastroführern gut weg.
Der ehemalige Lehrling des mittlerweile in Rente geschickten Südpfälzer Sternekochs Karl-Emil Kuntz (Krone in Herxheim-Hayna) hat hier im beschaulichen Weinörtchen Weyher, das der gemeine Rhodt-Besucher gerne links oberhalb liegen lässt, den elterlichen Betrieb sukzessive modernisiert und zeitgemäß ausgerichtet. Bodenständig, aber mit kreativem Touch – so lässt sich die einfallsreich umgesetzte Regionalküche von Chefkoch Seiler kurz und knapp charakterisieren.
Seine Küchenphilosophie, die auch den Blick ins benachbarte Frankreich nicht scheut, baut dabei genauso auf Pfälzer Klassiker „aus Omas Rezeptbuch“ wie auf mediterrane Genüsse, die das Mittelmeer ein Stückchen näher rücken lassen. Kochkurse und Küchenpartys, Krimi-Dinner und Neujahrsbrunch – der Veranstaltungskalender des „Kronprinzen“ kann sich sehen lassen.
Dass nun auch der äußere Rahmen den hübsch angerichteten Preziosen auf dem Teller angeglichen wurde, kann der hier einkehrenden Genussklientel nur Recht sein. Man hat die beiden Gasträume, in denen bis zu 60 Personen Platz finden, von piefigen Vorhängen und Tischdecken sowie altbackenen Polstern (der Wandbänke) befreit und sie dadurch deutlich entkrampft. Auch der dunkle Filz-Teppich, der sicherlich den größten Anteil am überholten Ambiente früherer Tage hatte, hat mittlerweile ausgedient. Dank gepflegtem Laminatboden wirkt das Interieur nun wesentlich zeitgemäßer und freundlicher. Bunte Pop-Art von jungen Künstlern (aktuell von Julia Neverman alias "Younique") ziert neuerdings die Wände. Auf den blanken Holztischen hält man sich mit überflüssiger Deko zurück, ohne jedoch auf liebevolle Details der klassischen Tischkultur, wie z.B. die hübsch gefalteten Stoffservietten bzw. den kleinen Brotteller, zu verzichten.
Frau Rita Seiler empfing uns in gewohnt freundlicher Manier. Unser ca. einstündiges Zuspätkommen schien kein Problem. Der Andrang hielt sich an jenem Donnerstagabend in Grenzen und so saßen wir schließlich ziemlich zentral im Hauptgastraum mit Blick auf den Ausschankbereich, hinter dem es zur Küche ging. Aus der kam der Küchenchef ganz nonchalant gestapft, trug ein paar hübsch angerichtete Teller an den Nachbartisch und begrüßte uns dabei in lässiger Art und Weise. Schon ein cooler Typ der Simon Seiler. Einer, der die Nähe zu seinen Gästen schätzt, kommt eben gleich sympathisch rüber.
Auf dem Tisch lag bereits ein hölzernes Klemmbrett, auf dem ein mit dickem Edding beschriebenes DIN-A4-Blatt befestigt war. Darauf stand in leserlicher Handschrift die heutige Tagesempfehlung, nämlich Rinderbäckchen, Nudeln und Salat für 16,90 Euro, geschrieben. Ein erstes deftiges Ausrufezeichen in Sachen Hausmannskost.
Frau Seiler reichte uns die Speisenkarten. Auf der ersten Seite war eine recht umfangreiche Aperitif-Auswahl gelistet. Sherry, Martini, Campari und andere appetitanregende Alkoholika waren u.a. vertreten. Aber auch Alkoholfreies wie der Traubensecco vom Weingut Hörner aus Hochstadt hatte man im Programm. Ein Rosé-Secco (0,1l für 3,60 Euro) und ein URsUS Gin Tonic (0,2l für 5,90 Euro) beschwichtigte die „Spritties“ am Tisch, während die beiden anderen Mitglieder unseres Futtervereins das Mineralwasser (0,75l für 4,90 Euro) gleich flaschenweise kommen ließen.
Da jeder weiß, dass Tonic ohne Alkohol recht „ginlos“ daher kommt, genoss ich meinen Begrüßungslongdrink mit Original-Gin aus Weyher (!!!) in vollen Zügen. Das aromatische Destillat stellt nämlich Simon Seiler in Kooperation mit dem Weyherer Winzer Josef Brecht selbst her. Zwei aus dem gleichen Ort mit derselben „Schnapsidee“ sozusagen.
Außerdem wurde an diesem Abend Flüssiges in Form mehrerer Johannisbeerschorlen (0,5l für 3,50 Euro) sowie Espresso (2 Euro), Kaffee (2,30 Euro die Tasse) und natürlich Wein verkonsumiert. Mit allein 17 verschiedenen Weinen im offenen Bereich, zeigt man sich gut aufgestellt. Schön, dass hier das Augenmerk auf dem direkten Umfeld des Weinortes Weyher liegt und ausschließlich Winzer aus der direkten Nachbarschaft offen kredenzt werden. Entdeckungen sind somit glasweise garantiert.
Auch beim Flaschenweinangebot gibt man sich regional verwurzelt. Viele bekannte Weyherer Jungwinzer, wie z.B. Graf, Meier oder Möwes, hat man im Portfolio. Daneben baut man mit Jülg (Schweigen), Klein (Hainfeld), Hartmann (Kirrweiler) und Hörner (Hochstadt) ganz bewusst auf die junge Südpfalz, die sich unter Weinkennern immer mehr einen Namen macht und deren Weine beim „Kronprinzen“ äußerst preiswert zu erstehen sind.
Freunde der ersten Lage bzw. des Großen Gewächses werden dagegen bei Minges (Flemlingen) und Meßmer (Burrweiler) fündig. Großes Lob an dieser Stelle an die mit viel Bedacht zusammengestellte Weinkarte. Sie ist ein gutes Beispiel dafür, dass sich auch in besseren Restaurants veritable Trouvaillen für um die 20 Euro ergattern lassen.
Schon bei unserer Ankunft blieben wir neugierig am Glasschaukasten draußen stehen und warfen erste Blicke auf das Speisenangebot. Drinnen blätterten wir uns dann gemütlich durch die verschiedenen Menüs, deren Gerichte sich auch alle einzeln bestellen ließen. Drei an der Zahl waren es und alle klangen sie verlockend. Dem Menü „Signatur“ (vier Gänge für 49 Euro) konnte mein Kollege nicht widerstehen. Lachsforelle, Meerwassergarnele, Rinderfilet und Pfälzer Erdbeervariation bildeten die verführerische Menüfolge, die auch ohne Meeresfrucht in drei Gängen (39 Euro) erhältlich war. Der mir schräg gegenüber sitzende Gourmand beschränkte sich auf diese „Light-Version“.
Für Veggies gab es ebenfalls vier Gänge in Menüform (32 Euro) zu bestellen. Mit dem berühmten Erdesbacher Ziegenfrischkäse, einer Tomatensuppe, einem Kräuter-Risotto mit Pfifferlingen und der Kombi aus Pfälzer Erdbeeren und Pirmasenser Wawi-Schokolade kämen selbst Fleischverzichter voll auf ihre Kosten, so die einhellige Meinung in unserer Carnivoren-Runde. Für Gockel-Genossen und Saumagen-Sympathisanten wurde das Menü „Palatina“ offeriert. Auch hier wahlweise in drei oder vier Gängen (27 bzw. 29 Euro). Hier galt es mit Saumagen-Carpaccio, Rinderkraftbrühe, Gockel in Woi („coq au vin“) und dem bereits erwähnten Erdbeerdessert fertig zu werden. Und das alles für unter 30 Euro.
Zweimal lautete die Entscheidung am Tisch „pro Pfalz-Menü“. Bei letzterem tauschte ich die Rinderkraftbrühe gegen die Tomatensuppe aus der Veggie-Palette. Alles kein Problem im „Kronprinzen“ – noch nicht einmal Aufpreis wurde berechnet.
Neben den Menüs existierte eine überschaubare Auswahl an Fleisch- und Fischgerichten (Rumpsteak, Barbarie-Entenbrust, Kalbszunge, Zander und Rotzunge). Der Saumagen „nach Omas Art“ (12,90 Euro) bediente die Pfalz-Esser und für die vespernde Zunft standen ein paar kalte Gerichte (Schwartenmagensalat, Käseteller, etc.) bereit.
Der Kollege zu meiner Rechten wählte das Schnitzel „Wiener Art“ (12,90 Euro), das hier mit Kartoffel-Gurken-Salat serviert wurde. Mit einem Saumagen-Carpaccio (9,90 Euro) und einer Tomatensuppe (4,90 Euro) erweiterte er seinen Hauptgang zu einem individuellen Drei-Gang-Menü.
Fehlte nur noch der passende Wein. Eine Flasche Merlot Auslese (29,90 Euro) vom Weingut Norbert Brecht aus Weyher sollte mit stolzen, im Holzfass gereiften 15 Volumenprozent unsere Lust auf stoffige Tanninfülle befriedigen. Der warmen Witterung wegen ließen wir den kräftigen Roten zunächst etwas runterkühlen.
Dem ersten Hunger wurde mediterran begegnet. Eingelegte Oliven und eine streichzarte Tomatenbutter sollten Abhilfe schaffen. Aufs frische, von Vater Seiler selbstgebackene Brot gestrichen, war das ein erster wohlschmeckender Küchengruß, den wir dankend annahmen. Zusätzlich wurde uns eine Tüte mit aromatisch duftendem Curry-Popcorn auf den Tisch gestellt. Die ging reihum und war viel zu schnell geleert. Auf einer kleinen Schiefertafel lagen halbe Cocktailtomaten, Salatgurkenscheiben und herzhafter Schinken als Fingerfood aufgespießt. Schon die kleinen kulinarischen Aufmerksamkeiten zu Beginn zeigten, dass die Küche in der Lage war, aus recht einfachen Produkten Schmackhaftes zu zaubern. So konnte es weiter gehen.
Beim ersten Gang lagen gebratene Saumagenscheiben um einen aufgeschichteten Hügel aus Kraut-und Blattsalat. Ein Teller, der sowohl texturell, als auch geschmacklich ein breites Spektrum abdeckte. Die salzige Würze steuerte der hauchdünn aufgeschnittene Saumagen bei, während das krautige Innere für sommerliche Frische sorgte. Knackiger Salat und knusprig gebratenes Pfälzer Schweinsallerlei – eine durchaus passende Vorspeise für einen warmen Juni-Abend. Vielleicht hätte das Hausdressing noch etwas mehr Essig-Wumms vertragen. Denn als Fan der sauer angemachten Elsass-Salate halte ich von zurückhaltenden „Anmachmethoden“ generell nicht viel. Der schräg gegenüber sitzenden Kollege lobte jedenfalls seine mit Gin-Schmand verfeinerte, kalt geräucherte Lachsforelle über den grünen Apfel, der – genau wie die darin enthaltenen Radieschen – seiner Vorspeise den besonderen Frischekick verlieh.
Wir schalteten gemächlich in den zweiten Gang. Der Lachsforellenverzehrer musste pausieren, da er ja die Meerwassergarnele mit Cous-cous hatte sausen lassen. Wir hingegen mutierten zu Suppenkaspern und bekamen zweimal frisch pürierte Tomatensuppe und eine Rinderkraftbrühe serviert. Vielleicht hat Küchenchef Seiler ein Faible für Spiderman oder die Roten Teufel vom Betzenberg, so mein erster Gedanke als ich die mit einem weißen „Netz“ überzogene „FCK-Suppe“ vor mir stehen sah. Später verriet er mir, dass er für das Muster der Oberfläche griechischen Joghurt – ja genau der fette Südländer! – benutzte, daher auch die etwas festere Konsistenz beim Verzehr.
Wie ich es hier schön öfter erlebt habe, nutzte Seiler auch diesmal den Tellerrand, um mit Tomatenmarmelade, helleren Tomatenstücken und ein paar Essblüten seiner Vorstellung eines optisch aufgepeppten Suppentellers gerecht zu werden. Das „Zierwerk“ sah nicht nur gut aus, sondern passte ganz wunderbar zur fruchtigen Tomatenmasse eine Etage tiefer. Einziger kleiner Kritikpunkt war auch hier die etwas defensive Art der Würzung. Klar kann das auch zu Lasten von Frucht und Frische gehen, würde aber dem Gericht insgesamt zu einem breiteren Geschmacksbild verhelfen, so die einhellige Meinung am Tisch. Simon, etwas mehr Chuzpe beim Würzen darfst du ruhig zeigen!
Dass es auch beherzter geht, war bei den Hauptgängen deutlich schmeckbar. Sowohl die herrlich zarten Brust- und Keulenstücke meines in Riesling-Sauce badenden Woi-Gockels, als auch das stattliche mit kräftiger dunkler Jus, cremiger Polenta und deftigen Speckbohnen versehene Rinderfilet (feinste argentinische Blockhouse-Qualität) aus dem Signatur-Menü ließen keine kulinarischen Wünsche offen. Aromatisch, vollmundig, gut! In der gehaltvollen Sahne-Sauce meines Coq-au-vin sorgten frische Champignons und aromatische Kräuter (Petersilie und Schnittlauch) für den delikaten Feinschliff. Zusammen mit einem ansehnlichen Häufchen Tagliatelle eine stattliche Portion, die ich da zu verputzen hatte. Denn Simon Seiler kocht sicher nicht für klägliche Kalorienzähler, wehmütige Weight-Watcher und depressive Dauerabnehmer. Das würde ja schon rein optisch gar nicht zu ihm passen. Seine Gerichte sind nicht nur hübsch arrangiert und handwerklich gekonnt zubereitet, sondern machen auch satt. Ein zeitgemäßer, aber durchaus üppiger Pfalz-Stil, der keinen hungrig unter die Tischplatte purzeln lässt.
Nur der Kartoffel-Gurken-Salat, den sich mein Nebenmann zu seinem knusprigen Schweineschnitzel „Wiener Art“ einverleibte, kam geschmacklich eher unscheinbar daher. Wie beim Salatdressing zuvor, fehlte ihm ein wenig die Essigwürze. Zugegeben nicht jeder mag Säure, aber bei manchen Gerichten gehört sie einfach dazu. Dem Schnitzelbegleiter hätte jedenfalls etwas mehr Pep gut zur Kartoffel gestanden, so die Meinung meines Kollegen.
Doch diese Kleinigkeiten waren spätestens beim Anblick des Pfälzer-Erdbeer-Desserts, das die drei Menü-Esser als letzte „Hürde“ zu nehmen hatten, verflogen. Auf einer länglichen Schiefertafel zeigte Seiler, dass er auch als Pâtissier sein Handwerk beherrscht. Er präsentierte die Pfälzer Erdbeere in verschiedenen Texturen. Als krachendes Baiser, als cremiges Sorbet, als halbgefrorenes Parfait und als naturbelassene Schnipsel. Dazu gesellten sich marinierte Rhabarberstücke, eine Nocke herb-süßer Mousse au chocolat, eine herrlich fluffige Vanillecrème und ein paar dunkle Schokosplitter. Bei diesem Sommerdessert stimmte die Balance aus süßen, herben und säuerlichen Elementen perfekt. Daneben sorgten ein paar Minzblätter für zusätzliche Frische.
Und so beendeten wir unser „Clubtreffen“ in Weyher mit gutem Bauchgefühl und in großer Zufriedenheit. Klar, wäre ein Besuch in der nahegelegenen Winzerstube von Volker Krug auch mal einen Besuch wert, aber bei Simon Seilers Küche wissen wir eben, wo wir dran sind und dass es uns dort so richtig gut schmeckt. Kulinarische Bauchlandungen, wie neulich erst in Neustadt-Gimmeldingen im Restaurant Moro erlebt, sind hier keine zu erwarten. Dafür eine liebevoll zubereitete Pfalz-Küche, die mit fairem Preis-Genuss-Verhältnis und frischen Produkten zu gefallen weiß.