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Vom Neckar, den Höhen zu, entfaltet sich der alte Teil der Stadt, ein Geflecht von Straßen und Gassen mit schlichten und prächtigen Häusern. Und immer wieder trifft man auf einen größeren oder kleineren Platz, der dazu einlädt zu verweilen. Gewissermaßen als Antipode zur Stadt erhebt sich im Westen hoch über ihr das Schloss „Hohentübingen“. 1816 legt es jedoch alle martialischen Funktionen ab und dient ausschließlich mit seinem Standort und seinen Räumen Zwecken der Universität.
In diesem Geflecht von Straßen und romantischen Gassen, das dem Ort seinen typischen Charakter verleiht, dürften sich Hölderlin, Hegel und Mörike entsprechend den Bedingungen ihrer Zeit ebenso bewegt haben wie wir es heute tun.
Der Juli zeigt sich an diesem 11. Tag seiner Präsenz im Jahr 2014 von seiner besten Seite. Nicht nur, dass er uns einen ungetrübten Sonnentag schenkt, nein, er spendet auch noch eine laue Sommernacht. Auf dem Marktplatzt sitzen und stehen viele Menschen. Man trinkt einen Wein, plaudert, isst eine Kleinigkeit und lässt den Tag ausklingen. Hier trifft man nicht in erster Linie Touristen. Aus allen Ecken hört man den die Region kennzeichnenden Zungenschlag.
Auf dem Neckar ziehen würdevoll Schwäne ihre Bahn, als seien sie Hölderlins Gedicht „Hälfte des Lebens“ entsprungen. Ein Schwan hat es in Tübingen einfach schwer, nur ein Schwan zu sein, seitdem ihn dieser Dichter zum Symbol für Schönheit und Kunst erhoben hat und sein eigenes Leben hier so wechselhaft endete.
Da hat man es mit Hegel schon leichter. Obwohl er intensiv höchste philosophische Abstraktion pflegte, mochte er das schwäbische Bier und ein gutes Essen. Von Mörike weiß man, dass er den Schweinsfuß schätzte, seine Wirtin ihm jedoch dieses Vergnügen verdarb, indem sie ihm die Mahlzeit täglich zubereitete. Genuss hat eben zur Voraussetzung, dass „Alles mit Maß“ geschieht.
Die laue Sommernacht lädt zum Bleiben ein. Auf den Stufen der Stiftskirche tummeln sich Menschen aller Altersgruppen. Vom Marktplatz hört man Straßenmusiker heiße Rhythmen spielen. Warum tanzt niemand dazu?
Wir möchten nach einem erlebnisreichen Tag in aller Ruhe gut essen. Das muss keine raffinierte Küche sein, aber auf keinen Fall eine, die mit unserem häuslichen Standard nicht mithalten kann. Wir schauen uns auf dem Marktplatz um. Hier gibt es reichlich Wein. Aber etwas zu essen, das uns nicht enttäuscht? Zerberuz hat einen glänzenden Einfall. Wir fragen einen Weinhändler nach einer Empfehlung, dessen Sortiment auf Qualität schließen lässt.
Der Herr des Weinhaus Beck empfiehlt uns das Weinhaus - Restaurant „Forelle“. Zwischen dieser Adresse und dem Marktplatz liegen vielleicht gute 100 Meter.
Die Bedienung dort begrüßt uns freundlich. In der schmalen Zeile der Außengastronomie vor dem Haus sind noch zwei Plätze frei. Wir setzen uns. Die Speisekarte ist württembergisch durchsetzt. Daraus kann man grundsätzlich keinen Mangel ableiten, jedoch trifft diese Küche nicht so wirklich meine einfachen und komplexeren kulinarischen Bedürfnisse. Was soll‘s. Ich brauche jetzt etwas zu essen.
Aus dem übersichtlichen Angebot entscheiden wir uns trotz des Namens des Restaurants nicht für den Fisch, sondern im Sinne Mörikes für das Schwein. Ich spüre es. Dem einen oder anderen stockt jetzt beim Lesen der Atem. „Schweinsfuß?“, durchwühlt es den Denkapparat. Nein! Wir wählen „Schweinefilet mit Gemüse auf angebratenen Scheiben von Vollkornsemmelknödeln mit Sahnesauce“. Vorweg gönne ich mir einen grünen Salat mit Rauke und frischem Ziegenkäse. Bei all dem begleitet mich ein Viertel vom Acolon, einer Neuzüchtung aus Lemberger und Dornfelder, Zerberuz hat sich einen Grauburgunder ausgesucht. Ach ja, fast hätte ich es vergessen, vorweg haben wir ein Glas Secco getrunken.
Inspirierte der württembergische Schweinsfuß Mörike zu einem Gedicht von tragischer Tragweite, so muss der Leser dieses Berichtes jetzt keinen Ausflug in die Poesie befürchten. Zu einem solchen Funken kam es nicht. Mein Fazit fällt so aus:
Alle Getränke waren interessant und gut. Der Acolon beeindruckt durch Frucht und Säure, bleibt aber im Laufe des Abends zunehmend im Vordergrund des Gaumens hängen, während ich Weine mit schwerem dunklen Abgang bevorzuge. Dennoch, es war die Probe Wert. Zerberuz war mit dem Grauburgunder ausgesprochen zufrieden.
Die Speisen gaben eindeutig zu erkennen, dass sie frisch zubereitet worden sind und sie schmeckten gut. Hervorzuheben wäre vielleicht als Leistung der Küche, dass trotz der Sauce die angebratenen Semmelknödel knusprig waren.
Der Service überzeugte durch Freundlichkeit und Präsenz.
Das Essen würde ich mit 3 ½ Punkten bewerten, alle anderen Leistungen sind für mich im Vierpunktebereich anzusiedeln.
Nachtrag: Auf dem Rückweg schlendern wir noch einmal über den Marktplatz. Dort herrscht ein ausgesprochen reges Treiben. Beim Gemeindehaus der evangelischen Kirche feiern Christen und Moslems zusammen Ramadan.
Wir schauen noch im Weinhaus Beck vorbei. Auch dort ist der Abend keineswegs zu Ende. Ich geselle zum Acoclon einen Primitivo. Der Primitivo hat das Zeug, den Abend zu füllen. Der Wein löst die Zunge, nicht nur bei uns. Ein Gast setzt sich zu uns. Wir schwatzen über Gott und den Wein. Seine Intonation verrät ihn als Einheimischen, zumindest als Württemberger.
Ein schöner Tag. Tübingen ist eine Reise wert!!!!