Wir verwenden Cookies
Wenn Sie unsere Webseiten besuchen, kann Ihre Systemsoftware Informationen in Form von Cookies oder anderen Technologien von uns und unseren Partnern abrufen oder speichern, um z.B. die gewünschte Funktion der Website zu gewährleisten.
Warum wir in den bald 15 Jahren, die wir Bad Herrenalb wohnen, noch nie im Waldschlösschen eingekehrt waren, kann ich im Nachhinein nicht sagen. Dass wir durchaus noch weitere 15 Jahre hätten warten können, allerdings schon.
Einige ausgedehntere Spaziergänge mit dem Hund hatten uns in letzter Zeit öfters in die Gegend geführt und uns an das prominent im Gaistal gelegene Haus erinnert. Und so beschlossen wir etwas, was man besser nicht tun sollte, nämlich seine Gäste – in diesem Fall unseren Neffen und seine Freundin – in ein Restaurant auszuführen, das man noch nicht kennt. Die etwas angestaubt wirkende Website samt Auszug aus der regional ausgerichteten Speisekarte ließ solide, gutbürgerliche Küche erwarten, und so reservierte ich für den Sonntagmittag einen Tisch. Mit einem leckeren Zwiebelrostbraten oder einem saftigen Rumpsteak macht man uns schließlich immer glücklich.
Swinging Sixties
Drinnen schien die Zeit stehen geblieben zu sein, und das schon vor einer ganzen Weile. Und als wir die Speisekarten in den Händen hielten, stellten wir fest, dass auch die Website seit langem nicht mehr aktualisiert worden war, denn das tatsächliche Speisenangebot hatte sich inzwischen stark geändert. Zwiebelrostbraten oder Rumpsteak suchten wir jedenfalls vergeblich, dafür gab es eine ganze Seite voller Schnitzel. Vermutlich eine Maßnahme zur Straffung der Vorratshaltung.
Dass bei den wenigen Überlappungen die Preise deutlich gestiegen waren, überraschte dann nicht mehr. Die ausgesprochen hunde- und auch sonst sehr freundliche Kellnerin pflichtete uns bei, dass in diesem Punkt Handlungsbedarf bestünde.
Zu trinken gab es 2x Apfelschorle für unsere Gäste, Johannisbeerschorle für meine Frau (alle 3,80 €) und für den Fahrer einen halben Liter Fürstenberg Pils vom Fass (4,60 €). Dazu zwei 0,5er Flaschen stilles Black Forest (je 3,50 €).
Dem Bier merkte man an, dass das Fass schon länger an der Leitung hing, für ein Krönchen hatte es aber noch gereicht. Hätten wir gewusst, dass wir bis auf einen solitären Herrn (ob der wohl auch reserviert hatte?) die einzigen Gäste bleiben würden, wohlgemerkt an einem Sonntagmittag, hätte ich vielleicht Verdacht geschöpft und Flaschenbier bestellt, aber noch ahnten wir ja nichts Böses. Dass die drei Schorlen dann ebenso kohlensäurefrei waren wie das stille Wasser, kam leider, vielleicht mit übertriebener Rücksicht auf die Stimmung am Tisch, erst so spät zur Sprache, dass sich ein Tausch dann auch nicht mehr lohnte. Puh.
Der Fisch will schwimmen, nicht der Salat!
Verglichen mit dem Fiasko auf den Tellern war das allerdings noch harmlos. Den Anfang machte ein kleiner Salat, der zu allen Gerichten dazugehörte. Das Grün- und Rotzeug war zwar frisch und knackig, aber die saure Sauce, in der es schwamm, war Flaschenware (eindeutig erkennbar am Verdicker und den schwarzen Dillspitzen), aufgespritzt mit viel Rotweinessig.
Tristesse auf dem Teller
Für unsere stets viel zu bescheidenen Gäste folgten zwei Portionen Seebarsch gebacken mit Salzkartoffeln, Remouladensauce und dem bereits erwähnten Salat (12,80 €). Schon das kantineske Tellerbild ließ nichts Gutes ahnen: Die Filets aus der Panierfabrik waren trocken und geschmacklos, die Panade unangenehm fettig - selbst ein Fast-Food-Laden wie Nordsee kriegt das besser hin.
Nach zwei Dritteln warfen beide das Handtuch, auch bei den totgekochten Kartoffeln, die schon beim Transfer auf den Teller auseinandergefallen waren. Gott, war uns das peinlich...
Feinschmecker ist bekanntlich kein geschützter Begriff
Aber uns ging es ja auch nicht besser. Meine Frau hatte sich auf die Feinschmecker-Schwarzwaldforelle nach Art des Waldschlösschen, in Mandelbutter gebraten, mit Salzkartoffeln und wiederum Salat gefreut (21,50 €). Die Freude währte allerdings nicht lange, denn die Forelle war so trocken und fad, als wäre sie schon vor Tagen gebraten und inzwischen ein paar Mal aufgewärmt worden. Die ungerösteten Mandelkrümel konnten da auch nichts retten; über die Kartoffeln ist schon alles gesagt. Meine Liebste bedauerte fast, dass sie ihren Geschmackssinn, der ihr in Folge einer Covid-Erkrankung für Monate abhanden war, inzwischen wiedererlangt hatte, und legte ebenfalls nach der Hälfte ihr Besteck zur Seite. Sie liebt Fisch, aber so weit geht die Liebe dann doch nicht.
Medaillenränge deutlich verpasst
Ich hatte mir Schweinelendchen-Medaillons auf Schweizer Art an einer Pfeffer-Rahm-Sauce mit frischen Champignon und Käse überbacken, im Pfännle serviert, dazu Pommes Frites und Salat bestellt (17,80 €).
Das Highlight
Im Vergleich zum Rest der Familie hatte ich etwas Glück: Die Pommes waren genau richtig frittiert und schmeckten mit den Pilzen und der sahnigen Käsesauce sehr ordentlich. Allerdings hatte es das Schicksal mit den armen Medaillons nicht gut gemeint: Ein Schweinefilet muss man schon arg misshandeln, dass es so zäh und faserig rauskommt wie hier. Ich hatte jedenfalls ganz schön was zu kauen und war am Ende sogar dankbar, dass ich nicht ein Rumpsteak ähnlicher Machart auf dem Teller hatte.
Insgesamt macht das Haus den Eindruck einer desinteressierten Führung; die veraltete Website hatte ich ja schon erwähnt. Die Salz- und Pfefferstreuer schienen seit vor der Pandemie nicht mehr abgewischt worden zu sein und waren so verfingert, dass man sie nicht in die Hand nehmen mochte, dabei hätten die Salzkartoffeln doch dringend Salz gebraucht. Der Reis im Salzstreuer war über die Jahre gelb geworden.
Pinkeln im Palmengarten
Dass die halbe Herrentoilette von überwinternden Pflanzen belegt war, fand ich eher kurios, ein Waschbecken, an dem kein Wasser fließt, sollte aber schon als „außer Betrieb“ gekennzeichnet sein.
Ob unser knappes, aber deutliches Feedback zum Essen etwas bewirken wird, kann ich nicht sagen; wenn die Küche besser könnte, dann täte sie wohl. Und hatten wir uns anfangs noch gewundert, dass wir praktisch die einzigen Gäste waren, am Ende war die Frage beantwortet. Wer hier zweimal einkehrt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.