Zurück zu Gaststätte Wätzlich
GastroGuide-User: Jenome
Jenome hat Gaststätte Wätzlich in 01877 Rammenau bewertet.
vor 2 Jahren
"Kleine ostsächsische Gaststätte mit berühmten, sportlichen Vorfahren"
Verifiziert

Geschrieben am 09.02.2023
Besucht am 08.02.2023 Besuchszeit: Abendessen 8 Personen Rechnungsbetrag: 162 EUR
Wir erinnern uns an das enttäuschte Gesicht meiner kleinen Tochter, als wir am vergangenen Wochenende im Schützenhaus Pulsnitz meinen Geburtstag mit unseren Freunden nachfeierten, und sie sich wie wild auf die Hausschlachtene Karte stürzte und sich auf ein deftiges Abendbrot freute. Da es weder Wellfleisch noch Grützewurst gab, war die Enttäuschung entsprechend groß. Aber da fiel meiner Frau ein, dass in unserem Pferdestall wo unsere Gina steht eine andere Pferdebesitzerin erzählte das im Nachbardorf in der Gaststätte Wätzlich diese Woche ebenfalls Schlachtfest ist. Also fragten wir unsere Freunde ob sie nicht auch Lust darauf hätten, und da sie das bejahten bestellte ich im nächsten Augenblick einen Tisch für uns acht zum Schlachtfestessen. Da an der Gaststätte Wätzlich auch eine Fleischerei (in anderen Bundesländern Metzgerei genannt) angegliedert ist, ist hier die Frische natürlich garantiert, und die Gaststätte weit über Rammenau beliebt. So blieb uns als einzigster Termin letztendlich der Mittwochabend um 17 Uhr. Pro Tag macht die Gaststätte Wätzlich während dem Schlachtfest zwei Mittags-und zwei Abenddurchgänge. Bei 75 Plätzen (25 in der Gaststube und 50 im Vereinszimmer) sind das immerhin  300 Portionen die hier pro Tag in der kleinen Gaststätte gehändelt werden.

Gaststätte & Fleischerei Wätzlich

Warum aber ist die Gaststätte Wätzlich, neben dem großen Sohn des Dorfes Rammenau, Johann Gottlieb Fichte und dem hier befindlichen Barockschloss Rammenau so bekannt? Die älteren Fußballfans kennen den ehemaligen Chef der Fleischerei, Siegmar Wätzlich, bei uns nur Wätze genannt, noch als sehr talentierten Fußballspieler, welcher unter Trainer Walter Fritsch, zu einem „Abwehrstrategen bester Güte“ beim damaligen Oberligisten der DDR Dynamo Dresden wurde. Für Dynamo Dresden bestritt Wätze 156 Oberliga sowie 37 Pokalspiele. Mit Dynamo Dresden wurde er 3-mal DDR-Meister und 1-mal DDR-Pokalsieger. Als 24-facher Nationalspieler der DDR nahm er an den Olympischen Spielen 1972 (Bronzemedaille) und an der Fußballweltmeisterschaft 1974 teil, unter anderem auch beim legendären Spiel DDR-BRD in Hamburg, welches mit 1:0 für die DDR endete. Siegmar Wätzlich stammte aus einer Fleischerfamilie und erlernte ebenfalls diesen Beruf. Nach einem Meniskusschaden 1976, der ihn zur Aufgabe seiner sportlichen Laufbahn zwang, übernahm er 1977 zusammen mit seiner Ehefrau in seinem Heimatort Rammenau die Gaststätte und Fleischerei seiner Eltern. Nach der Wende war er noch lange mit seiner Frau in Gaststätte und Fleischerei aktiv, bevor er das Geschäft letztendlich an seine Kinder übergab. Wätze starb mit nur 71 Jahren nach einer kurzen, schweren Krankheit 2019. Seine Tochter führt heute die Gaststätte in seinem Vermächtnis weiter.

Die kleine Gaststätte erstrahlt nun in einem modernen, frisch renovierten Gewand. Gemütlich, gut gepolsterte Stühle und breite Tische laden zum längeren Verweilen ein. Ein großer Parkplatz ist direkt vorm Haus, die Fleischerei eine Tür neben der Gaststätte. Im Sommer wird ein kleiner Biergarten nebenan geöffnet, sodass man im Schatten großer Bäume angenehm verweilen kann. Einziger Wehrmutstropfen, die Toilette der Gaststätte befindet sich im Wohnbereich der Wätzlichs, sodass man über den Hof muss um seine Notdurft zu verrichten.

Willkommen zum Schlachtfest

Nachdem wir unseren fahrbaren Untersatz abgestellt hatten, wurden wir am Eingang von einem jungen Herrn freundlich begrüßt und zu unserem Platz geleitet. Das Lokal war nun bis auf den letzten Platz voll, sodass ich leider auch kein gescheites Foto vom Gastraum habe. Drei junge Herren kümmerten sich um Gast- und Vereinsraum und hatten immer alles im Blick.

gesonderte Speisekarte

Die übliche Speisekarte, welche sonst mit gutbürgerlichen und regionalen Spezialitäten aufwartet wurde heute durch die Schlachtfestkarte ersetzt. Neben den kalten und warmen Schlachtfestspezialitäten wurden noch ein Rostbrät´l sowie ein Schnitzel angeboten falls wer die allzu deftige Küche nicht mag.

Auszug aus der Schlachtfestkarte

Unsere Getränkewünsche waren schnell parat, und so orderten wir erst einmal:

·         2x 0,4ér Pepsi Cola zu je 3,80 €
·         1x 0,4ér Mirinda für 3,80 €
·         1x 0,4ér Spezi für 3,80 €
·         1x 0,4ér Orangensaft für 3,80 €
·         1x 0,4ér Radler für 3,80 €
·         1x 0,33ér Radeberger alkoholfrei für 3,00 €
·         1x Tasse Kräutertee für 3,20 €

Eine knappe viertel Stunde mussten wir auf die Getränke warten, bei 75 Leuten im vollbesetzten Gasthaus ist das aber ok, da zwischendurch schon die ersten Speisen zu den anderen Tischen gebracht wurden.

Kräutertee radeberger alkoholfrei

Nachdem wir unsere Getränke am Tisch hatten, konnten wir auch unsere Speisen bestellen.

Vorspeise:

·         8x frische Wurstbrühe mit Brot für je 2,90 €

Hauptspeisen:

·         4x Schlachtschüssel mit Grützewurst, Semmelwurst, Wellfleisch, Sauerkraut und Kartoffelpüree für je 14,50 €
·         2x Schlachtschüssel mit Grützewurst, Semmelwurst, Wellfleisch, Sauerkraut und Klößen für je 14,50 €
·         1x Tiegelwurst mit Sauerkraut und Kartoffelpüree für 10,90 €
·         1x Wellfleisch mit Sauerkraut und Klößen für 11,90 €

Nach einer weiteren viertel Stunde waren die Tassen mit der heißen und frischen Wurstbrühe bei uns. Die Wurstbrühe herzhaft, fettig und kräftig mit reichlich Beilage der in der Brühe geplatzten Grütze- und Semmelleberwürste.

frische Wurstbrühe

Ein guter Fleischer lässt einige Würste in der Brühe platzten, ein geiziger Fleischer verkauft die Würste lieber. Dazu gab es in zwei Körbchen frisches Brot vom Bäcker.

frisches Bäckerbrot

Nachdem wir unsere heiße, wohltuende Brühe geschlürft hatten, kamen auch schon unsere Schlachteschüsseln an den Platz. Das waren ja mal ordentliche Portionen. Jeweils eine dicke Grützewurst und eine dicke Semmelleberwurst umrandeten das in der Mitte liegende Wellfleisch, wovon es drei bis vier gut durchwachsene Scheiben gab.

Schlachtschüssel mit Grützewurst, Semmelwurst, Wellfleisch, Sauerkraut und Kartoffelpüree

Die Grützewurst als auch die Semmelwurst waren in ihrer Konsistenz sehr grob und zum Glück nicht so fein gemahlen. Beide Würste sehr herzhaft gewürzt, für unsere beiden Töchter fast schon zu scharf. Die Masse der beiden Würste sah ausgelöst allerdings fast gleich aus, hier fehlt der Grützewurst wahrscheinlich noch ein kleiner Schwapp Blut, welches die ansonsten dunkle Farbe bringt.

Grützewurst und Semmelwurst ausgelöst

Das Wellfleisch war gut gekocht, nicht zu weich, aber auch nicht zu fest. Ein kleiner Streifen Schwarte gehört ans Wellfleisch, dieser war hier auch vorhanden und nicht zu dick. Das Wellfleisch wurde noch mit ausreichend Majoran zünftig gewürzt.

gut gewürztes Wellfleisch

Die Mädels hatten sich das Kartoffelpüree entschieden, welches frisch zubereitet wurde. Das merkte man schon an den vielen kleinen Kartoffelstückchen welche noch im Püree waren. Ich hatte die Klöße, welche nach Aussehen und Konsistenz selbst hergestellt wurden. Ein Salatblatt und einige Scheibchen saurer Gurke ergänzten die beliebte Schlachteschüssel.

Schlachtschüssel mit Grützewurst, Semmelwurst, Wellfleisch, Sauerkraut und Klößen

Zum zusätzlichen würzen, wie sollte es in der Oberlausitz anders sein, eine große Schüssel mit mittelscharfem Bautzner Senf bereit.

der einzig wahre-Bautzner mittelscharfer Senf

Unser Schwiegersohn hatte sich für die Tiegelwurst entschieden. Tiegelwurst ist eigentlich nichts anderes als bereits aus dem Darm ausgelöste Grützewurst. Ich kenne von meiner Oma allerdings das diese dann noch im Tiegel gebraten wird, und daher ihren Namen hat. Hier war sie nur ausgelöst und mit Kartoffelpüree und Sauerkraut angerichtet.

Tiegelwurst mit Sauerkraut und Kartoffelpüree

Unser Kreutzfahrtchefkoch wollte nicht allzu deftig essen, und beschränkte sich daher nur auf das Wellfleisch, welches hier ebenfalls mit hausgemachten Klößen serviert wurde. Auch hier das Wellfleisch rosa zart in der Farbe, viel Fleisch, wenig Schwarte. Die paar Knorpel im Fleisch sind normal und zu verschmerzen.

Wellfleisch mit Sauerkraut und Klößen

Für die Gäste, denen es letztendlich geschmeckt hatte, gab es noch die Möglichkeit all diese Schlachtspezialitäten von hausschlachtener Blut-und Leberwurst, über die Semmel-und Grützwurst bis hin zu frischer Sülze und frischen Hackepeter mit nach Hause zu nehmen. Auch wir machten rege davon Gebrauch, und so gibt es die nächsten Tage weiterhin hausschlachtenes im Hause Jenome.

Unser Fazit: ohne die hausschlachtenen Spezialitäten für zu Hause ließen wir zu acht glatte 162,00 € in der Gaststätte Wätzlich. Eine alte Familientradition wird hier erfolgreich weitergeführt. Und im Gegensatz zum Schützenhaus vor einigen Tagen konzentriert man sich hier für drei Tage voll und ganz auf die hausschlachtenen Spezialitäten und begräbt derweil die andere Karte. Das volle Haus, drei Tage a 4 Durchgänge mit insgesamt 900 Portionen geben dem Team recht alles richtig gemacht zu haben. Gut so. Wir kommen gern wieder. In Fleischerei und Gaststätte. Von uns gibt´s volle Punktzahl.
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


kgsbus und 17 andere finden diese Bewertung hilfreich.

DerBorgfelder und 17 andere finden diese Bewertung gut geschrieben.