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Hier der Bericht vom Endspiel an der Elbe.
Und zugleich eine Premiere: Denn eine Kritik über ein Restaurant, das nach meinem Besuch Insolvenz anmelden musste, hatte ich auch noch nicht. Immerhin wird der Betrieb während der Eigenverwaltung bisher aufrecht erhalten, hoffen wir also das Beste.
Die Anreise per Taxi vom Hauptbahnhof bis ins Villenviertel Weißer Hirsch dauerte reichlich 20 Minuten und wie gewohnt hatte leichter Regen eingesetzt. Das schön renovierte Eckhaus aus der Kaiserzeit beherbergt im Hochparterre Kochschule und Deli, beide am Abend natürlich geschlossen und dunkel sowie die Weinbar, in der ich allerdings auch kaum Gäste ausmachen konnte. Immerhin begrüßte mich recht bald eine charmante junge Dame mit Namen und begleitete mich vom beeindruckenden Entrée des Hauses in die Bel Etage. Im hintersten Winkel plauderte zunächst noch leise ein Pärchen, ansonsten war der Raum menschenleer. Auffällig die schokobraunen Wände mit zurückhaltendem Bildschmuck. Auf dem dunkleren Holzparkett standen bequeme weiße Holzstühle mit Armlehnen und kräftig lilafarbenen Bezügen
Die ebenfalls weiß lackierten Tische waren sparsam eingedeckt. Dazu klang unerklärlich dumpf eine sphärische Gitarre aus dem Lautsprecher. Kein Raum, den man als bald einziger Gast spontan mit Gemütlichkeit, mit einem entspannten Ankommen und Zurücklehnen verbunden hätte. Zwar auch nicht mit Kühle, dagegen wirkten die Farben, die bürgerliche Architektur des mehrfach optisch unterteilten Raumes und der Blick auf den kleinen Platz vor dem Haus. Aber ohne Menschen spürte ich stark die Künstlichkeit der Gestaltung, wie in einem teuren Möbelhaus oder einem Hochglanzmagazin für Innenarchitektur. Sehr ästhetisch, schon. Aber ich denke, dass sich seit der Eröffnung vor 10 Jahren der Publikumsgeschmack gedreht hat, wieder zurück zum Vertrauten, Heimeligen, Sicherheit Gebenden. Vielleicht nicht umsonst waren die Ledersessel im Elements weitgehend besetzt gewesen.
Umso wichtiger natürlich das Personal. Gastgeberin Tina Buchmann, die später den Service übernahm, war freundlich, plauderte auch ein wenig und versah ihren Dienst ohne Fehl und Tadel. Sommelier Shazad Talukder dagegen agierte am Beginn des Abends zwar mit professioneller Höflichkeit, aber deutlich reservierter und war auch über meinen Wunsch nach nicht-alkoholischen Getränken eher enttäuscht. Manches musste ich erfragen oder gar selbst vorschlagen. Ambition sieht anders aus. Aber wer weiß schon, was das Team zu diesem Zeitpunkt vom drei Wochen später gestellten Insolvenzantrag wusste oder ahnte. Ich will auch gerne zugeben, dass es nach dem überaus herzlichen Charme von Ilona Scholl im Tulus Lotrek jeder Service schwer gehabt hätte... Jedenfalls konnte ich meine edle Einsamkeit zu den esoterischen Klängen weidlich ausleben. Hier hätte ich die angebotene Lektüre annehmen sollen. Hatte ich aber nicht und so konnte ich mich den Leistungen der Küche widmen. Der schwäbische Hansdampf Stefan Herrmann war nicht im Haus. In der Küche schwang Marcus Langer das Zepter, der auch kurz an den Tisch kam.
Noch vor den Karten wurde ich mit dreierlei vom Chicorée begrüßt:
Auf dem Probierlöffel gehacktes und confiertes rotes Blatt gemeinsam mit Kumquat, als ebenfalls confierte Frucht, gefüllt mit Gel und mit einem Chip als Deckel
Etwas unausgewogen, weil ja auch die Zwergorange Bitterkeit mitbringt, zudem war der Chip sehr hart geraten.
In einem weißen Chicorée war eine Misomayo angerichtet und einige gelbe Krümel, auf Nachfrage fermentierter Pfeffer
Das war nichts. Die Zichorie wässrig und die Kugeln klebten unangenehm an den Zähnen fest. Wenn das die Normalausführung ist, verstehe ich den Sinn nicht.
Schließlich Süppchen und Schaum von Chicorée und Parmesan
War geschmacklich recht nichts sagend, aber wenigstens fehlerfrei ausgeführt.
Für die Menüauswahl hatte ich mir einen "gemüsigen" Alkoholfreien gewünscht. Natürlich hatte ich an die schöne Mischung im tulus lotrek gedacht. Hier blieben Gurke, Minze, Zitrone und Minze aufgefüllt mit viel Soda recht blass. Aber auf Zuruf ist ein guter alkoholfreier Cocktail, zudem nicht die übliche fruchtige Variante, eben gar nicht so leicht. Daher keine Kritik, aber eben auch kein Pluspunkt.
Auf dem Menüplan "mit" (Fleisch/Fisch) standen
KALB
BRETONISCHE MAKRELE
KÖNIGSKRABBE
(Kein SKREI - Ende März muss doch mal Schluss sein mit Winter-Kabeljau), dafür
VULKANSPARGEL
OCHSENMAULSALAT
MIÉRAL TAUBE
ROHMILCHKÄSE
7 Gänge für 149€. Kein Schnäppchen. Dafür die Getränke günstig. Aperitif 2,5€, Weizenbier (alk.frei) 3,5€, Prisecco von Jörg Geiger 15€/0,375l, aber nur eine von zwei Flaschen berechnet. Leitungswasser for free.
Zunächst grüßte die Küche nochmals:
Zum einen mit gepufftem Buchweizen, Olivenölperlen und Avocadocreme. Serviert auf einem knusprigen Stück Knäckebrot, das als Wippe über einen kleinen Salat gelegt war
Hübsch fürs Auge. Aber nicht am Gaumen: Was süffig klingt, hatte eine undefinierbare, überlagernde Säure. Das Brot war halt ein Knäckebrot, geschmackliche Extravaganzen Fehlanzeige. Mehr schöner Schein als harmonisches Sein.
Da war das Duett von Petersilie schon deutlich gelungener. Öl und Gel vom grünen Blatt, Crême von der Wurzel
Mit etwas knusprig Unerkanntem und anderem kleinen Beiwerk in einer halben Hippe elegant serviert, war ich schon überzeugt. Hier wäre nur noch ein wenig Salz ebenso ein Gewinn gewesen und etwas Säure, denn die angekündigte Fingerlime waren völlig untergetaucht.
Auch die inzwischen mit einer angenehm streichfähigen, eindeutigen Nussbutter auf warmem Schiefer gereichte Brotauswahl
war nicht über Kritik erhaben. Die kleinen Baguettestangen hatten einen zu schweren Teig, der zudem stramm gesalzen war. Viel besser das grobporig-luftige, intensive Kümmelbrot. So geht's. Dass ich Kümmel nicht mag, hatte zwar etwas von "Tragik", war aber beileibe nicht Fehler des Hauses.
Zum ersten Gang gab es einen Prisecco von unreifem Apfel und Eichblättern. Die angenehme Säure hatte wohl durch das Eichenlaub (ohne Schwerter) einen leichten Barrique-Anklang. Interessant, was alles geht!
Mit dem Kalbstartar ließ die Küche endlich den Motor aufheulen. Das genau angemachte handgeschnitte Fleisch versteckte sich optisch fast unter einer ganzen Reihe von sehr guten Tellergenossen
von denen der Perigordtrüffel (eingelegt gehobelt und als Crême) nicht wie im Caroussel unangenehm hervorstach. Mehrere Beten und sehr kreativ mal Pistazie (Nuss, Crême, Sand) funktionierten und kleine Würfel der roten Knolle in einer Gelperle waren auch handwerklich erste Sahne. Eine tolle Überraschung waren zudem Chips von der Kälberhaut. So sollte es weiter gehen!
Und ging es auch.
Die gebeizte Makrele war auf der Hautseite leicht geflämmt, fleischig und traumhaft zart
Best ever. Ganz regional wurde dazu die bretonische Roskoffsauce angegossen. Ob das ergänzende Kräuteröl nun wirklich per Pipette dazu gegeben werden muss? Macht jedenfalls hübsche Punkte in die Sauce und gepasst hat es auch. Ebenso wie die erfrischende Spitze von Zitrone und schließlich die Süßkartoffel, die das Fett stimmig einband. Und auch hier noch eine Reihe weiterer Zutaten, die teils geschmacklich, teils mit ihrer Textur diesen opulenten Teller perfektionierten.
Das folgende Krebsfleisch war qualitativ tadellos
Die Stücke waren fest im Biss und ein Tatar mit Saiblingskaviar und Holunderblüten-Gel sehr ausgewogen mit feiner Frucht. Die am Tisch angereichte Holundervinaigrette konnte nichts daran ändern, dass ich mit den Radieschen und dem halben Eiszapfen wenig anfangen konnte. Zu nature, zu fest, irritierend die säuerliche Note zum nussigen Eismeerbewohner. Crême und Chip von dunklem Sauerteigbrot schmeckten besser, ließen mich aber ein wenig rätseln: Sollte das eine Variation eines Krabbenbrots sein? Nicht ganz das exzellente Niveau der beiden vorherigen Gänge.
Es folgte der eingetauschte vegetarische Gang. Kein Fehler!
Puntarelle kombiniert mit Variationen vom Champignon(!) und Mimolette. Das bestellte Weißbier passte hervorragend. Die leicht bitteren Spitzen und aufgeschnittenen Stangen waren mit einer Pilzcrême gefüllt. Zusätzlich kamen die Champignons auch roh, angebraten und als interessante Sülze auf den Teller. Wie häufig bei vegetarischen Komponenten musste man aufmerksam sein und wurde dann von den Nuancen überrascht. Von dem typisch orangen Käse gäbe es ausgestrichenen, gebackenen Bruch sowie eine recht flüssige, am Tisch aufgegossene Sauce, die alle Zutaten harmonisierte. Stimmiger Teller. Der Vulkanspargel hielt, was ich mir erhofft hatte.
Nur die Präsentation der Sülze gefiel mir gar nicht, die Assoziation eines Regenwurms war einfach übermächtig.
Als nächstes kam ein Klassiker aus der Heimat des Chefs in einem schönen neuen Gewand
Das Ochsenmaul wurde nicht blättrig, sondern stückig geschnitten serviert. Noch leicht warm mit Brunoises von Karotte und rosa Roskoff-Zwiebeln in einer Krone von Zwiebelabschnitten. Abgedeckt mit einem Tapiokachip, in dem Senfsaat eingebacken war. Zusätzlich wurde eine leichte Senfcrême und eine separate Senfpraline gereicht, jeweils mit kleinen Zwiebeln. Feine Säure, die dem zarten Fleisch Raum ließ und angenehme Schärfe. Die Zwiebeln süßlich, auf den Punkt gegart und zusätzlich angeröstet. Der Chip knusprig, ohne zu hart zu sein. Da stimmte alles.
Eine Erfrischung wurde nicht angeboten.
Nach einer kleinen Pause
ging es daher mit der Bresse-Taube aus dem Hause Miéral weiter, die in zwei Durchgängen erfreute.
Zur Taubenbrust
erhielt ich ein scharfes Messer
Fleisch wie Werkzeug um Längen besser als im Elements. Die (überwiegend) zarte Haut ließ sich problemlos schneiden, das Fleisch der zwei klassisch geschnittenen Tranchen war saftig und von angenehmer Textur. Couscous mit ganzen Kichererbsen, Lakritzsauce und Spitzkohl in verschiedenen Varianten schafften höchst interessante geschmackliche Kombinationen, auf die mit Granatapfel fruchtig-säuerliche Highlights gesetzt wurden. Die etwas klebrige Platte überzeugte am wenigsten, die kleine Kohlroulade mit Taubenfleischtatar am meisten.
Kümmel und eine rote Gewürzmischung, die eher an Curry als an Ras-el-hanout erinnerte, vervollständigten den gelungenen Ausflug in den Orient.
Als zweiter Teller ein süffiger Sud von der Taube
Ein Raviolo war mit Herz und Leber gefüllt.
Dazu Spitzkohl nach Art eines Sauerkrauts mit kleinen Fleischstückchen. Der Winter wurde standesgemäß verabschiedet!
Die Küche wartete dann noch mit einem ungewohnten Anblick auf, als ein Taubenbein im Ganzen
also von Schenkel bis Kralle auf den Teller kam. Wohl gebacken und lakritzig-süß lackiert jedenfalls ein Genuss für den Gaumen. Dazu ein Klecks Hummus.
Auch die Prisecco Kirsche-Paprika-Rote Bete von Geiger hat sehr gut gepasst.
Das war ein Fleischgang, der mir großen Spaß gemacht hat!
Zum Abschluss standen Rohmilchkäse aus Sachsen zur Auswahl. Regionalität ist löblich und sollte - mit Augenmaß - unterstützt werden. Daher nur die Feststellung, dass die Franzosen in Sachen Käse noch lange unerreicht bleiben werden (in der Breite, Ausnahmen bestätigen die Regel). Ich wählte fünf Sorten
drei von der Ziege, die übrigen aus Kuhmilch. Die kräftigen Exemplare gefielen, die milden drifteten in Belanglosigkeit ab.
Was auch deshalb auffiel, weil sowohl das Früchtebrot eine gute Qualität zeigte, als auch die Fruchtzubereitungen Brombeere/Whiskey/Birne und Rosmarin/Feige/Pekannuss.
Das war's denn. Auf süße Rausschmeißer musste ich verzichten.
Es war ein schwieriger Abend in Dresdens Nobelviertel.
Die Küche im bean&beluga kann was. Wirklich was, das war an einigen Gängen deutlich zu erkennen. Aber sicher auch mehr, als sie an diesem Abend auf anderen Tellern zeigte.
Obwohl lange letzter Gast, hielt mich wenig am Ort des Geschehens. Das Personal hatte mit sich selbst zu tun. Das Angebot, ein Taxi zu rufen, nahm ich gerne an. Auf Begleitung aus dem Obergeschoss zur Türe verzichtete ich. So konnte ich nochmals durch die gleichsam im Dornröschenschlaf liegenden Räume wandeln.
Hoffen wir, dass die Dornenhecke wirtschaftlicher Probleme durchschlagen wird und viele gut gelaunte Gäste die Villa wieder in ein Schloss rauschender Gourmetfeste verwandeln.