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Nicht ohne Grund treffen wir Mannsbilder uns im Walsumer Hof, bewirtet hier doch der Nachfolger einer Gastronomen-Dynastie mit Herzlichkeit und bodenständigen, aber auch ausgefallen Muschel- und Fischgerichten seine Gäste. Matthias Langhoff heißt der Wirt, der seine Gäste – wie auch uns wieder dieses Mal – stets im Pütt-Hemd, dem friesischen Fischerhemd sehr ähnlich, mit einem "Moin" und Handschlag begrüßt. Nicht nur begrüßt, sondern auch verabschiedet. Überregional ist er nach einer Reportage der WAZ vom 18. August 2011 als "Asterix vom Niederrhein" bekannt. Das hat Gründe.
Das Ambiente ****
Der Walsumer Hof, ein zweistöckiges weiß-bräunliches Bürgerhaus trotzt wie ein Fels in der Meeresbrandung den umstehenden gigantischen Industriebauten. Die sind im Laufe der Jahre, besonders in der ersten Dekade dieses Jahrhunderts dem Walsumer Hof bedrohlich nahe auf die Pelle gerückt.
Das Walsumer Oberdorf, von dem der Walsumer Hof ein letzter trotzender Rest ist, wurde mit dem Niedergang der Zeche Walsum und der zeitgleichen Erweiterung des existierenden Kohlekraftwerkes durch die Steinkohlen-Elektrizität AG (Steag) dem Boden gleichgemacht. Ein riesiger Kühlturm wuchs aus dem plattgemachten Dorf in den Himmel, 181 Meter hoch, vom Walsumer Hof einen Steinwurf entfernt.
Die Geschichte um die Erweiterung des Walsumer Kohlekraftwerkes ging damals durch die Presse. Von undichten Schweißnähten, von Undichtigkeiten im Verdampferteil des Kessels berichtete die WAZ im Mai 2011. Maßgeblich in der Verantwortung für die Ver- und Bearbeitung des verwendeten Spezialstahls war der japanische Konzern Hitachi. Diesen Namen muß man sich jetzt merken, denn er spielt auf der Speisekarte des Walsumer Hofs eine Rolle.
So wie der Walsumer Hof verloren in der Industrielandschaft steht, nannte ihn Spiegel-Online in einem Bericht vom August 2011 "einen der bizarresten Orte der Republik". Und tatsächlich: Als Gast, der sich dem Eingang des Walsumer Hofs nähert, fühlt man sich in eine Fotomontage versetzt, bei der die falsche Hintergrundkulisse aufgebaut worden ist.
Im Innern des Restaurants mit mehreren Gasträumen sind die Industriemonster endlich aus dem Sichtfeld verschwunden. Jetzt fühlt man sich in einer Hafengaststätte, Fischernetze an der Decke, ein gewaltiges Steuerrad und alte Schiffslampen von der Decke hängend, geschmackvoll eingedeckte Tische mit umstehenden braunen, rustikalen Stühlen, Schwarz-Weiß-Bilder, die Erinnerungen an längst vergangene Zeiten festhalten, an den Wänden, Schiffchen und Hafenkneipen-Accessoires auf braunen Anrichten. Hier sitzt man gemütlich und heimelig.
So gemütlich das Restaurant im Innern wirkt, so bizarr ist die äußere Umgebung, in der es übrigens an Parkplätzen nicht mangelt. Einen Biergarten gibt es auch noch neben dem Haus. Der davidsche Walsumer Hof und seine goliathschen Industrietürme geben eine Kulisse, die das äußere Ambiente schon wieder sehenswert machen. Deshalb lasse ich die vier Sterne für das Ambiente im Innern des Gasthofs auch für die äußere Umgebung gelten.
Der Service *****
Wir sind zu acht Mannsbildern und haben bereits im Frühjahr reserviert, um am 9. Oktober in der ersten Essensschicht von 18.00 h bis 20.00 h einen Tisch zu erhalten. Ja, es wird zumindest für größere Gruppen in zwei Schichten gegessen, die erste bis 20.00 h, die zweite ab 20.00 h bis Schließung. Eine Reservierung empfiehlt sich für einen Besuch während der "Muschelmonate" auf jeden Fall.
Kaum haben wir Platz genommen, werden wir von einem jungen Mann mit den "Walsumer Hofnachrichten", einer nachempfundenen Zeitung mit Geschichten über den Walsumer Hof und einer Auflistung der angebotenen Speisen versorgt. Es ist ein Ritual, daß der Gast mit der Speisekarte nicht alleingelassen wird, sondern daß eine Servicekraft zusätzlich angebotene Tagesgerichte mit außergewöhnlicher Präzision und ruhrpöttischen Humor deklamiert. Da fallen auch Sätze wie "Wir haben da noch Muscheln, die weg müssen" oder "Wir haben da noch alten Fisch", die Verständnis für die Ruhrpott-Mentalität verlangen.
Der junge Mann wird im Laufe des Abends von einer jungen Dame unterstützt. Beide machen einen guten Job, sind jovial und aufmerksam. Sie fragen, ob das Essen schmecke, und lassen keinen Zweifel daran, daß sie für die Servicearbeit bestens trainiert sind.
So nimmt die junge Dame unverzüglich unsere ersten Getränke auf. Was wird schon in einer Männerrunde in Duisburg-Walsum getrunken? Klar, Köpi! Für die Ruhrpottfernen: König-Pilsener, das auch meine Essensbegleitung sein soll.
Der Service verdient voll und ganz seine fünf Sterne. Wir haben uns sehr gut versorgt gefühlt.
Das Essen *****
Kaum hat die junge Servicedame unsere Getränke aufgenommen, stehen sie auch schon auf dem Tisch. Wir haben derweil die "Walsumer Hofnachrichten" studiert.
Angeboten werden vorwiegend Fischgerichte, Geräuchertes aus dem hauseigenen Rauch wie geräucherte Heringsfilets, geräucherte Blaufelchen oder eine Portion geräucherten Flußaal, alles mit Bratkartoffeln und Salat. Mit Röstkartoffeln und Salat werden auch Schollenfilets, Wels-, Zander- und Nilbarschfilets angeboten. Unter der Überschrift "Bergmanns Austern" gibt es eine Reihe von Muschelgerichten. Und zu den "Spezialitäten à la carte" zählen beispielsweise "Heringe in der Pfanne gebraten" oder Butterfisch-, Heilbutt- oder Seeteufelfilets. Einige wenige Fleischgerichte, Schnitzel und Rumpsteaks, werden auch angeboten.
Die meisten aus unserer Runde brauchen die "Walsumer Hofnachrichten" überhaupt nicht zu lesen, um ihre Wahl zu treffen. Für sie wie auch für mich steht ohnehin fest:
– Muscheln “Rheinische Art” bis der Arzt kommt! mit Schwarzbrot zu 20,95 €.
Das ist die Muschel-Flatrate des Hauses. Gute Esser unter uns haben es in der Vergangenheit auf fünf gutgefüllte Muschelteller gebracht. Voriges Jahr habe ich die auch vertilgt, war aber auch zwei Tage satt von dem Meeresgetier. Dieses Mal waren es vier Teller, aber danach ging auch nichts mehr. Aber der Reihe nach.
Einige wenige aus unserer Runde bestellen Fischgerichte, die ich mir nicht gemerkt habe und somit darüber nichts Näheres berichten kann.
Unsere Bestellungen sind mittlerweile in den elektronischen Butler unseres jungen Servicemanns getippt, als auch schon kurze Zeit später der Gruß aus der Küche wie am Fließband auf unserem Tisch landet. Die Servicekräfte servieren auf einstöckigen Etageren Teller mit Muscheln, Muscheln nach rheinischer Art und (Achtung!) "Muscheln Hitachi". Die Hitachi-Muscheln sind teuflisch scharf. Rote Chilischotenscheiben und Sambal Oelek dominieren den knoblauchlastigen Sud. Hitachi, da war doch was!
Kleine Schälchen mit sauer eingelegten Gurken und Zwiebeln komplettieren den ohnehin schon großzügigen Gruß aus der Küche. Das sauer Eingelegte schmeckt ausgezeichnet, feine Würze und angenehme Säure.
Es dauert nicht lange, bis uns die Servicedame und der Herr die Salate zu den Fischgerichten und Schwarzbrotschnitten für die Muschelgerichte bringen. Wie die anderen Muschelesser bestelle ich auf die Nachfrage des Services hin, ob es Muscheln nach rheinischer Art oder nach Hitachi-Art sein sollen, Muscheln nach rheinischer Art.
Die kommen dann auch schnell, heiß und dampfend und abgedeckt von zwei umgekehrten, übereinandergelegten Tellern für die Schalen.
Die Muscheln sind einwandfrei zubereitet. Der typisch rheinische Sud mit Gemüsen wie Möhren, Lauch, Sellerie, Zwiebeln und Ähnlichem ist bestens mit Salz und Pfeffer gewürzt, so daß der Pfeffer für eine angenehme, weil mittlere Schärfe sorgt. Nur ein oder zwei Muscheln sind auf diesem und den folgenden Tellern nicht geöffnet, so daß man sie besser auf den Abfallschalenteller legt. Und bei allenfalls einer oder zwei merkt man noch Spuren vom sandigen Untergrund der Muschelzucht. Bestens zu den Muscheln passen die gebutterten Schwarzbrotschnitten, frisches Schwarzbrot, die Scheiben zusammengeklappt und Butter dazwischen.
Nach drei Tellern Muscheln nach rheinischer Art habe ich mich als "Nachtisch" für einen Teller "Hitachi-Muscheln" entschieden. Auch hier die gewohnte Muschelqualität, aber ein deutlicher Unterschied im Sud. Rote Pepperoni-Scheibchen drängeln sich im Sud, verleihen eine Schärfe mit Nachbrenneffekt. Kurkuma und Sambal Oelek meine ich aufgrund der Schärfe und Farbe des Suds auch zu identifizieren. Diese Hitachi-Muscheln haben es tatsächlich vom Schärfegrad her in sich, selbst mir, der ich an hohe Scoville-Werte gewohnt bin, fällt die Schärfe merkbar auf.
Nach soviel verinnerlichtem, eiweißhaltigem Muskelfleisch darf ein Digestivum nicht fehlen. Es soll diesmal eine typisch niederrheinische Spezialität sein, ein Fisternölleken. Das ist kein geheimes Liebesverhältnis, so wie Kölner das Fisternöllchen verstehen, sondern ein Kornbrand mit einem Stück Würfelzucker. Zucker im Klaren? Ich habe nicht nur einen genommen, sondern zwei: Das schmeckt!
Der Arzt muß dann letztlich doch nicht kommen. Nach vier gutgefüllten Tellern mit Muscheln ist bei allen Mannsbildern und auch bei mir Schluß. Zufrieden sind die Muschelesser alle wie auch die Fischesser. Zufrieden, ja sehr zufrieden bin auch ich, wie auch in den Vorjahren. Für die Muschelgerichte bekommt der Walsumer Hof von mir fünf Sterne.
Die Sauberkeit ****
An der Sauberkeit habe ich nichts zu bemängeln. Man sieht den Toilettenräumen die Jahre an, aber sauber sind sie. Auch an der Sauberkeit im Gastraum und auf den Tischen habe ich nichts auszusetzen. Vier Sterne sind angebracht.
Das Preis-/Leistungsverhältnis ****
Nehme ich mein Muschelgericht zum Maßstab, so ergibt sich natürlich ein ausgezeichnetes Preis-/Leistungsverhältnis, denn in welchem Restaurant gibt es schon vier Teller lecker zubereitete Muscheln für zusammen knapp 21.- Euro, kostet doch schon eine Portion so um die 15.- Euro. Der Haken bei dieser Art der Betrachtung ist natürlich, daß der Gast, je mehr er ißt, das Preisleistungsverhältnis günstiger werden lassen kann. Deshalb will ich nicht nur meine Muschel-Flatrate zum Maßstab nehmen, sondern beziehe auch die Fischgerichte ein, die von anderen in unserer Runde verzehrt wurden. "Gut", "kannste nix gegen sagen", "lecker" höre ich aus deren Mündern. Mir scheint angesichts der Preise für die Gerichte, die an unserem Tisch verzehrt wurden, ein "gut" für das Preis-/Leistungsverhältnis angebracht zu sein.
Das Fazit ****/*****
Eins steht fest wie das Amen in der Kirche: Unsere Männerrunde geht wieder in das gallische Dorf, das von Asterix, dem Wirt, gegen die angreifenden Industriegiganten verteidigt wird. Im nächsten Frühjahr wird der Termin für den Herbst 2016 gemacht. Also viereinhalb Sterne als Fazit und nach "Küchenreise" mindestens ein "Gerne wieder!".