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5 Städte - 4 Abendessen - 3 Teams
Am zweiten Abend wollte ich eigentlich eine Pause vom Schlemmen einlegen, aber gegen 19.30 Uhr meldete sich doch der kleine Hunger. Die Schwanthaler Höhe war nicht weit und eine Kleinigkeit beim Franzosen wäre doch nice. Fast schon auf dem Weg zum Marais Soir erinnerte ich mich, dass mir letztens ein französisches Bistro ganz in der Nähe aufgefallen war. Auf meinen Telefonanruf bestätigte ein dem Akzent nach ganz offenbarer Gallier sympathisch, dass ein freier Tisch kein Problem wäre und 15 Minuten später betrat ich als one-man-team über eine kleine Stufe das freundlich erleuchtete Lokal.
Der Raum wird durch die mittige, offene Küche dominiert und geteilt. Die derzeit beliebten großen „nackten Glühlampen“ zeigen, dass die Eröffnung erst ein gutes Jahr zurück liegt. Linker Hand ein größerer Teil mit schwarzem Holzmobiliar vor den Fenstern und der Wand, an der eine grünen Urwaldtapete prangt. Alles ein wenig dunkel, aber gemütlich. Hier geht’s zu den modernen und sauberen Toiletten, an deren Details
erkennbar ist, dass ein Franzose das Zepter schwingt.
Rechts der Theke dagegen bewusst einfaches Ambiente. Unverputzte Wände, einfaches Bistrogestühl. Nur am Tresen Hochstühle mit lila Samtbezug. Hier geht es zum Hinterhof, den mir der Chef später am Abend zeigte. Mit der anrührend altmodischen Lichterkette und der zumindest derzeit noch offenen Ziegelwand des Nachbarhauses bei gutem Wetter ein wunderbarer Ort für lange Sommerabende mit viel Pariser Charme!
Eine junge Dame begrüßte mich und ließ mir die Wahl unter den freien Tischen. Dass ich um den Platz an der Theke bat, quittierte sie zögernd, aber doch zustimmend. Schon klar, hier ist der Rückzugsort für ein kleines Päuschen, wie Zigaretten und allerlei Krimskrams zeigten. Aber der Blick in die Küche war einfach zu verlockend
Die Gute war nicht lange verstimmt und erledigte ihre Aufgaben freundlich und ohne Fehler. Hier ist Bistro angesagt, es geht halt lockerer zu. Später machte ich ihr sowieso kaum noch Arbeit, nachdem sich der Chef zu mir an den Tresen gesetzt hatte. Ab da wurde es ein toller Abend mit Gesprächen über Küchenphilosophien, die bürokratischen Schwierigkeiten der Gastronomie und das Leben im Allgemeinen. Ansonsten schauten wir Ansgar dem Koch bei der Arbeit zu, der sich von Zeit zu Zeit auch am Gespräch beteiligte. Nur ein, zwei Flaschen Rotwein haben gefehlt. Aber so kann ich mich wenigstens ohne Notizen noch ans Essen erinnern. Hat eben alles sein Gutes. Denke ich mal.
Aus der Speisekarte, die ganz shabby als zerknüllte Papierkugel an den Platz kam, suchte ich mir - teils auf Empfehlung des wunderbar in zwei Sprachen plus Mimik und Gestik parlierenden Pariser Chefs - nach und nach ein paar Kleinigkeiten aus:
4 Austern No.2 Granatapfel Kaffir
Saiblingscarpaccio Melonenrettich Salat Gurken Wasabi
Foie Gras Terrine Butterbrioche Schalottenconfit
Kalbsnieren Salbei Calvadossauce (kleine Portion)
Französische Käsevariation
Etwas laissez-faire weist die Rechnung ein Menü mit Fleisch und drei Einzelpositionen „Küche“ aus, in Summe 72€. Transparent geht anders, aber in der Summe passt das.
Schon die Komponenten der gewählten Gerichte zeigen, dass hier auf klassischer Basis eine verfeinerte, moderne Bistroküche angeboten wird.
Für die Wartezeit gab es ein knuspriges Bäckerbrötchen. Aus einer Schublade wurde eine Rolle französische Butter hervor gezaubert, eine dicke Scheibe abgeschnitten und mit etwas Meersalz bestreut
Schlicht, aber nicht schlecht.
Mangels Wein ließ ich es beim Wasser richtig krachen. Aber lest selbst und seid angemessen beeindruck
Hat ganz gut geschmeckt, irgendwie...klar! (4,5€/0,5l).
Die Austern waren aufwändiger
Natürlich frisch geöffnet und das Wasser abgegossen wurden sie mit etwas Sojasauce bestrichen und im Ofen leicht erwärmt. Dann Granatapfelkerne dazu, um die Salzigkeit einzubinden. Zum Schluss noch etwas Koriandergrün. Statt Extrateller drapiert auf zerknülltem Pergamentpapier. Eine kreative, durchdachte Kombination, die etwas an den Umständen litt. Mir blieb es zu salzig und von Kaffirlimette war nichts zu schmecken. Ganz anders, als ich aus dem angesetzten Glas ein Löffelchen probieren durfte. Viel dickflüssiger und ein klares Aroma. Das Rätsels Lösung: Die Austern hatten beim Erwärmen nochmals Flüssigkeit abgesondert, so dass die Sauce verwässerte. Für mich schade und der Koch ärgerte sich, das nicht bedacht zu haben.
Weiter ging es mit dem aufgeschnittenen Saibling, der so intensiv orange war, dass ich eher auf Lachsforelle getippt hätte
Soll aber an der Menge des carotinhaltigen Winterfutters in der Zucht liegen. In der selben Lieferung sei auch ein deutlich blasseres Exemplar gewesen. Hier war es die tatsächliche Süße des mir völlig unbekannten Melonenrettichs, die gut mit dem leicht salzigen Fisch harmonierte. Gurken-Wasabi-Crême brachte „grüne“ Frische und leichte Schärfe. Ein gelungener, leichter Gang.
Die selbst gemachte Gänseleberpastete war da schon ein anderes Kaliber. Nicht nur von der Portionsgröße
Einerseits cremig, aber auch noch mit Fasern der Leber. Angenehme Fettnote. Auf die frisch geröstete warme Brioche (dieser Duft!) und dazu etwas Rotweinzwiebel. Hmmmm...
Da ich ja eigentlich nur für ein paar Kleinigkeiten kam, bat ich als Hauptgang um eine kleine Portion der Nieren.
Der Teller war der schwächste. Die Röschen wurden frisch von der Niere geschnitten und exakt gebraten. Sehr zart. Leider aber nicht gewässert oder eingelegt. So hatte eines (leicht!) den penetranten Dung-Geschmack von Innereien. Die anderen davon frei. Zudem kam die begleitende kräftige Calvadossauce mit viel Salbei recht kühl auf den Tisch, warum auch immer. Nur das Ratatouille u.a. mit kleinen Oliven hatte Biss und eine volle Ladung von Mittelmeerkräutern. Licht und Schatten.
So sollte der Abend kulinarisch nicht enden!
Also noch ein wenig Käse
Gute Entscheidung. Aus der Kühlung, aber den Teller angewärmt und nach dem Anrichten noch ganz kurz unter die Wärmelampe. Eine Aprikosenmarmelade ein paar Blüten und Senf mit roten Feigen. Ich war versöhnt!
Aber dem ungemein quirligen, temperamentvollen und sympathischen Chef Loic Cantegrel
kann man sowieso einiges nachsehen. Ich hatte einen genussvollen Abend, an dem ich viel über Gastronomie und Kulinarik erfahren habe. Und für mich ist auch klar, wo die nächste Betriebsveranstaltung in München enden wird. Meine Kolleginnen sind jedenfalls schon très intéressé!