Wir verwenden Cookies
Wenn Sie unsere Webseiten besuchen, kann Ihre Systemsoftware Informationen in Form von Cookies oder anderen Technologien von uns und unseren Partnern abrufen oder speichern, um z.B. die gewünschte Funktion der Website zu gewährleisten.
Da ich kein Freund langer Autofahrten mehr bin und ich zudem meinen Genusskollegen aus Solingen (und natürlich auch dessen bessere Hälfte) mal wiedersehen wollte, war der Plan, in der Klingenstadt für eine Nacht Station zu machen. Unsere feudale Unterkunft im Ortsteil Höhscheid lag nur knappe 15 Gehminuten vom Chateau Shaneymac entfernt.
Ein Umstand, der mich zu später Stunde nach einem vinophilen Ausflug in die Ersten Lagen des Rheingaus – jaja der alte Hochheimer Domdechant musste weg – per pedes zurück in die Fritz-Reuter-Straße schickte. Vor dem Weintrinken stand noch ein magenfüllendes Vorprogramm an, über das ich besonders gerne berichte, da es mich in die gastronomische Kinderstube des mittlerweile nur noch semi-jugendlichen Macsters führte.
Natürlich verfolgte der gewiefte Kulinarakrobat mit seiner Wahl des Restaurants einen schwer zu durchschauenden, gastronomischen Plan, dessen Grundgedanke sich mir spätestens beim dort servierten Antipasti-Gewitter erschloss bzw. meinen Magen verschloss. Und zwar so sehr, dass ich nach der Hälfte meiner Pizza kapitulierend die Serviette streichen musste.
Gut, dass die beiden sympathischen Betreiber des Lokals, Giuseppe und Angela Bellanova – abgesehen von meiner restlichen, in Karton eingepackten Pizza to go – keine „nachtragenden“ Gastwirte waren. Sonst wäre am Ende wohl noch Schimpf und Schande über das Haupt des völlig übersättigten Pfälzers gegossen worden.
Wie es zu dieser peinlichen Ausnahmesituation kommen konnte, erzählt euch nun die folgende kleine Geschichte.
Es war ein angenehm warmer Mittwochabend, an dem wir als Zweier-Kolonne den Eckitaliener in der Kleinen Straße ansteuerten. Häuptling „Bulliger SUV“ fuhr mit seiner Madame vorneweg, der Pfälzer Silberpfeil hing wie einst Mario Andretti an seinem breitbereiften Vordermann. Der Mac kannte natürlich das Areal rund um den unscheinbaren Ort seiner kulinarischen Sozialisierung wie seine Westentasche, was uns einen Parkplatz um die Ecke zwischen AWO-Kita und Fahrschule Müller bescherte.
Immer diese aufdringlichen Türsteher, die einen gleich ins Restaurant reinzerren....
Natürlich begrüßte man die beiden Stammgäste wie alte Freunde. Aber auch die Pfälzer Gastklientel hieß man freundlich willkommen. Unser Tisch wartete da bereits im hinteren Bereich des zweigeteilten Gastraums auf uns. Bereits bei unserer Ankunft war ordentlich was los beim guten Giuseppe und bald war sein Ristorante bis auf den letzten Platz belegt. Gut, dass Shaneymac im Vorfeld reserviert hatte, denn für einen unangemeldeten Spontanbesuch erschien mir der Laden nicht nur zu klein, sondern in erster Linie viel zu beliebt zu sein.
Ein Kinderstuhl fürs Töchterchen wurde gleich herbeigeschafft. Auch die Speisenlektüren ließen nicht lange auf sich warten. Das Interieur sagte mir zu, obwohl ich ja schon ein wenig das Neonlicht und die kickende Serie A auf dem Fernseher an der Wand vermisste. Auch die rotweiß karierten Tischdecken, die Madonnenbildchen und die Vereinswimpel von US Lecce oder SSC Neapel (bloß nicht Juve!) schien man kurz vor unserem Eintreten schnell beiseite geräumt zu haben. Der knallharte Ruf des Solinger Gastro-Paten hatte sich anscheinend bis ins Parterre der hiesigen, familiengeführten Traditionsgastronomie herumgesprochen.
Die beiden „Dauerbellanover“ sparten sich natürlich den Blick in die von Pastaklassikern und mutig belegten Pizzen kündende Karte. Sie wussten längst, was hier geordert werden musste und ließen auch bei der gemischten Vorspeisenplatte (für eine Person wohlgemerkt!) nicht mit sich reden. Watt mutt dat mutt. Natürlich fragte ich mich, wieso wir uns zu viert ein für den Einzelesser bestimmtes Antipasti Misto (15 Euro) als Vorspeise teilen wollten, aber nun gut.
Ich ordnete mich als Bellanova-Neuling kleinlaut unter und bestellte dafür wenigstens eine große Pizza Frutti di Mare (12 Euro) zum Hauptgang. Satt wollte ich schon werden und so eine Rückreise macht ja bekanntermaßen hungrig. Meine Gattin blieb dagegen ihrer Pasta-Linie treu, indem sie sich für die Rigatoni „Bomba“ (9 Euro) entschied.
Auch das – wie sich bald herausstellen sollte – mit ordentlich viel Rucola und Parmesankäse verzierte Rindercarpaccio „Emiliana“ (11 Euro) wurde kurzerhand in den Vorspeisenkanon mitaufgenommen. Die beiden Solinger „Partners in Teig“ lechzten förmlich nach zwei kleinen Ausgaben ihrer ach so geliebten Pizza „Scampi“ (8 Euro), die sie hier mit Sicherheit schon hundert Mal zusammen verputzt haben. Alte Liebe rostet eben genauso wenig wie Tomaten-Sahne-Sauce auf der Pizza.
Bald darauf bevölkerten diverse Kaltgetränke unseren in schlichtes weißes Leinen gehüllten Tisch. Für die Flasche San Pellegrino mussten immerhin 6 Euro entrichtet werden. Die kleine Apfelschorle schlug mit unauffälligen 2,50 Euro zu Buche. Der Campari Orange wurde gar mit günstigen 3,50 Euro berechnet, während sich die perlende Rotweinlimo namens Lambrusco mit ihren 6 Euro für das Viertel wieder mehr dem städtischen Preisgefüge anpasste.
Die herzliche Chefin spendierte vorweg einen Teller mit Bruschetta. Was ein wenig Basilikum, Knoblauch und eine Prise Salz bei schnöden, aber durchaus fruchtigen Tomatenstücken bewirken, wenn sie auf angerösteten, mit etwas Olivenöl beträufelten Weißbrotscheiben liegen, davon konnten wir uns reihum überzeugen.
Bruschetta als Küchengruß
Ein wirklich feiner Appetizer, bei dem die Schwierigkeit einzig und allein darin bestand, die saftig belegten Knusperbrote ohne Auflageverlust gen Mund zu führen.
Was dann folgte habe ich als bekennender Vorspeisender selten, wenn nicht sogar noch nie erlebt. Die angeblich für eine Person gedachte Portion entpuppte sich als pittoresker „Antipastral-Regen“, der da tellerweise auf uns niederprasselte. Schön marmorierter, um ein wenig Caprese auf dem Porzellan ergänzter Parmaschinken eröffnete die plötzlich über uns hereinbrechende Entrée-Lawine.
Fahr ma nach Parma?
Der Schinken konnte was, während sich der Mozzarella in geschmacklicher Zurückhaltung übte. Aber so kennen wir ihn ja, den sanften Weißen, dessen Textur verriet, dass er nicht „von die Buffel“ stammte. Egal, hätte ich beim abgerufenen Preis auch nie und nimmer vermutet.
Parmaschinken (hinten), Caprese (vorn)...kann man so essen!
Latent übersoßtes Vitello tonnato und ein leuchtend rotes Rindercaparccio mit reichlich Rucola-Gestrüpp und Parmesanspänen folgten prompt.
Mein Antipasti-Highlight: das Carpaccio
Mein Nachbar war mit dem Vitello nur halbzufrieden. Anscheinend hatte er die dünn aufgeschnittenen Scheiben von der Kalbsnuss hier schon saftiger erlebt.
Auch der Soßensee konnte das trockene Kalbfleisch nicht kaschieren...
Ich selbst mache mir wenig aus dieser Fleisch-Fisch-Kombi. Hab wahrscheinlich nie so richtig verstanden, was der Italiener damit bezwecken möchte.
Auch eine generös bemessene Ladung kurz zuvor in der Pfanne sautierter Champignons, die meiner Meinung nach etwas zu salzig ausfielen, fand den Weg in unsere Tischmitte.
Sautierte Champignons (hart am persönlichenSalzlimit)
Ganz zu schweigen von dem noch vor Hitze zischenden Gemüse-Gratin, das kurz vorher den Ofen verlassen hatte. Letzteres sehr zur Freude meiner Gattin, die sich mit Enthusiasmus daran delektierte.
Gratinierte Aubergine, Zucchini und Tomate
Wir schlugen zu und wir schlugen uns gar nicht mal schlecht. Wer da glaubte, dass – aufgrund seines lächerlichen Preises und der üppig bemessenen Portion(en) – dieses bunte Vorspeisentreiben von geringer Qualität zeugte, irrte gewaltig. Vom Preis-Genuss-Verhältnis war das Gebotene schlichtweg unschlagbar. Und in seiner Vielfalt geradezu sensationell.
Die dazu genossenen, noch leicht warmen Pizzabrötchen stießen in unserer geselligen Runde auf offene Münder.
Warme Pizzabälle gehen immer!
Dem zusätzlich georderten Rindercarpaccio hätte es gar nicht bedurft, um mehr als nur leicht gesättigt in den Hauptgang zu schalten. Aber das italienische Nationalfarbengericht machte seine Sache derart gut, dass ich mich über den Nachschlag freute.
Gelungenes Beispiel aus der Kategorie: "Kalte Nationalfarbenküche"
Rindercarpaccio kann es nie genug geben!
Man gönnte uns vor dem Eintreffen der Hauptgerichte eine kleine, dringend notwendige Verschnaufpause. Doch dann schlug die Stunde der Rundbackwaren.
Pizza Scampi - eine berühmte Solinger Teigfladenspezialität
Während sich mein Nebenmann diebisch über sein kleines rundes Etwas aus Hefeteig, Käse, Tomaten-Sahne-Sauce und „falschen“ Scampi freute, vermisste ich zunächst etwas verwundert die Meeresfrüchte auf meiner Frutti-Di-Mare-Pizza.
Wo sind die Frutti auf meiner Pizza "Mare"?
Bei genauerer Betrachtung meiner vom Backblech geformten Meeresscheibe fand ich diese unter einem leicht gebräunten Flokati aus geschmolzenem Käse.
Wenn schon oldschool, dann aber richtig! So jedenfalls mein Gedanke beim Anschnitt des üppig belegten Schlemmerfladens, dessen dicker Boden mich nicht im Geringsten störte, aber meine Chancen auf einen Komplettverzehr (vor Ort) gegen Null gehen ließ. Schlimm war das nicht, denn damit hatte ich für das Frühstück am nächsten Morgen schon mal vorgesorgt. Und mit kalter Pizza starte ich prinzipiell gerne in den Tag.
Der über die mächtige Käselandschaft gestreute Oregano duftete vertraut und gemahnte an alte Zeiten.
Unterm Käse lauerten die Früchte des Meeres
Einen Moment lang schlüpfte ich selbst in die Rolle des kleines Shaneymacs, der im zarten Alter von fünf oder sechs Jahren hier seine ersten Teigfladenerlebnisse sammelte. Denn Geschmack und Konsistenz der mit dem handelsüblichen Schalentiermix belegten „torta mafiosa“ erinnerten mich doch stark an meine eigenen, ersten Gehversuche im damaligen kulinarischen Neuland des stets freundlichen Angelo Muro zu Herxheim-Hayna. „(Geschmacks)Bilder in mir…überdauern…“
Dass der mit Kräutern und Oliven verfeinerte Tomatensugo, der die perfekt auf Biss gekochten Rigatoni „Bomba“ meiner Gattin benetzte, beim Abschmecken etwas zu viel Salz abbekommen hatte – geschenkt! Gibt wohl keinen besseren Beweis dafür, dass die Liebe des Küchenchefs zu seiner Frau Angela noch voll intakt ist.
Schon Alberto Tomba mochte Rigatoni "Bomba"
Voll intakt, das beschreibt auch unser Verhältnis zu dem sympathischen Hedonistenpaar aus Höhscheid, dessen gleiche Wellenlänge maßgeblich zu diesem unterhaltsamen Abend unter Freunden beim Solinger Kindheitsitaliener „auf der Ecke“ beitrug. Ein herzliches Dankeschön, mein lieber Shaney, für die Einladung und natürlich auch für den danach entkorkten, edlen Tropfen aus deiner Schatzkiste. Ich habe beides – auch wenn es in diesem Bericht „versehentlich“ zu dem ein oder anderen frotzelnden Unterton gekommen sein möge – wirklich sehr genossen!
Nach unserem kurzen Stop-Over in der Klingenstadt dauerte es gar nicht mal so lange, bis wir uns in der Pfalz wiedersahen. Dort gab es statt Pizza dann Elsässer Flammkuchen und den berühmten Pfälzer Teller, der dem Mann aus dem Bergischen Land genügend Kraft spendete, um spät nachts noch auf belebte Burgruinen (mit Live-Musik!) zu wandern. Mal schauen, vielleicht schreib ich ja irgendwann mal darüber…