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GastroGuide-User: Minitar
Minitar hat Pizzeria Ragazzi in 70176 Stuttgart bewertet.
vor 3 Jahren
"Benvenuti al Sud"
Verifiziert

Geschrieben am 19.11.2021
Besucht am 18.11.2021 Besuchszeit: Abendessen 1 Personen Rechnungsbetrag: 14 EUR
Nach Zeiten des Stillstands ist auch in Stuttgart kulinarisch so viel Neues entstanden, dass man wohl noch geraume Zeit auf Entdeckungsreise gehen kann. Manche Gegenden erkennt man auch architektonisch kaum wieder – so wie die zum Berliner Platz auslaufende Breitscheidstrasse, in der ich vor langer Zeit mal gewohnt habe. In einem mehrstöckigen Gebäude mit Klinkerfassade ist ebenerdig im Erdgeschoss – und somit absolut barrierefrei erreichbar – das Ragazzi untergebracht. Hier strande ich zwischen zwei Terminen im nahen Bosch-Areal. Dass es sich um eine reine Pizzeria handelt (und nicht um ein italienisches Lokal mit einer gewissen kulinarischen Bandbreite), bemerke ich erst, als ich das komplette Einlassprocedere durchlaufen, mich aus der Winterjacke geschält und bereits Platz genommen habe. Was in seiner Gesamtheit gar nicht so einfach ist, denn das Lokal scheint ausgebucht zu sein und schon bei der Tischzuteilung wird mir mitgeteilt, ab wann die Plätze wieder reserviert sind.

Auf der laminierten, grossformatigen Speisekarte sind 6 klassische Pizzen und 6 mit dem Label „Speciale“ ausgewiesen, dazu 4 Dolci. Das war´s. Vergeblich wende ich die Karte hin und her. Ich muss zugeben, dass Pizza nicht zu meinen Favoriten gehört und mein obligatorischer Probeversuch in diesem Quartal bereits erfolgt ist. Jetzt wieder das Lokal zu verlassen, erscheint mir jedoch schmählich. Also wähle ich die Erstbeste. Eine schlichte Margherita für 10,90 Euro – vermeintlich einfach, doch schon die Zutaten verheissen Ausgewähltes: „San Marzano Tomate, Fior di Latte , verfeinert mit Olivenöl extra vergine und frischem Basilikum.“ Während ich noch das Ambiente bestaune und den italienischen Sinnspruch an der Wand mit meinen bescheidenen Sprachkenntnissen zu dechiffrieren versuche, landet die Pizza nach sage und schreibe 5 Minuten auf meinem Tisch. So lange benötigt andernorts manche Servicekraft schon, um nur die Bestellung zu notieren…

Sprachlos staune ich über das Aussehen der Pizza. Ein überaus voluminöser, extrem hoher Rand mit aufgeworfenen schwarzen Brandblasen umhüllt das Innere, das einer Suppe gleicht und sich aus passierten Tomaten und geschmolzenem Mozzarella zusammensetzt. Grosse Güte! Zuerst lasse ich mir die Option frei, notfalls einen Teil einpacken zu lassen – doch jeder Bissen überzeugt mich ein bisschen mehr. Zwar sind mir gekochte Tomaten insgeheim ein Graus  und die Menge des Teigs verheisst möglicherweise wieder Sodbrennen. Doch am Ende habe ich tatsächlich die gesamte Pizza verspeist. Und lasse mir Unwissenden erklären, dass die Pizza Napoletana seit 2017 zum UNESCO Weltkulturerbe gehört und man hier vor Ort einen speziellen Ofen einsetzt, in dem die Pizza bei 450 Grad innerhalb von 60 Sekunden fertig ist. Alle Achtung!

Der riesige Kupfer(!)backofen ist auch nur ein Bestandteil der beeindruckenden Küchenausstattung und des originellen Ambientes des Ragazzi. Die Gäste sitzen auf einfachen Holzstühlen an Holztischen wie in einer Trattoria, umgeben von Vorratsschränken mit Hasengitter, einem illuminierten Weinkühlschrank, einer imposanten Kaffeemaschine in Reinweiss, einer mit Keramikschalen verzierten Theke. Dahinter findet das faszinierende Show Cooking statt, wie auf einer Bühne. Das Team umfasst drei sportive Pizzabäcker in weissen T-Shirts und drei agile Servicekräfte in schwarzen Shirts. Jeder Griff, jede Bewegung erfolgt in einstudierter Choreographie, wie in einem Ballett oder einer neuen olympischen Disziplin. Auch der Service hat absolut alles im Blick. Hier gibt es keine unnützen Wartezeiten. Alles ist komplett durchgetaktet. Der Service parliert untereinander italienisch, die Gäste zwei- oder mehrsprachig, die Speisekarte gibt’s wahlweise in deutscher oder englischer Sprache. Profunde Beratung erfolgt auf Wunsch. Da ich die ausgewiesenen Weine alle nicht kenne, rät man mir zu einem roten Ceraso (0,1  für 3,90 Euro – nicht ganz billig für das Schwabenherz). Glänzt dunkelrot, schmeckt kräftig, mundet mir vorzüglich.

Alles in allem hat dieser ungeplante Besuch bei den Ragazzi meine bislang vorsichtige Distanz zu Pizzerien sehr in Frage gestellt. Dieses Lokal, das gerade erst mal seit zwei Monaten besteht, scheint sich sehr rasch zum Publikumsrenner entwickelt zu haben. Beim nächsten Besuch werde ich mich bestimmt an die Speciale-Abteilung heranwagen. Dort gibt es Pizzas, die mit Pistazien, Trüffelcreme oder Salzmandeln verfeinert sind. Eine Tischreservierung erscheint beim derzeitigen Andrang übrigens fast obligatorisch.
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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