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GastroGuide-User: tischnotizen
tischnotizen hat Platz4 in 50937 Köln bewertet.
vor 4 Jahren
"Hart ausgebremst nach fulminantem Start"

Geschrieben am 19.02.2021
Besucht am 23.10.2020 Besuchszeit: Abendessen 2 Personen Rechnungsbetrag: 136 EUR
Von Restaurantschließungen ist in diesen Zeiten leider häufiger zu berichten als von Neueröffnungen. Wer will sich in Zeiten von Lockdowns auch schon dem wirtschaftlichen Risiko aussetzen, dass mühsam erstellte Business-Pläne und Umsatzerwartungen bei der ersten zwangsverordneten Schließung gleich zerbröseln?
 
Alisa Welzel, Betreiberin eines Cafés und Lars Meyer, Geschäftsführer des „Playa in Cologne“ sind das Wagnis dennoch eingegangen und haben im Kölner Stadtteil Sülz Anfang Oktober und damit gerade mal einen knappen Monat vor der nächsten Zwangsschließung das „Platz 4“ eröffnet
 
Außenansicht
 
und dafür mit Sebastian Huppertz einen Küchenchef gewonnen, der mehr als 10 Jahre im Restaurant „Sorgenfrei“ verantwortlich war. Das lange Zeit erfolgreiche Lokal hatte im Sommer überraschend geschlossen. Nach Angaben des Betreiberpaares zwar nicht aus Coronagründen, aber eben doch ziemlich unerwartet.
 
Nun also „Platz 4“ – so nah liegen Schließung und Neueröffnung manchmal zusammen. In Sülz hat man sich ein ziemlich ambitioniertes Programm auferlegt, das ab 9 Uhr morgens geöffnet hat und von Frühstück über Mittagstisch und Kuchen am Nachmittag natürlich auch abends geöffnet hat und sich dort auf Gerichte zum Teilen konzentriert. Die Preise bewegen sich zwischen 8 und 12 Euro, Desserts schlagen mit 6 Euro zu Buche.
 
Das Ambiente ist sachlich nüchtern und für meinen Geschmack etwas zu kühl gestaltet, passt aber zu dem Zweckbau. Im Sommer lässt es sich auf der Terrasse sicher angenehm sitzen.
 
Interieur
 
Brot wird hier extra bestellt. Dafür gibt es gute Butter, eingelegtes Gemüse (Kapernbeeren und rote Bete) und Jordan Olivenöl dazu.
 
Brot -Salzbutter – Jordan Olivenöl – Eingewecktes Gemüse
 
Aus der auch mit vielen vegetarischen Optionen bestückten Karte starten wir mit einem Gericht, das mit einer Kindheitserinnerung spielt. Wer hat noch früher in Kartoffelbreiberge Schneisen gezogen, in denen Sauce seine Bahnen ziehen konnte? Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, aber vermutlich kam beides seinerzeit aus der Packung. Glücklich gemacht hat es mich trotzdem.
Bei Huppertz ist natürlich alles frisch zubereitet. Das Kartoffelpüree ist ordentlich, allerdings etwas massig portioniert. Dafür ist die vegetarische Sauce von verblüffend reichhaltigem Umamigeschmack. Etwas Lauch sorgt für knackige und würzige Akzente. Ein witziger Auftakt.
 
Quatsch mit Soße 65°- Kartoffelpüree – Vegi-Jus – Frühlauch
 
Ebenfalls aus der Veggie-Abteilung stammt der Salat von Cherrytomaten und Feta. Etwas Fenchelsaat sorgt für passende aromatische Unterstützung. Aber trotzdem bliebe das etwas konventionell, wenn nicht etwas Brombeerkompott am Boden eine interessante fruchtige Note beisteuern würde.
 
Lesbos Feta- Brombeer-Kompott – Marinierte Tomaten – Fenchelsaat
 
Mit Blumenkohlcreme und knackigem Romanasalat geht weiter. Das ist unkompliziert, süffig und vor allem durch die ganz ausgezeichneten Haselnüsse einfach nur lecker.
 
Blumenkohlcrème 65°-Romanasalat – Geröstete Haselnüsse – Liebstöckel
 
Komplexer, wenn auch nicht weniger süffig wird es mit Pulpo in Scheiben, der bereits sehr gut gegart und köstlich ist. Artischockencreme als Unterlage liefert den Unterbau, eingelegte Zwiebeln und Salat sorgen für Frische und säuerliche Akzente und erneut ist es das crunchige Element, das hier den besonderen Pfiff ausmacht. Der frittierte Mais ist originell gewählt und eine tolle geschmackliche Ergänzung.
 
Lauwarmer Pulpo 40°- Artischockencrème – Frittierter Mais – Koriander
 
Auf Anhieb zu den spannendsten und erfolgreichsten Gerichten auf der Karte avancierten die gedämpften Gyoza mit Blutwurstfüllung in Form einer recht süßlichen Creme. Diese kommen auf Sauerkraut, das durch Miso etwas fülliger gerät. Karamellisierte Schokolade als Crumble ergänzt die Kombination auf sehr passende Weise.
 
Gedämpfte Gyoza 70°- Blutwurst – Karamellisierte Schokolade – Miso Sauerkraut
 
Auch die warm gebeizte Makrele auf einem Taco hat es bereits nach kurzer Zeit zur Beliebtheit gebracht, was sicherlich auch an der ungewöhnlichen Zusammenstellung liegt. Denn neben den bereits bekannten eingelegten Zwiebeln sorgen Tomatensalsa, Koriander und vor allem Kaffeecrumble für ein spannendes Miteinander von säuerlichen, herben, bitteren und süßlichen Noten, die sich wider Erwarten harmonisch verbinden. Eine schönes Beispiel dafür, dass die Summe der Einzelkomponenten manchmal bereichernder sein kann als die Einzelteile selbst.
 
Taco 40° - Warm gebeizte Makrele – Salz-Zitrone – Tomatensalsa
 
Während ich arbeitete, war meine bessere Hälfte an diesem Tag bereits mittags im „Platz 4“ für einen leichten Lunch. Über den Salat mit gegrilltem Lauch, marinierten und gebratenen Kräuterseitlingen sowie Aioli als leichtere Espumaversion kann ich daher selbst nichts sagen, sondern muss mich auf sein Urteil verlassen. Er war jedenfalls sehr zufrieden und auch ich hätte an dem abwechslungsreichen Salat meine Freude gehabt.
 
Gegrillter Lauch - Marinierte Kräuterseitlinge – Aioli – Asche
 
Obwohl bereits gut gesättigt, probieren wir natürlich auch noch die beiden Desserts. Im Glas gibt es eine Joghurtmousse mit leicht pochierten Zwetschgen, die noch guten Biss haben. Die gerösteten Pistazien sind arg sparsam und lediglich in Form von etwas Staub auf den zwei Baiserstücken bemessen. Das ist nett, aber doch auch etwas unspektakulär. Mousse mit Kompott halt, aber für 6 Euro auch wiederum ganz ordentlich.
 
Joghurt-Mousse - Pochierte Zwetschgen – Baiser – Geröstete Pistazien
 
Deutlich spannender gerät das Erdnussbuttereis auf Schokobiskuit, wobei Erdnüsse zusätzlich für Crunch und Salz für den passenden Widerhaken sorgt. Das ist zwar üppiger, aber eben auch sehr gut.
 
Erdnussbutter-Eis - Karamell – Schokoladen-Bisquit – Meersalz
 
Die Weinkarte ist noch mehr als ausbaufähig und konzentriert sich auf eher einfache Qualitäten, die aber dafür von guten Produzenten. Da die 30 Euro-Grenze hierbei nicht geknackt wird und auch die übrigen Getränke sehr moderat kalkuliert sind, darf man sich über eine sehr gästefreundliche Gesamtrechnung freuen.
 
Das Programm, das sich erkennbar an den in Köln bereits erfolgreich praktizierten Konzepten von originellem Frühstück (NeoBiota) und kreativen Sharinggerichten (Henne) orientiert, hat von Anfang an eingeschlagen. Und die Küchenleistung erklärt auch deutlich, warum. Die Gerichte sind allesamt leicht zugänglich und durchgehend mit einem kreativen Twist versehen. Dass Crumble hier in den meisten Gängen eine besondere Rolle spielt, ist ein einfacher, aber gut gewählter Dreh und sorgt für die ein oder andere Überraschung.
 
In jedem Fall ist „Platz 4“ eine schöne Ergänzung in der Kölner Gastroszene. Nach der vielversprechenden Eröffnung schneller wieder ausgebremst als gedacht, kann man nur hoffen, dass es bald und ebenso erfolgreich wieder weitergehen kann.


Bericht wie immer auch auf meinem Blog: http://tischnotizen.de/platz-4-koeln/
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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Carsten1972 und 13 andere finden diese Bewertung gut geschrieben.