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GastroGuide-User: Hanseat1957
Hanseat1957 hat Fischrestaurant Taucher in 26548 Norderney bewertet.
vor 2 Jahren
"Ein kulinarischer Gewinn mit kleinen, teils unerklärlichen Schwächen"

Geschrieben am 28.06.2022
Besucht am 18.06.2022 Besuchszeit: Abendessen 2 Personen Rechnungsbetrag: 105 EUR
Allgemein:

In den ehemaligen Räumen des Fischwerks hat vor zwei Jahren der Taucher Station genommen, zuerst als Standort für einen Foodtrack alias Fischwagen. Richtig fiel uns das Restaurant erst in diesem Jahr auf.
Gegenüber als freies Blickfeld hat sich nach dem Abriss des Hauses der Insel eine für Norderneyer Verhältnisse riesige Brachfläche entwickelt, die von den Kaninchen erobert wurde.

Der Taucher gehört zum Imperium der Weißen Düne, einer szenig-hippen Location am Ostbad.
Es gibt keinen Aushang einer Speisekarte. Eine Homepage mit aktueller Karte existiert ebenfalls nicht, sondern eine Facebookseite, die allerdings mit vielen Fotos gespickt ist (https://de-de.facebook.com/tauchernorderney/). Das irritierte uns im Vorfeld nach erster Inaugenscheinnahme an einem Vormittag und am besuchten Samstag betrat ein älteres Paar das Restaurant und wollte eigentlich für den Sonntag reservieren und fragte nach der Karte. Diese besteht aus einem DIN-A-4-Blatt. Die Dame wollte sie gerne mitnehmen, was verwehrt wurde, weil man nicht genügend habe, aber sie könne ja abfotografiert werden. Die alten Leute machten einen sichtlich irritierten Eindruck. Wir hatten uns an einem Tag unter der Woche, als draußen bereits ab 17 Uhr eingedeckt war mit Karten auf den Tischen, bereits ein Foto gemacht. Den Verzicht auf einen Kartenaushang kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, gehört es doch zur beliebtesten Tagesbeschäftigung von Touristen, durch das Städtchen zu schlendern und auf die Restaurantkarten zu schauen, mit Vorfreude auf die abendliche Einkehr.

Diejenigen, die den Weg in den Taucher am besuchten Samstagabend gefunden hatten, waren sehr gemischt. Unerwartet auch junge Paare mit kleinen Kindern, ansonsten eher gesetztes Publikum.

Für die Bewertung des Preis-Leistungs-Verhältnisses muss ich fairerweise einen Inflationszuschlag gewähren. In der Gesamtschau unserer diesjährigen Restaurantbesuche auf Norderney sehe ich den Taucher bei 3,75 Sternen.

Service:

Ein schlaksiger junger Mann mit dünnrandiger Rundbrille und hoher Schürze dominiert das Geschehen. Er ist parallel auch in der Weißen Düne tätig und wird auf der Facebookseite als „Chris“ von den Gästen sehr gelobt. Er ist präsent und höflich mit einer in die Gene übergegangenen „sehr gerne“ Quittierung jeder Gästeäußerung, variiert durch die Steigerung „sehr sehr gerne“. Souveränität und Lockerheit klingen anders besser. Unterstützt wird Chris durch eine junge Frau hinter dem Tresen und einem jüngeren Aushilfskellner, der auch Speisen servieren darf.
Die Getränke kamen zügig nach der Order und nach leichtem Ringen wegen unserer gewünschten Pause zwischen Vor- und Hauptspeisen, überließ er uns, den Zeitpunkt für die Küchenorder zu bestimmen. Ich gebe dafür 3,5 Sterne und den Rat, sich vom Floskelhaften zu lösen, denn dass Chris ein guter und überzeugter Gastgeber ist, steht für mich außer Frage.
Nun kommen wir zu einem unwürdigen Trauerspiel!
Die Getränkekarte passt auf eine DIN-A-4-Seite und umfasst 27 Positionen vom Aperitif bis zum Digestif. Als Bier mit Alk muss man das Bömbchen von Veltins (0,33 l zu 3,50 €) wählen; keine Craftbiere, was ich erwartet hätte.
Drei Weißweine, ein Roter und ein Rosé zwischen 7,50 und 8,00 € für 0,2 l. Davon leider ein Weißer und der Rosé „ausgetrunken“. Die Karte sei im Umbruch, so die Erklärung von Chris. Er könne aber einen Rosé aus Apulien anbieten aus der 1,5-l-Flasche, das Glas für 12 €. Ich musste nachfragen, ob ich den Preis richtig verstanden habe. Das ist zum einen ein Armutszeugnis in puncto „Auswahl“ und preislich ist es besonders ärgerlich, wenn ein ausgetrunkener 8-€-Wein durch einen 12-€-Wein ersetzt werden soll, also ein Wirtsproblem vom Gast noch teuer bezahlt werden soll. Ich trank trotz Groll ein Glas und muss sagen, dass die Flaschenrosés im Leib&Seele und der 2. Heimat nichts schlechter, aber deutlich günstiger waren.

Essen:

Als Amuse-Gueule wurde ein warmes, aufgeschnittenes dunkles Brötchen mit einem Gläschen Krustentierbutter serviert, rundum lecker.

Die Karte des Tauchers bestand an dem Abend aus 17 Positionen (siehe Foto). Nur eine der Vor- und Hauptspeisen stammte von der Weide (Ochsenbacke).

Ich hatte mich schon auf die Chevice (so auf der Karte, auf dem Bon „Ceviche“) aus Rotbarsch und Lachs und Muschelsalat kapriziert (15,50 €). Es war für mich Ceviche-Premiere und ich war neugierig, welches Ergebnis das Garen des rohen Fisches in Zitronensäure geschmacklich bringt. Hätte ich es blind verkostet, hätte ich auf eine Art weißen Heringssalat getippt. Also keine Offenbarung, aber gut erfrischend. Unterschiede zwischen den beiden Fischen konnte ich nicht feststellen, da ist die Säure wohl übermächtig. Einen guten Kontrast bildete der Muschelsalat und die Maistaler mit Majodip rundeten es gut, auch mit Sättigungseffekt ab.
Gegenüber wurden drei gegrillte Garnelen mit Chilicheesedip serviert (13,50 €).

Garnelen gehören auch auf Norderney fast zu jeder Karte. Die Preise variierten bei unseren Orders dieses Jahr zwischen 9 und 18 € für jeweils drei Tiere. Nun kann die Qualität der Ware sehr unterschiedlich ausfallen. Ich habe mich in jüngerer Vergangenheit von den argentinischen Wildfang-Rotgarnelen überzeugen lassen – fest im Biss und nussig im Aroma. Auf keiner Karte auf Norderney eine Herkunftsangabe und mit den Rotgarnelen konnte keine der Garnelenvorspeise meiner Begleiterin mithalten. Hier im Taucher noch die relativ beste Qualität. Gut gefiel mir der Dip mit seiner leichten Schärfe.

Dann der Lachs vom Grill mit Erbsenpüree und Gelbe Beete (23 €) und das Thunfischsteak mit gegrillten Salatherzen und Safransoße (27,50 €).

Mein Thunfisch war gut angeröstet, im Kern roh und in Tranchen geschnitten serviert. Geschmacklich hervorragend allein vom Fischaroma her plus Raffinesse der Würzung. Die Salatherzen entgegen meiner Befürchtung nicht traurig zusammengefallener, schlapper Begleiter, sondern genau getroffen für das Optimum aus Röstaromen und Optik. Darunter noch Reistaler. Die Safransoße fein, aber sie durfte ausschließlich die Salatherzen beglücken; der Thun war mir für ein Nappieren zu schade.

Sehr saftig gelungen auch der Lachs gegenüber. Erfrischend das Erbsenpüree aus TK-Erbsen. Unerwartet die Gelbe Rübe als würfelig geschnittene Kaltvariante analog einem Rote-Beete-Salat.

Das Fazit zum Essen lautet, dass handwerklich sorgfältig mit feiner Würzung sehr gelungene Gerichte aufgetragen wurden. Der Durchschnitt meiner Einzelwerte liegt denn auch bei 4,1875 Sternen!

Eine weitere Peinlichkeit jenseits der Küchenleistung muss ich ansprechen: Auf dem Tisch kein Pfeffer und Salz. Gebracht wurden uns zwei kleine Streuer, keine Mühlen! Das war nach Karte und ausgetrunkenen Weinen wieder so ein Schwachpunkt, den ich nicht verstehen kann, wenn man ein anspruchsvolles Konzept-Restaurant wie den Taucher etablieren will.

Ambiente:

Ich habe das Haus und die Räumlichkeiten in meiner Fischwerkkritik 2018 wie folgt beschrieben:
„Das Restaurant ist in einem Endhaus untergebracht, was von der Breite her den Kopf zwischen zwei Straßen bildet. Es ist ein Flachbau mit leicht ansteigendem Pultdach. Großzügig die Terrasse mit zwei Stufen Höhe und Holzboden.
Drinnen dann ein hoher Raum. Rechts die Küche, in die man durch den Küchenpass und die Verbindungstür zum Thekenbereich hineinsehen kann (Dort sah man Herrn Behrendt und zwei Mitstreiter werkeln). Die Wand hinter der Theke ist üppig dimensioniert und kann Regale für Flaschen und Gläser, Tafeln mit Angeboten und eine dunkle Holztäfelung aufnehmen. Links von der Theke geht es eine Halbtreppe rauf in einen kleinen Sitzbereich mit ca. 15 Plätzen und zu den Toiletten. Links vom Aufgang dunkle Wandfliesen.
Endlich ein echter Dielenboden und passend dazu blanke Holztische mit einer rustikalen, leicht gekalkten Oberfläche. Licht spenden bei Dunkelheit große runde Deckenleuchten und dazu passende Wandleuchten. Die Fischwerkerdeko ist sparsam. Kutterfotos an der dunklen Wand und mal ein Bötchen oder eine Fischfigur auf dem Fensterbrett. Man sitzt auf hell gepolsterten Stühlen oder Bänken längs der Fensterfront und der Kopfwand links. 
Die Tische sind für zwei Esser mittelprächtig von der Dimension her und stehen recht eng in der Reihe. Zwischen den Reihen dann Raum zum Tanzen.“

Das Mobiliar ist geblieben, die Deko weiter reduziert; die dunkle Wandtäfelung ist geweißt worden. Sehr schön der Markrelenschwarm an der Trennwand zwischen offener Küche und Gastraum rechts und eine große Deckenleuchte links mit sechs Leuchtkörpern in Quallenform.

Sauberkeit:
Alles im Reinen.
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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