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Das unscheinbare äußere Erscheinungsbild des Lokals
“Sì, adoro la cucina italiana!” Also nichts wie hin zum Tennisclub Grün-Weiss Neustadt und bei Padrone Michele Perfido ein paar Pastaklassiker genießen. So dachten wir jedenfalls diesen Sommer, als wir zusammen mit meiner Mutter Mitte Juli dort aufschlugen. Da ich meinem Genussfreund und Schlemmerclubkollegen von diesem Besuch vorschwärmte und er den Laden noch nicht kannte, machten wir uns im Oktober zu zweit auf den Weg in Richtung Hambach. Dass es vorerst die letzte gemeinsame Einkehr sein würde, konnte damals ja noch keiner ahnen.
Inhaber Michele Perfido aus Genua ist viel herumgekommen in der Welt des guten Geschmacks ehe er vor einigen Jahren in Neustadt-Hambach seine „Forchetta“ eröffnete. Mittlerweile stellt sich der mit über 40 Jahren Gastronomieerfahrung ausgestattete Padrone nur noch in Notfällen hinter den Herd. Das trubelige Küchengeschäft haben jüngere übernommen. Dennoch lässt es sich der Capo nicht nehmen, die Einhaltung seiner Rezepturen genau im Blick zu behalten und seinen vielen treuen Stammgästen allabendlich die Aufwartung zu machen.
Im Sommer saßen wir natürlich draußen. Es war ein warmer Juli-Abend, den wir im Schatten eines neben dem Restaurantgebäude platzierten Pavillons verbrachten. Die freundlich-kommunikative Servicechefin versorgte uns postwendend mit der Speisenlektüre im Ringbuchformat, die das Standardprogramm listete. Frische, hausgemachte Nudeln grüßten in Form von Tagliolini mit Steinpilzen, mit Ricotta und Spinat gefüllte Raviolacci und Mezzelune mit Bärlauch-Schafskäse-Füllung gleich auf der ersten Seite der Speisefibel.
Schon da war mir klar, dass wir nicht bei einem x-beliebigen „Italiener“ gelandet waren, sondern dass es sich hier um einen Laden mit einer gewissen Ambition handeln musste. Natürlich waren in der Karte auch die üblichen Verdächtigen der italienischen Küche vertreten. Von der Zuppa di pomodoro über einschlägig bekannte Salatvariationen (Mista, Caprese, Italia, Nizza) bis hin zu den gängigen Pasta-Klassikern war alles am Start. Dazu noch etwa ein Dutzend verschiedener Pizzen sowie eine nicht unsympathische Auswahl an Fleischgerichten. Die Involtini Gorgonzola, die sich der ältere Herr am Nachbartisch gönnte, sahen jedenfalls sehr verlockend aus.
Doch die berühmten Spezialitäten des Lokals standen nicht im handlichen Ringbuch. Für diese wurde eine stattliche Tafel mit aufgeklebter „Zettelwirtschaft“ in Tischnähe postiert. Darauf befand sich ein appetitanregendes Potpourri ganz unterschiedlicher Preziosen wie etwa der legendären Fischsuppe (mit Muscheln, Scampi, Dorade und Tintenfisch) oder dem Seeteufel mit Bandnudeln. Auch Calamaretti alla Chef (in scharfer Balsamico-Tomaten-Sauce) und Tagliatelle mit Trüffel waren vertreten. Fritto Misto, dieses knusprige Tête-à-tête von Fritteuse und Meeresgetier entdeckte ich weiter unten direkt neben dem San Daniele Schinken mit Pizzabrot (12,50 Euro), den wir uns als Vorspeise zum Teilen aussuchten.
Während meine Mutter einmal mehr die Spaghetti Napoli (7 Euro) als Gipfel des mediterran Machbaren ansah (und dann auch noch bestellte…gähn!), ließ mir das beachtliche Meeresprogramm das Wasser im Mund zusammenlaufen. Die Entscheidung fiel mir nicht leicht. Dass es letztlich die Spaghetti Cartoccio (mit Mies- und Venusmuscheln, Scampi und Tintenfisch, 14,50 Euro) wurden, war der äußerst positiven Erinnerung an diese „Pasta aus der Alufolie“ während meines letzten Gardasee-Aufenthalts geschuldet. Meine Frau reihte sich mit den Penne Arrabiata (8,50 Euro) ganz unaufgeregt in die Schar der Gewohnheitspasta-Besteller ein.
Natürlich wurde auch getrunken. Der warmen Witterung wegen setzten wir auf Erfrischendes. Eine gut gekühlte Flasche Mineralwasser (0,75l für faire 2,90 Euro) fand sich bald ein. Auch ein Schoppen Radler (3,20 Euro) und eine große Apfelschorle (0,4l für 3,20 Euro) waren mit von der Partie - zu sympathischen Preisen, wie man sie in Neustadt nicht allzu oft erlebt. Das Bier kam übrigens aus der Südpfalz. Das „Lord“ aus der Flasche wurde genau wie das Silber-Pils aus den Fass von der Bellheimer Brauerei geliefert.
Der für sein mildes Aroma berühmte San Daniele Schinken wurde uns dünn aufgeschnitten, in generöser Portion gereicht. Dieser schweineleckere, leicht nussig schmeckende Prosciutto aus dem Friaul zählt schon länger zu meinen absoluten Favoriten. Manchmal musst du dir das Glück eben scheibchenweise gönnen.
San Daniele Schinken
Zumal diese Kombination aus herrlich mürber Keulenware und dem warmen, lediglich mit etwas Oregano bestreuten Pizzabrot auch meine beiden Damen in Verzückung setzte.
Pizzabrot
Unser italienischer Abend neben dem Tenniscourt nahm langsam Fahrt auf.
Trotz der nahezu kompletten Auslastung des weitläufig angelegten Außenbereichs, bewegte sich die Wartezeit auf unsere Hauptgerichte absolut im Rahmen. Von meinem Platz aus konnte ich ein paar Ballwechsel mehr oder weniger talentierter Tennis-Asse beobachten. Ich gebe zu, dass in solchen Momenten der ehemalige Medenrunden-Spieler in mir kurzzeitig auflebt und nur zu gerne mal wieder auf die gelbe Filzkugel dreschen würde.
Gerade als ich langsam anfing auf den semi-bequemen Gartenstühlen (die mit der Gittersitzfläche bzw. Rückenlehne) unruhig zu werden, landeten unsere Pastateller auf dem Tisch. Selbst die für mich optisch immer ein wenig nach abgenudelter Baumarktware aussehenden „Hartweizendübel“ meiner Frau ließen Gutes erhoffen. Sie lobte indes den perfekten Gargrad ihrer auf Biss geköchelten Penne. Auch mit der „leidenschaftlichen“ Schärfe ihrer Arrabiata-Sauce war sie zufrieden. Sie schien einem fruchtig-aromatischen Tomatensugo entsprungen zu sein, dessen feiner Knoblauchdunst zum stimmigen Gesamteindruck beitrug.
Penne all'arrabiata
Auch ich profitierte von der raffiniert gewürzten, wahrscheinlich ziemlich lange eingeköchelten Tomatenbasis, die meine Meeresfrüchte-Spaghetti mit dezenter Weißweinnote benetzte. Zwei gepanzerte Scampis lagen zusammen mit den noch in ihren Schalen hausenden Miesmuscheln obenauf. Dazwischen feinste, in mundgerechte Stücke zerteilte Tintenfischarme, die neben den ebenfalls mit weit aufgeklappten Schalen grüßenden, frischen Vongole fast schon mächtig wirkten. Optisch und geschmacklich ließ dieser mediterrane Pastateller keine Wünsche offen. Ja, hier in „Ligurien auf der Hambacher Höhe“ konnte man es schon aushalten.
Spaghetti Cartoccio (mit Meeresfrüchten)
Selbst meine Mutter, eine zumeist eher kritische „Auswärtsesserin“, hatte an ihren mit gehöriger Parmesanmenge eigenmächtig „hochumamisierten“ Spaghetti Napoli nichts auszusetzen. Ganz im Gegenteil, sie lobte dieses puristischste aller Pastagerichte über den grünen Klee, der ein paar Meter weiter doch eher rote Asche war.
Spaghetti Napoli
Zeitsprung!
Anfang Oktober wurde ich dann in präsidialer Begleitung zum Wiederholungstäter. Der reservierte Zweiertisch befand sich jahreszeitengemäß im Inneren der „Forchetta“. Der nüchtern, aber keineswegs lieblos eingerichtete Gastraum wirkte recht familiär, was wohl primär mit seiner geringen Größe zusammenhing. Es empfing uns ein sauber eingedecktes Vereinsgaststätten-Ambiente.
Der Gastraum
Bequem gepolsterte, massive Holzstühle standen um ein paar wenige, in doppeltes Leinen gehüllte Tische. Sicher waren es zu Vorpandemiezeiten ein paar Tische mehr in der Gaststube. An den Wänden ein paar Erinnerungen an die Schläger schwingenden Helden des TC Grün-Weiß Neustadt. Von unserem Platz aus war der Ausschanktresen nicht weit. Die freundliche Servicechefin hätte uns die Getränke auch rüberreichen können.
Blick hinter die Theke
An diesem Abend gelüstete es mich nach einer Tomatensuppe (4,50 Euro), die für mich seit jeher einen einfachen und deshalb umso aussagekräftigeren kulinarischen Gradmesser für das Küchenniveau eines Ristorantes darstellt. Mein Kollege wählte zu Beginn den Insalata Mista (4 Euro). Bei den Hauptgängen ließen wir die Spezialitätentafel links liegen und konzentrierten uns auf die Basics.
Das hatte einmal die Tagliatelle alla Rucola (10,50 Euro) für meinen Tischgenossen und eine Pizza Mista (7,50 Euro) mit Salami, Champignons und Schinken für mich zur Folge. Meinem runden Stück vom Glück („Gestatten, Rossi!“) sollte ein Extrawunsch zu mehr Gaumenkitzel verhelfen. Ganz im Sinne eines stets diabolisch ordernden AndiHa ließ ich meinen idealisierten Hefefladen mit Peperoni verschärfen. Ein halber Liter Bellheimer Lord-Pils (3,40 Euro) stand da schon als adäquates Löschmittel bereit.
Doch zuerst erreichte mich eine blitzsauber gekochte Zuppa di Pomodoro in einer strahlend weißen Suppentasse. Auf der roten Italo-Tunke schwamm ein langsam vor sich hinschmelzendes Häuflein Parmesankäse. Zusammen mit dem grünen Basilikumblatt eine wahrscheinlich so gewollte Reminiszenz an die dreifarbige „bandiera italiana“, die italienische Nationalflagge.
Zuppa di Pomodoro bravissima
Geschmacklich war die Suppe weit entfernt von bluffender Symbolkulinarik, denn sie brachte alles mit, was so eine Umamitunke zu leisten im Stande ist. Leichte Röstaromen und wohliger Knoblauchdunst stiegen von ihr auf. Ihre zupackende Säure nahm zuerst den Gaumen in Beschlag, um ihn danach mit feiner Olivenölnote wieder zu besänftigen. Das war im Ergebnis tadellos – comme il faut.
Mein Genusskumpel machte sich derweil über seinen gut „einbalsami(co)ierten“ gemischten Salatteller her. Dieser zeugte von frischer Grünware und hatte neben den üblichen Gurkenscheiben und Tomatenschnitzen am Tellerrand auch eine frisch geraspelte Karottenhaube aufsitzen.
Insalata Mista
Zum Auftunken des reichlich vorhandenen Dressings dienten leicht angeröstete bzw. aufgebackene Scheiben vom Ciabatta-Brot. Den ersten Hunger hielten wir so locker in Schach.
Brotkorb
Schon der Anblick seiner hausgemachten, unter einem Rucola-Teppich versteckten Tagliatelle-Bänder versetzte mein Gegenüber in Verzückung. Großzügig darauf verteilte Parmesanblättchen schmolzen langsam vor hin. Darunter befanden sich die noch leicht bissfesten Bandnudeln, die in einem appetitlichen Tomatensud à la „Zuppa reloaded“ schwammen.
Tagliatelle alla Rucola
Wie glücklich einen doch die vermeintlich einfachen Gerichte machen können, wenn sie aus frischen Zutaten und mit sicherer Hand beim Abschmecken zubereitet wurden. Die Tagliatelle meines Kollegen waren dafür ein Paradebeispiel.
Abschließend noch ein paar Worte zu meiner Pizza. Dieses einfache italienische Volksgericht wird in der „Forchetta“ ganz oldschool serviert. Der nicht zu dünne Boden hinterließ außen einen schönen krossen Rand und war auch nicht vom Tomatensaft aufgeweicht. Kein pappiger Hefefladen also, der mit einsetzender Kältestarre zur Ungenießbarkeit mutierte, sondern ein fluffig knackiger, und vor allem gut durchgebackener Untergrund im LP-Format, der die darauf verteilten Geschmacksträger angemessen zur Geltung brachte. Bei der Tomatensauce natürlich auch kein Wunder, entstammte sie doch der gleichen Basis wie die vorher genossene Suppe. Auch die restlichen Bestandteile (Käse, Salami, etc.) fügten sich würzend ein und hinterließen in der Summe einen köstlichen Gesamteindruck.
Die Pizza Mista
Nochmal die Pizza Mista (im Detail)
Meinen Kollegen beeindruckte dieses mustergültige Backwerk übrigens so sehr, dass er sich glatt noch eine Pizza Hawaii (7,50 Euro) für daheim mitnahm. Wäre jetzt nicht meine erste Wahl gewesen, aber über die Ausstattung des Teigfladens entscheidet eben der individuelle Geschmack.
Pizza Hawaii (zum Mitnämme!")
Keine Frage, in diesem Ristorante stehen Leute am Herd, die es können. Und da mein Tippgeber nur mit dem Kopf schüttelte, als er erfuhr, dass ich auch beim zweiten Besuch die Fischsuppe verschmähte, wird es wohl nach dem Lockdown wieder zu Michele gehen, um diese kulinarische Lücke endlich zu schließen.
Dem Forchetta-Team wünsche ich alles Gute für die nächste Zeit und drücke die Daumen, dass es im neuen Jahr bald weitergehen möge. Solche einfachen Stätten des guten Geschmacks müssen dringend erhalten bleiben. Sie können einem den Tag retten – egal zu welcher Jahreszeit!