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Zum herzhaften Mittagsmahl haben wir an diesem sonnigen Februarfreitag gottseidank intuitiv noch selbst gefunden. Doch wo kann man stilvoll und individuell noch einen Kaffee zu sich nehmen? Rottweil bietet als älteste Stadt Baden-Württembergs eine gut erhaltene Altstadt mit beeindruckenden Häuserfronten, hübsch restaurierten Erkern und einzigartigen Ausblicken. Die Fasnets-Saison steht vor der Tür, so dass die ganze Stadt in schwarz-gelbe Dekoration getaucht ist. Urtümliche Rituale wie das Klepfen werden allerorten praktiziert, so dass man sich als externer Besucher wie in eine merkwürdige Zeitreise versetzt glaubt. So bleibt man schon mal an jedem Hauseck abwartend stehen. In der Oberstadt spricht uns schliesslich eine charmante Einheimische an, die unser Bedürfnis ganz offen erkennt und uns zwei Café-Empfehlungen mit auf den Weg gibt. Wie freundlich, wie aufmerksam!
Das Café am Känzele liegt so verborgen in der Altstadt, dass wir es zugebenermassen nicht selbst gefunden hätten. Woher der Name stammt, kann man uns auch auf Nachfragen nicht verraten. Vielleicht aufgrund der städtebaulichen Lage, mit einer Ausbuchtung, die an eine Kanzel erinnert? Vor etwa dreieinhalb Jahren hat Michaela Fricker in der Hochmaienstrasse dieses wunderschöne, antiquiert hergerichtete Café eröffnet, das vermutlich sofort eingeschlagen und den örtlichen Publikumsgeschmack getroffen hat. Sogar im „Stuttgart geht aus“ des Stuttgarter Stadtmagazins Lift wurde dieses Kleinod in der Ausgabe 2017/18 empfohlen. Kein Wunder, wenn man die Ambitioniertheit dieses Lokals einmal vor Ort erlebt hat.
Vor unserem Lob erst noch eine kleine Einschränkung: dass das Café mit täglich wechselnden Öffnungszeiten jongliert, dürfte einen Besuch erst einmal erschweren. Aber freitagnachmittags haben wir kein Problem, da durchgehend von 9:00 bis 18:00 Uhr geöffnet. Das in hellem Terracotta getünchte Eckhaus ist eigentlich nicht zu übersehen - wenn man es erst mal gefunden hat. In der holperigen Altstadt von Rottweil ist eigentlich nichts wirklich barrierefrei – Menschen mit Handicap, Eltern mit Kinderwagen dürften ihre Schwierigkeiten haben. So ist auch das Känzele leider nur über mehrere Treppenstufen erreichbar, was die gerade hier tagende Latte-Macchiato-Müttergruppe aber kaum stört. Dafür ist im Innenraum des Känzele alles ebenerdig zu begehen (mit Ausnahme einer kleinen Empore), sogar die sehr grosszügigen, sehr individuell eingerichteten Toiletten. Der solide restaurierte Innenraum ist liebevoll mit einem Stilmix aus verschiedenen Sitzmöbeln, alten Tischen und Porzellanfundstücken ausstaffiert. Wer Glück hat, ergattert einen Fensterplatz und damit die spannende Aussicht auf die Gassen davor, nebst der Fasnetskneipe „Flasche“ schräg gegenüber.
Das Känzele bietet eine grosse Auswahl an Kaffeespezialitäten unterschiedlicher Grösse, an selbst gemachten Kuchen, Torten und Cupcakes in einer sich drehenden Glasvitrine (wir bestaunen einen glänzenden Schokokuchen und eine sensationelle Pfirsich-Sekt-Torte – offenbar wird von der Chefin vorzugsweise mit Dinkel gebacken), etlichen Frühstücksvariationen, Galettes und Quiches, Suppen, alkoholfreien Getränken, sowie Weinen, Sekt und Bier. Wer keine Kuhmilch verträgt, kann hier problemlos auf Alternativen zurückgreifen. Sonst wird zum Kaffee (2,80 Euro für die normale Tasse, was vollkommen ausreicht) ein grosszügig bemessenes Kännchen mit Milch gereicht. Die Latte wird in einem hohen konisch zulaufenden Glas serviert, die Sojamilch ist fast schon schnittfest aufgeschäumt (3,60 Euro). Auch der Cappucino für 3,00 Euro hat eine wunderbare Konsistenz. Auf den Tisch kommt Geschirr von ganz unterschiedlicher Provenienz, mit einem kleinen Hang zu Blautönen (die sich auch in den Sitzkissen wiederfinden).
Die Chefin werkelt und wirbelt ganz beschwingt umher; der junge Mann im Service agiert entspannt und sicher. Fragen zu Zutaten können problemlos beantwortet werden. Als wir gegen 16:30 das Lokal verlassen, ist es proppevoll und fast bis auf den letzten Tisch besetzt. Hier lässt man offenbar gerne die Arbeitswoche ausklingen. Unter den grosszügig ausliegenden Zeitschriften und Magazinen entdecken wir auch noch einige unbekannte regionale Neuerscheinungen, so dass wir uns fast noch festlesen. Aber vor der Türe warten schon die nächsten Aspiranten auf unsere Sitzplätze.
Fazit: ein urgemütliches Café mit warmer Atmosphäre und einem feinen Angebot, bei dem auch Allergiker glücklich werden können.