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Mit Randy de Jong, Jeffry Thomer, Julia Gebhardt und Thayarni Garthoff sind 4 Gewächse des La Vie in die Eigenständigkeit gestartet und haben im nicht ganz so schicken Viertel am alten Güterbahnhof im November 2018 ein neues Restaurant eröffnet. Das hatte ich hier bereits verkündet und es war klar, ich gehe da auch bald mal hin. Ende Januar passte es nun, unkompliziert war ein Tisch per Mail reserviert, und da der Standort des Kesselhauses fußläufig zum Hauptbahnhof Osnabrück ist, konnten meine Frau und ich uns die "wer fährt zurück"-Diskussion ersparen.
Eine Viertelstunde braucht es zu Fuß vom Hauptbahnhof in die Neulandstraße 12, dann ist man erst Mal verwirrt. Zwischen zwei Häusern geht es in einen dunklen Innenhof, der Bereich ist ein alter Industriebetrieb, der in seinen Immobilien neue Nutzung erfährt. Aber nirgendwo erblickt man von der Einfahrt einen Hinweis oder einen Eingang zum Kesselhaus. Laut Bildern auf der HP sollte der aber gar nicht so unauffällig sein. Also weiter hinein ins Areal und wenn man schon wieder auf die Hannoversche Straße schaut, dann erblickt man links doch noch den Eingang.
Fein, also doch richtig gelaufen, auch wenn wir ein wenig Verspätung hatten, die "Eurobahn" blieb ihrem Motto treu und generierte auch an einem Samstagabend ein zwanzigminütige Verspätung. Freundlich nahm man uns in Empfang und eine junge Dame nahm unsere Garderobe ab. Der Tisch war schnell gefunden und wir nahmen hier Platz.
Der Name Kesselhaus steht offensichtlich für die frühere Verwendung des Gebäudes im Industrieareal. Ein sehr hoher Raum, offene Decke, man blickt direkt auf die Dachkonstruktion. Die Scheiben zum Hof einfach verglast, trotzdem war es angenehm warm in Inneren. Man hatte mit dem Gebäude selber keinen großen Aufwand betrieben, in die beträchtliche Grundfläche aber mit Sinn und Verstand Möbel hineingestellt. Meine Frau war äußerst angetan vom Ambiente und verkündete schon vor! dem Essen, wie gut es hier gefallen würde. Ich nahm mir vor meine Einschätzung nach! dem Essen abzugeben.
Zum Zeitpunkt unseres eintreffens war ca. die Hälfte der Tische belegt, im Laufe des Abends waren alle Tische besetzt. Frau Garthoff versorgte mit zwei Kollegen die Gäste, und die Drei hatten demzufolge bei geschätzten 40 Sitzplätzen gut zu tun. Das resultierte auch in einigen längeren Wartezeiten. Aber irgendwann bekamen wir auch die Karten und wurden nach einem Aperitif gefragt. Frau fragte nach offenen Champagner und es wurde ein offener Pommery Apanage Rosé angeboten. Ich schmolz unter den Blicken meiner Frau zusammen und nickte ob ihres Wunsches........also ein Champagner für Beide.
Dann lies man uns viel Zeit das Menü in Augenschein zu nehmen. Ein a la Carte Angebot gibt es nicht, im Angebot ist ein Viergangmenü, dessen Bestandteile auch einzeln zu bestellen sind. Die Preisgestaltung treibt die Gäste aber zu fast 100% zur Bestellung des Menüs, so auch uns. Kurz nach dem bestellen servierte der Service auch einen ersten Küchengruß. Gesalzene, aufgeschäumte Butter
mit einem wirklich formidablen hausgemachten Roggensauerteigbrot.
gut das nicht zu viel von dem Brot serviert wurde, denn sonst wäre ich gefährdet gewesen, zu viel davon zu essen. Das war ein wirklich gutes Brot! Und bei Brot bin ich sehr anspruchsvoll. Die Wartezeit zum Amuse Gueule gestaltete sich mit Champagner und Brot und Butter sehr angenehm.
Wir hatten zum Menü die Weinbegleitung bestellt und Frau Garthoff deckte den Tisch mit sehr hochwertigen Gläsern von Zwiesel ein. Bereits zum Amuse ein Wein, der uns auch im ersten Gang begleiten sollte, ein Silvaner Ortswein 2017 vom VDP Weingut Castell. Ein Bocksbeutel kam zum Vorschein und füllte die wunderbar filigranen Weingläser. Das Amuse Gueule wurde in der Karte als "Grapefruit-Schmelzkohl-Chipoltle Pepper" angekündigt.
Die Sauce wurde am Tisch aufgegossen, und war der Höhepunkt dieses Tellers, dass war eine Essenz aus fermentierten Schmelzkohl. Beim servieren fragte ich die junge Kollegin von Frau Garthoff nach diesem Schmelzkohl. Laut ihrer Auskunft war das eine eigenständige Kohlsorte, das bezweifele ich aber stark, denn weder war mir dieser Name jemals bei Kohl untergekommen, noch schmeckte das nach einer unbekannten Kohlsorte. Ich vermute eher, dass dies eine Zubereitungsart eines Kohlrabi war. Egal aber, denn das Aromenspiel war wunderbar. Unten Grapefruit, sehr sauer, darüber ein Eis, sehr cremig, eher herzhaft denn süß, sowie Streifen dieses Schmelzkohls. Zusammen mit der sehr guten Essenz ein feiner Beginn des Menüs, der auch schon andeutete aus wessen Stall die beiden Köche kommen und wo sie mit ihrer Küche hinwollen.
Frau Garthoff füllte die Gläser für den zweiten Gang mit neuem Silvaner und wir erwarteten "Petersilienwurzel-Buchweizen-Sauerteig-Kokos"
Petersilienwurzel war der Hauptdarsteller dieses Teller in Bezug auf die Menge, aber nicht unbedingt in Bezug auf die Aromen. Das war eine Art lauwarmes Tartar unter einem Deckel, der recht scharf abgeschmeckt war. Ein wunderbar abgeschmecktes Püree gesellte sich dazu. Wieder ein kalte Komponente mit einem durch Kokos bestimmten Eis. Von kalt bis heiß ging es über Teller, von recht süß bis scharf auch noch. Meine Frau erklärte im Nachgang diesen Teller zu ihrem Tagessieger. Ich war sehr beeindruckt, aber bleib noch neutral. Es folgte "Skrei-Miso Dashi-Enoki Pilze-Schnittlauch"
Dieser Teller war einer meiner Favoriten, japanisch angehaucht, sanfte Aromen mit ganz viel Umami durch die Sojabohnenpasten-Fischsud-Suppe, die nach dem servieren angegossen wurde. Die ersten Wochen eines jeden neuen Jahres bestimmt Skrei in meiner eigenen Küche die Gerichte, und auch hier wurde dieser hochklassige Dorsch von den Lofoten perfekt gegart auf den Teller gebracht. Die Enokipilze gingen fast ein bisschen unter in dieser Kombination von Fisch und Suppe. Etwas Crunch war noch auf dem Fischfilet, den konnte ich aber nicht zuordnen. Zu diesem Gang servierte Frau Garthoff einen Rosé aus dem Languedoc, etwas krasse Weinwahl, und der Wein litt darunter, dass ich von jeher skeptisch bin in Sachen Rosé. Einer meiner beiden Tagessieger war dieser sehr elegante Gang trotzdem! Erfreuliches Halbzeitfazit, so durfte es weiter gehen, also zu Gang 3, Fleisch in Form von "Kalb 2x-Karotte-Palmkohl-Ingwer"
Frau Garthoff servierte hierzu einen Pouilly Fumé, und verkündete, der sei aus Chenin blanc, nicht aus Sauvignon blanc, als wir über ihre Auswahl diskutierten. Ich runzelte die Stirn, auch wenn ich nicht so sattelfest bei französischen Weinen bin, gibt es da nicht eine alte AOC, die Sauvinon blanc für die Appellation Pouilly Fumé vorschreibt? Na ja, Frau Garthoff hat ja einen legendären Ruf aus La Vie Zeiten, also lieber keine konträre Diskussion vom Zaun brechen......komme ich also lieber zum Gericht. Beim servieren des Tellers fragte ich die junge Service-Dame, wo denn zwei Mal Kalb auf dem Teller sei? Sie lächelte und sagte, gehen sie auf die Suche und ich verrate es nach dem Verzehr. Mea culpa, ich habe nicht mehr gefragt, und ich bin nicht sicher ob ich den zweiten Teil entdeckt habe. Aber auf dem Teller mit seinem offensichtlichen und tadellos zart gegarten Kalbfleisch waren noch kleine Stücke, die ich für Innereien gehalten habe, vielleicht Bries, aber ich bin nicht sicher. Fest steht, das Fleisch war allererste Güte, so wie die begleitende Sauce. Hinzu kamen Karotten in Form von Kuchen und Julienne. Und diese Süße aus den Karotten schlug einen guten Bogen zum servierten Sauvignn blanc. Frau Garthoff, ich nehme meine skeptischen Anmerkungen zur Weinauswahl zurück, das passte ganz gut.Und im Gegensatz zu einem kurz zurück liegenden Abend in Bautzen gab es diesmal auch ein Laguiole Messer zum Fleischgang. Ein guter Gang, aber konventioneller in Sachen Aromatik als seine Vorgänger. Fehlte noch der Abschluss unseres Menüs in Form von "Topinambur-weiße Schokolade-Apfel-Fichte-Süßholz"
Meine Frau war etwas skeptisch, Süßholz=Lakritze=mag meine Frau nicht. Aber ihr Gesicht hellte sich im Verlauf des Verzehrs von Gang Nummer 4 immer mehr auf. Ich brauchte gar nicht so skeptisch anfangen, für Carsten gilt Süßholz=Lakritze=mag ich! Und dieser Gang war wieder ein Knaller in Sachen Aromatik. Unten drunter eine Art Mousse mit deutlichen, aber dezenten Süßholzaromen. Darüber Molekularküche, der Apfel war ein Gelee mit flüssigem Kern, der recht sauer abgeschmeckt war, der Gegenpol dazu die süße weißte Schokolade als Pulver um die anderen Zutaten, dass Eis schmeckte deutlich nach Topinambur mit einer herzhaften Note, dazu die ätherischen Öle der Fichtentriebe! Die Geschmacksknospen blühten auf bei diesem Teller, ein sehr gutes Dessert, denn es kommt nur sehr selten vor, dass eine "Süßspeise" (was diese eigentlich nicht war) in einem Menü mein Favorit wird, erster Platz geteilt mit Gang 2, sehr fein! Ein Cremant von der Loire war eine ausgezeichnete Begleitung zu diesem Teller. Zum Abschluss noch ein paar Petit fours, Macarons und was Geliertes.
Die Macarons mit Mango zubereitet und die gelierten "Etwasse" mit Orange, feiner Abschluss!
Die Küche hatte eine sehr gute Leistung abgeliefert, insbesondere wenn man bedenkt, dass die beiden Herren das komplett alleine stemmen, die Küche ist einsehbar, selbst abwaschen müssen sie selber. Einige Längen im Menüablauf sind damit erklärt, der eilige Esser muss sich hier etwas zurück nehmen, mir selber war es nicht unangenehm. Ein paar Kritikpunkte gab es im Service, die beiden Kollegen von Frau Garthoff sind keine Profis, Frau Gebhardt hab ich an unserem Besuchsabend nicht gesehen. Hier hakt es manchmal etwas, es wird nicht nachgefragt, wie der Gang geschmeckt hat und man sollte etwas besser aufklären über die servierten Speisen, sonst werden Nachfragen zum Beispiel zum Schmelzkohl nicht korrekt beantwortet.
Damit kann ich zum Fazit kommen. Hier braut sich was Gutes zusammen. Was die Herren de Jong und Thomer in der Küche fabrizieren, bereitet dem Gast große Freude. Man merkt den Gerichten an, wer der frühere Dienstherr war. Im Service muss etwas nachjustiert werden, das Ambiente gefällt und ist angenehm. Ich bin mir sicher, wenn man diesen Weg weiter geht, gibt es höhere Ehren als nur meinen sicheren nächsten Besuch. Klare Empfehlung für das Kesselhaus in Osnabrück.