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GastroGuide-User: Minitar
Minitar hat Restaurant Beim Olivenbauer in 87497 Wertach bewertet.
vor 7 Jahren
"Südländisch für Allgäuer"
Verifiziert

Geschrieben am 07.08.2017
Besucht am 31.07.2017 Besuchszeit: Mittagessen 2 Personen Rechnungsbetrag: 28 EUR
Wertach im Allgäu wirkt mitten in den Sommerferien, als hätte es durchaus mal bessere Zeiten gesehen. Verzweifelt suche ich zur besten Mittagessenszeit ein offenes Lokal. Okay: ein Montag ist nicht der beste Tag dafür… Fast hätte ich mich schon an einem Imbiss vergriffen, wenn nicht plötzlich auf der zentralen Marktstraße die Sonne aufgegangen wäre. Da steht ein stattliches, gelb getünchtes Gebäude stolz an der Straße und zeigt: ich war ein Gasthaus! Heutzutage glänzt es im shabby Chic  und protzt mit seiner leicht maroden Fassade, dem abgewetzten Interieur und der abblätternden Farbe, kombiniert mit aufgeklebter Steinchenfront, venezianischen Lüstern und vielen stylishen Eye-Catchern. Das hat Stil! Doch beim Schriftzug „Beim Olivenbauern“ horche ich auf. Habe ich dieses Interieur nicht schon mal in Füssen gesehen? Und siehe da: der Olivenbauer entpuppt sich als geschickt lancierte Marke mit mehreren Dependancen: in Füssen, in Wertach, in Hopfen am See. Immer im gleichen Stil, immer mit demselben geschickten Mix von südländischer Küche, einheimischen Schmankerln und hippen Accessoires.  In Zeiten des emotionalen Storytellings wird einem auf der Homepage noch eine feine Geschichte dazu aufgetischt. (Man nehme einen Elektromeister, ein altes Gebäude, einen Esel und viel gutes Olivenöl – klingt irgendwie fast schon nach einem modernen Märchen, oder?)

Nicht nur Ambiente und Speisekarte wirken international und multikulti, auch der Service trägt seinen Teil dazu bei. Die aufgedrehte, quirlige Bedienung mit osteuropäischem Zungenschlag und alpenländischem Dirndl-Oberteil ist hochgradig kundenorientiert, megafreundlich und der Liebreiz in Person. So viel Engagement und Arbeitsfreude erlebt man selten. Aber auch die Gäste, die bereits vor uns auf der ausladenden, großzügigen Holzterrasse Platz genommen haben (Freundeskreise und junge Mütter mit frittenverdrückenden Kleinkindern) sind sehr kooperativ. Kaum äussern wir den Wunsch nach einer Karte halblaut, wird uns schon vom Nebentisch die großformatige Speisekarte gereicht. Hierauf finden sich zahlreiche Leckereien, auf die wir noch tagelang Lust hätten: z.B. eine südfranzösische Gemüsepfanne mit Pesto (9,90 Euro), einen Sennerin-Burger mit Käse, Gewürzgurke, Salat und allem Pipapo (für günstige 7,90 Euro), eine Dinkelmehl-Pizza Berlusconi mit Garnelen, Shrimps und Knoblauch (10,40 Euro) und so weiter und so fort.

Aus dem attraktiven Angebot wählen wir aber für den heutigen Tag die Allgäuer Kässpatzen mit Salat (8,90 Euro) und eine Pizza Allgäu mein (ebenfalls 8,90), sowie ein großes Johannisbeer-Schorle (0,4 Liter für sehr günstige 2,90 Euro) und ein üppiges Haferl Kaffee für ebenfalls 2,90 Euro. Serviert wird rasch, die Getränke sehr schnell, das Essen nach circa einer Viertelstunde. Die Portionen sind immens, der Geschmack fantastisch, die Laune steigt. Die riesige Pizza mit superfeinem, lockeren  Boden ist unkonventionell belegt mit Bauernspeck, Peperoni, Emmentaler und Knofi. Zum Reinlegen gut! Die Kasspatzen sind großzügig knöpfleartig geformt wie überall im Allgau und mit einer wundervollen Mischung aus deftig-herzhaftem Bergkäse und geschmacksintensivem Emmentaler vermengt. Der dazu servierte grüne Blattsalat wirkt erst mal übersichtlich, überzeugt aber durch ein ungewöhnliches hausgemachtes Senf-Dressing, das farblich an hellen Kakao erinnert. Großartig! Wenn nur das Fassungsvermögen unserer Mägen etwas größer wäre… Die aufgeweckte Servicedame sieht uns schon die Schwäche an und bietet von sich aus an, die Reste einzupacken, was sie mit zupackender Energie auch gleich realisiert. Das lob ich mir! Das Johannisbeer-Schorle war übrigens gut gekühlt und sehr erfrischend, der Kaffee aromatisch.

Beim abschliessenden Toilettengang inspiziere ich noch die kreative Inneneinrichtung. Hier treffen sich halb verborgene Reste des früheren Gasthauses mit rustikalem Interieur, authentischem Holzmobiliar, grobem Steinfußboden, venezianisch anmutenden Lüstern, formschönen Vasen und vielen Grünpflanzen. Dazwischen abgestossene Kanten, abblätternde Farbe und ein leicht melancholischer Touch. Eine sehr gelungene, individuelle Mischung, die man diesem entlegenen Allgäuer Dorf gar nicht zugemutet hätte. Trotzdem ist alles proper und sauber und ansehnlich. Nach dem Essen spazieren wir noch zum nahe gelegenen Kurpark und vertreten uns die heissen Füsse im erfrischenden Kneippbecken. Ja, es ist alles fast noch so wie 1965, beim letzten Urlaub mit Oma und Opa…
 
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


AndiHa und 2 andere finden diese Bewertung hilfreich.

simba47533 und 2 andere finden diese Bewertung gut geschrieben.