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| Vorwort |
(zur Kritik bitte einfach ein paar Absätze weiter nach unten)
Ich denke jeder, und dafür muss man auch kein Verrückter sein, der Stunden mit dem Verfassen von Restaurant-Kritiken zubringt, kennt das: regionale, hochgelobte Stätten der dem Vernehmen nach guten Küche, die man schon viele Jahre auf dem Radar, es aber nie dorthin geschafft hat.
„Hopmanns Olive“ in Erkrath-Hochdahl, seit über 20 Jahren betrieben von Petra und Ingo Hopmann, ist in meinem Falle solch ein Ort. Vor etwas über zehn Jahren bin ich hier zwar spontan auf einem Sonntagsausflug gelandet und wollte mir die Küche bei einem Mittagessen näher anschauen, leider war das Haus just an diesem Tag wegen einer Veranstaltung geschlossen; c'est la vie.
Aber ich erinnerte mich stets an die schöne Location direkt am Lokschuppen Hochdahl, einem Eisenbahn- und Heimatmuseum, dessen Exponate teils auch auf dem Gleis direkt auf dem Gelände zu bestaunen sind.
Als es galt, ein passendes Restaurant für ein lange überfälliges Wiedersehen mit einem alten Freund zu finden – die GastroGuide und RK Veteranen werden den jungen Mann noch als „First“ in lebhafter Erinnerung haben und ihn hier hoffentlich genauso vermissen wie ich – und als die eigentlich angepeilte erste Option wegfiel, reservierte ich nach „interner Abstimmung“ gerne in der Olive, hier waren wir schließlich beide noch nicht.
Nachdem dieser Freitag eher ein bedeckter Tag war, sollte es gegen Abend noch spürbar aufheitern, die kurze Fahrt über Land via Haan nach Erkrath war eine entspannte Sache. Als ich auf der Landstraße unter der A46 durchfuhr, sah ich auf der Navi-Karte eine dicke rote Linie mit Stau-Symbol auf dieser Stauhöllen-Autobahn und bemitleidete die armen Teufel, unter denen ich soeben mit Tempo 70 und offenem Schiebedach mühelos vorbeihuschte.
Nur Sekunden später dann ein Anruf von Mitstreiter First: „Ich komme 20 Minuten später, ich steh in einem dicken Stau auf der 46…“ – sieh an, der dynamische Kulinarik-Papst aus Sprockhövel war einer dieser armen Teufel, nun ja, immerhin keine apokalyptische Vollsperrung und wir hatten ja Zeit mitgebracht und recht früh für 18:30 Uhr reserviert.
So ließ ich mir Zeit, machte in Seelenruhe ein paar Fotos vom Gebäude, und wenig später hatte auch der Freitagabendverkehr ein Einsehen und wir begrüßten uns nach fast fünf Jahren entsprechend herzlich auf dem Schotterparkplatz am Lokschuppen und freuten uns sichtlich auf den gemeinsamen Erstbesuch in der Olive.
| Kritik |
Die Pforte zieren diverse empfehlende Aufkleber des Michelin, der letzte datiert 2019, einen Stern oder BIB konnte das Haus aber nie vorweisen, die Plakette der Chaîne des Rôtisseurs verweist auf die professionelle Mitgliedschaft in dieser angesehenen Vereinigung und erwähnt das Jahr 2010.
Eingetreten blickt man auf einen hübsch dekorierten Empfangsbereich, zur Linken dann ein kleiner „Bonus-Gastraum“, der unmittelbar an die Ziegelmauer eines alten Eisenbahn-Betriebsgebäudes grenzt, das man dem Anschein nach auch als Event-Location nutzt.
Mir gefiel das sehr gut, vor allem die Retro-Glühbirnen, die sicher nicht mehr die taufrischeste aber eine in dieser Konstellation ausnehmend stimmungsvolle Deko-Idee darstellten.
Rechter Hand öffnet sich dann die eigentliche Bühne des Gast-Geschehens, da es mir meist wenig Freude macht, auf den Fotos offensichtliche Interieur-Details textlich zu beschreiben, lasse ich Bilder für sich sprechen.
Der Gastraum (nach dem Service, daher die leeren Tische)
Es ist elegant, klar und hat durchaus Klasse, allerdings auch etwas austauschbar, der Charme des erwähnten, Backstein-bereicherten kleinen Gastraumes gefiel mir besser.
Was aber auch daran gelegen haben mag, dass wir in der hintersten, weitgehend Tageslicht-befreiten Ecke des Raumes platziert wurden. Ich glaube ich war im Interesse guter Fotos noch nie so froh über eine batteriebetriebene LED-Tischlampe wie an diesem Tag.
gedeckter Tisch
Da das Haus seinen Fine-Dining Nimbus spürbar pflegt, empfand ich die legere Note, die Speisekarte als A3-Papier-Einweg-Platzdecke zu präsentieren in Kombination mit der ohnehin minimalistischen Tischkultur als hauchzart unpassend. Sie ist ohne Zweifel hübsch gestaltet in Sachen Layout und Typographie, aber das hatte für mich zu viel „Diner“ und ich bin weiß Gott kein hysterisch-dünnhäutiger Ästhetik-Nerd – wohl aber ein Freund stilvoller Karten.
Inhaltlich zeigen sich bei den Vorspeisen-Optionen beliebte Klassiker mit pikanten Gambas, Spargel Tarte, Vitello Tonnato und einem klassischen Tatar, für das Stück „Fines de claires“, serviert mit Puimpernickel, Vinaigrette und Zitrone, ruft man fünf Euro auf.
Die Hauptgerichte eher durchweg europäisch ohne asiatische Einschläge, wie sie bei der Essenz vom Perlhuhn bspw. zu finden sind, es locken Dinge wie Lammrücken in Kräuterkruste, ein Brustfilet vom Miéral Perlhuhn oder die Kalbsleber Berliner Art.
Der Steakbaukasten wartet mit relativ gepfefferten Preisen auf, man gibt aber im Gegensatz zu so manch preislich ähnlich positioniertem Wettbewerb immerhin an, dass es sich um Australian Black Angus handelt, was zumindest aus der Zucht Jack’s Creek einiges aussagen würde, die Zucht verschweigt man aber.
Eine junge Dame begrüßte uns und führte uns zuvor zum erwähnten Tisch, Frau Hopmann trat da nur kurz in Erscheinung, u.a. eine Geburtstagsgesellschaft eines rüstigen Seniors samt Familie konnte sich da über deutlich mehr Präsenz der Gastgeberin freuen, die erst beim Abräumen des Hauptganges an unserem Tisch in Aktion treten sollte.
So war es lediglich die freundlich-bemühte (und das meine ich nicht gehässig!) junge Aushilfe im Studentenalter, die unsere Bestellung entgegennahm und für Fragen zur Verfügung stand.
Ob denn das Kaninchen im Frühlings-Menü (man bietet hauptsächlich à la carte flankiert von eben diesem Vier-Gang-Menü) geschmort oder kurzgebraten sei wusste sie nicht, erfragte das aber gerne in der Küche. Was sie aber definitiv wusste war, dass keine Änderungen im Menü möglich seien.
Da mein Begleiter und ich eigentlich gerne den Kaninchen-Gang ersetzt hätten etwas unglücklich aber natürlich völlig akzeptabel, manche Häuser sind eben flexibler als andere, wir fügten uns ohne jegliche Diskussion in unser Schicksal, vielleicht würde uns ja die völlige „l'extase du lapin“ erwarten, zu diesem Punkt erfuhren wir übrigens später Überraschendes von Frau Hopmann, mehr dazu gleich beim Hauptgang.
Eine erste Flasche Wasser, Haaner Medium, die 0,75l zu gehobenen 8,50€ wurde indes prompt serviert.
Recht wenig Ekstase regte sich hingegen beim Thema offene Weine. Man bietet zwar eine durchaus ansprechende, erfreulich Riesling-lastige und auf eine Reihe mir gut bekannter Weingüter wie Köbelin, Korrell oder Nik Weis setzende, noch halbwegs fair kalkulierte Flaschenweinkarte, die trotz überschaubaren Umfangs dennoch Ansätze von Jahrgangstiefe zeigt:
https://hopmannsolive.de/dokumente/weinkarte.pdf
Aber im Bereich der offenen Weine war für uns als Autofahrer und insbesondere für mich als Weißweinfan wenig bis gar keine Auswahl vorhanden.
Ich habe so etwas noch nie erlebt, an der Türe grüßt eine Phalanx von bunten Michelin-Aufklebern und dann bietet man ganze zwei, dank 0,15l Gläsern auch nicht gerade günstig anmutende Weißweine, mehr gab es auf meine ungläubige Nachfrage auch nicht, beim Rotwein ist man bei drei Optionen.
Ein Grauer Burgunder als Hausedition und einen Lugana, Pest oder Cholera für viele anspruchsvolle Weinnasen, aber ich bin da nicht dogmatisch, viel schlimmer für mich: beim GB erfährt man in der Karte immerhin, dass er vom Kaiserstuhl stammt, beim Lugana belässt man es bei „Italien, trocken“. Entschuldigung, aber wenn ich als Gast im Falle des Lugana 9,50€ für ein Glas Wein ausgebe, habe ich schon den Anspruch mehr zu erfahren, zumal in einem Haus mit dieser Positionierung.
Das finde ich schon eklatant dünn, bei Champagner würde auch keiner auf die Idee kommen zu schreiben „Champagner, Frankreich, trocken – 0,1l / 16€“. Hoffe ich zumindest, denn einen solchen gab es leider nicht als Aperitif, wir wären beide nicht abgeneigt gewesen.
Der Graue Burgunder, für den ich mich notgedrungen entschied, hat übrigens einen Brutto LEH-Preis von ca. 7 Euro pro Flasche, wie man dann einen Glaspreis von 8 Euro für 0,15l bewertet soll jeder mündige Gast selbst entscheiden, im Gegensatz zu den Flaschenpreisen halte ich persönlich diese Kalkulation für überspannt.
Nun denn, die Spiele begannen:
| Amuse |
In zwei hölzernen, quadratischen Holzrahmen servierte man ein Quartett von Appetitanregern, sowie warmes Brot in einer weißen Papiertüte. Wir befreiten das Backwerk aus dem Papier, dies habe ich letztmalig in einem Garmischer Restaurant in 2019 erlebt, den Sinn habe auch damals nicht verstanden. Rein optischer Gag? Oder sollte die dünne Tüte tatsächlich die laue Wärme des Brotes besser konservieren, was kaum möglich war weil man sie ja ohnehin am Tisch öffnet.
Die Krume des hellen Weizenbrotes machte einen guten Eindruck und auch geschmacklich gefiel es durchaus. Aber angesichts des kultivierten Anspruchs des Restaurants wären zwei Sorten Brot sicher auch nicht unangebracht gewesen.
Mit den flankierenden Häppchen und Brot-Begleitern sollten dann die Pastell-Festspiele auf dem Gaumen beginnen.
Unten sieht man eine milde Trüffelbutter, schöne Textur, leicht aufgeschlagen vielleicht, warum man diese allerdings auf dem Boden eines recht hohen Weckglases servierte, so dass man sie mit dem kleinen Brotmesser regelrecht herausangeln musste, war etwas irritierend.
Rechts dann ein Tellerchen auf das man eine Auswahl von Gemüsechips schüttete, Kürbis, Süsskartoffel und etwas was ich fälschlicherweise auf den ersten flüchtigen Blick für Chioggia-Rübe hielt. Weitgehend geschmacksneutral.
Oben dann Kräuterquark (ich bin so müde was das Thema angeht…..) der von mir traditionell „geliebten“ Sorte, geschmacklich verlässlich seicht und blass, so, wie es anscheinend sein muss.
Links dann schließlich die hier naheliegende Olive in geschwärzt und grün, entkernt und weitgehend naturbelassen, da diese aber wenigstens etwas Säure mit sich brachten und recht aromatisch waren für mich das Highlight. Die bekomme ich aber so auch vorneweg gratis beim Eck-Italiener, mit Brot und Olivenöl – nur hat der keine verblichenen Michelin Sticker an der Pforte und das Glas Wein ist nicht mit Faktor 5 kalkuliert…
Ein einzelner, raffinierter kleiner Gruß mit Olive als Thema wäre mir deutlich lieber gewesen, als vier Mal geschmackliche Langeweile: den Komponenten fehlte schlicht Aromatik, manchmal ist weniger in gut einfach mehr.
| 1. Gang |
Ceviche vom Fjord Saibling
Weißer Spargel | Holunder | Chili | Saiblingskaviar
2021 Grauer Burgunder, Kabinett trocken, Winzergenossenschaft Oberbergen im Kaiserstuhl, Vogtsburg-Oberbergen, Baden – 0,1l zu 4€ (?)
Aber in Sachen Aromen versprach der erste Gang naturgemäß einiges mehr, hurra, ich liebe Ceviche.
Ich habe hier kein Feuerwerk einer Tiger Milk à la Streetfood Version in Peru erwartet, aber Säure und Schärfe und eine ordentliche Portion Geschmack sollten auch Insignien einer elegant interpretierten Fine Dining Variante sein; das Wort Ceviche erweckt Erwartungen auf dem Gaumen.
Ceviche vom Fjord Saibling
Optisch gefiel das Plating, unten der Fisch in einem relativ klaren Sud, arrangiert mit dem oberen Drittel von drei Spargelstangen, obenauf noch Saiblingskaviar und etwas grüner Spargel mit Erbsenkresse für etwas Grün auf dem Teller.
Klasse, ich freute mich auf das Gericht, aber leider aber tat sich geschmacklich kaum etwas, da war nichts von frischer, animierender Säure und sonstigen Ceviche-Freuden zu vernehmen und obwohl Chili sogar als tragendes Element in der Deklaration des Gerichtes vermerkt war, hatte noch nicht einmal subtile Schärfe Einzug gehalten.
Holunder mit etwas Fantasie schon, ansonsten blieben extrem blasse Fragezeichen. Selbst wenn man dem hochklassigen Fisch bewusst mehr Raum geben wollte und eher eine zarte Handschrift besitzt, dann war es von der Idee einer Ceviche am Ende doch geschmacklich bis zur Unkenntlichkeit entfernt.
Aber so konnte sich der mainstreamige Grauburgunder daneben wenigstens gut behaupten, die fehlende Säure im Gericht hätte ich aber gerne mit einem knackigen jungen Riesling kompensiert, aber den gibt es hier ja nur in Flaschen.
Hier hat man sich übrigens zu meinen Gunsten verhalten. Man war so flexibel mir statt 0,15l auch gerne 0,1l zu servieren, was ich gut fand. Ich erwartete statt acht Euro eben sechs Euro, berechnet wurden lediglich vier. Ob das ein Versehen war weiß ich nicht, es klingt fast so obwohl Frau Hopmann die beiden separierten Rechnungen später wegen einer Rückfrage noch kurz mit uns durchging.
| 2. Gang |
Schaumsuppe vom Bärlauch mit Zweierlei von der Garnele
Es sollte stringent saisonal weitergehen, in der Suppe mittig noch eine aromatische, sautierte Garnele die auf einem Fundament von rohem Garnelen-Tatar Halt fand, die Erbsenkresse kannte man da schon von der Ceviche. Das Ganze in einem Meer einer handwerklich perfekten und auch geschmacklich durch und durch überzeugenden Bärlauch-Schaumsuppe.
Schaumsuppe vom Bärlauch mit Zweierlei von der Garnele
Das war Frühling mit Eleganz und dennoch soliden und Freude machenden, wenn auch mitnichten überraschenden Aromen, ein guter Fond als Basis, dazu die ideale Konsistenz zwischen Cremigkeit und ätherischer Schaumigkeit – sie gefiel uns beiden sehr gut.
Was man an dieser Stelle auch zum Geschirr sagen kann, das im Übrigen so vorbildlich vorgewärmt wurde, dass unsere junge Servicekraft nur beidhändig mit Kellnertüchern agieren konnte.
Fein, mal schauen was der Hauptgang so bieten würde…
| 3. Gang |
Kaninchen aus der Eifel
Lardo | Frühlingsgemüse | Champignoncreme | leicht geräuchertes Kartoffel-Espuma | Jus | Gnocchi
Ein wenig Durcheinander wirkte das auf den ersten Blick, verglichen mit dem hübschen ersten Gang fiel es visuell etwas ab.
Kaninchen aus der Eifel
Das Fleisch saftig und weitgehend naturbelassen was den Geschmack angeht. Der Jus hatte Eleganz und trug dem frühlingshaften Charakter des Menüs Rechnung, indem er nicht zu schwer und konzentriert war, das fügte sich gut ein. Mit dem Lardo wurde nicht bardiert wie vermutet, er bildete als dünne Scheibe aus der Pfanne mittig eine Art „Teppich-Fundament“, ein Stück davon sieht man auf dem Tellerfoto von oben unterhalb der Karotte.
Die Rauchnote des Espuma war auch mit Anstrengung kaum zu erschmecken, dazu gesellte sich eine Handvoll Gnocchi. Als ich einem befreundeten Profi-Koch mit veritabler Erfahrung in Sachen Sterne- und Hochküche das Menü zeigte, schaute er sich das Foto an, zoomte kurz, gab mir mein Handy zurück und meinte „die Gnocchi sind nicht hausgemacht, 100%“.
Jetzt halte ich sehr viel von seinen Fähigkeiten und ja, die etwas feste Konsistenz sprach tatsächlich eher für hochwertige Convenience.
Aber ich möchte nicht so vermessen sein und das an dieser Stelle behaupten, es tut auch nicht viel zur Sache, geschmacklich waren sie ok und waren ja eher eine Randnotiz.
In der Abteilung Frühlingsgemüse dann wilder Brokkoli, sowie extremst bissfest ausgeführte Karotte und Babymais, beides komplett ungewürzt und uns etwas ratlos zurücklassend.
Die milde Champignoncreme war zwar da, wäre aber auch nicht vermisst worden, das Pastellige zog sich wie ein roter Faden durch wie es schien, Jus und Lardo waren die einzigen Komponenten, die aromatisch eine wirkliche Bereicherung darstellten und dringend benötigt wurden.
Etwas vom Fleisch – ich mag Kaninchen dann doch lieber geschmort auf rustikale italienische oder spanische Art – ließ ich auf dem Teller, ebenso den steinharten Mais, die Rohkost-Karotte aß ich weil ich das Gemüse als solches gerne mag.
Diesmal fand Frau Hopmann den Weg zu uns und räumte ab, nach der vorherigen Zufriedenheit sollte stets die junge Dame gefragt haben.
„Oh, hat das Fleisch nicht geschmeckt?“ fragte sie mich. „Doch schon, aber ich werde einfach nie der größte Fan von kurzgebratenem Kaninchen.“ erwiderte ich ebenfalls freundlich lächelnd.
Dann die Überraschung: „Warum haben sie das denn nicht gesagt, wenn sie es nicht gerne mögen hätten wir auch etwas tauschen können im Menü.“
Mein Begleiter und ich schauten uns kurz ungläubig an. Wir sagten ihr, dass wir das als erstes erfragt hatten und eine klare Absage erhielten.
Dann trat sie neben mich, legte mir jovial-mütterlich die Hand auf die Schulter, schaute mich an und sagte „Nein, da machen wir in so einem Fall natürlich auch gerne mal eine Ausnahme, es soll ja schmecken.“
Das ist natürlich fantastisch, es wäre nur schön gewesen, wenn die Hausherrin schon bei der Bestellung zugegen gewesen wäre und nicht die nette aber ungelernte Aushilfe, die diesen Punkt auch mit Frau Hopmann bzw. der Küche hätte besprechen müssen, sofern das hier wirklich gelebte Praxis ist, das war irritierend und unglücklich.
Ich hatte keinen Wein zu diesem Gang, gegenüber gönnte man sich einen Bordeaux, hätte ich zu den offenen Weinen nun noch gehört „Hätten sie was gesagt, dann machen wir auch gerne noch andere Flaschen auf!“ hätte ich mit gespielter Empörung das Restaurant verlassen. Nein, natürlich nicht. :-)
| Dessert |
Tonkabohnen Panna Cotta
Zitronenmelissen-Pesto | Mascarpone | Cassis | Rhabarber
Der Namensgeber für das Dessert stach optisch wenig heraus, von den Proportionen her waren die Parfaits von Cassis und Rhabarber schon dank ihrer Farben präsenter als der kleine Panna Cotta Guglhupf.
Tonkabohnen Panna Cotta
Mein Favorit war das köstliche, intensiv-fruchtige Cassis-Sorbet, aber damit kriegt man mich eigentlich immer. Etwas weniger kraftvoll naturgemäß das eher mild-säuerliche Rhabarber-Parfait, die cremige Tonka Panna Cotta fügte sich harmonisch in die brave Orchestration, es blieb aber der Eindruck von drei guten Solisten und nicht der eines wohlklingenden Trios.
Dazu noch etwas frische Erdbeere, ein Hauch eines Zitronenmelissen-Pesto, das allerdings geschmacklich kaum in Erscheinung trat und etwas mutmaßlich in Sirup gekochter und erkalteter Rhabarber.
Den Textur-Crunch erinnere ich nicht mehr im Detail, ich glaube aber weiße Schokolade war mit im Spiel, alles in allem ein stimmiger Abschluss, der sich in vielerlei Hinsicht in das bisher Erlebte einreihte.
Im Service waren übrigens neben der nun zigfach erwähnten Dame auch noch ein junger Mann und eine weitere Kollegin tätig, als wir nach dem Essen noch in Ruhe etwas plauderten, wurden wir doch auffallend häufig gefragt, ob bei uns alles ok sei oder wir noch etwas wünschen würden.
Aufmerksam war man durchaus, auch wenn man als Stammgast noch einen anderen Status zu haben scheint, was die Zuwendung der sympathischen Gastgeberin angeht, so mein Eindruck an diesem Abend.
Diese sollte uns aber noch freundlichst verabschieden als wir um kurz nach Zehn das Haus verließen und dasselbe auf dem Parkplatz taten, ich habe mich sehr gefreut meinen alten Mitstreiter nach langer Zeit wiedergesehen zu haben und das war an diesem Abend auch deutlich wichtiger als teilweise etwas blasse Gaumen-Eindrücke bei dieser Momentaufnahme.
Fazit
Ich finde es wichtig für eine seriöse Rezension eigene geschmackliche Vorlieben nicht für das Maß aller Dinge zu halten und die Küche daran zu messen. Wenn ich bei einer Ceviche erwarten würde, vor Schärfe in Tränen auszubrechen und das Gericht das nicht erfüllt, darf das in meiner Welt nicht zu einer Abwertung führen. Wenn allerdings das, was man gemeinhin mit einer Ceviche verbindet nicht im Entferntesten stattfindet, ist das ein anderes Thema.
Man merkte der Küche an, dass das gepflegte Publikum eher aus dem kulinarisch konservativen Lager stammt und dem wird Rechnung getragen in dem man Ecken und Kanten tunlichst meidet, was man auch der Karte anmerkt.
Das ist auch völlig in Ordnung, jedem seine Zielgruppe, ein Hauch Mut an der einen oder anderen Stelle hätte mit kleinen geschmacklichen Akzenten allerdings viel bewirken können. Gemessen am preislichen Niveau, der Positionierung des Hauses und der Selbstdarstellung komme ich für das an diesem Tag erlebte auf 3,5 Sterne für die Küche.
Beim Service sehe ich diesen Abend ebenfalls bei 3,5 Sternen aus den erwähnten Gründen, man war zuvorkommend und im späteren Verlauf sogar „überpräsent“, allerdings kann eine junge Aushilfskraft nicht die gastronomische Souveränität einer Frau Hopmann bieten und das Thema „Menü-Flexibilität“ war mehr als ein Fauxpas in dieser Form.
Das Ambiente gefiel mir gut, auch in Kombination mit dem Standort. Man sitzt bequem und auch wenn die Tischkultur doch arg reduziert wirkt und ich die Karten in dieser Form nicht sonderlich passend finde bin ich bei guten vier Sternen.
Bei Preis-Leistung bin ich gerade noch bei drei Sternen, wenn ich das Viergang-Menü mit von mir aktuell erlebten BIB Gourmand Menüs vergleiche sind 69 Euro alles andere als ein Schnäppchen und wir sprechen hier ja nicht über Luxus-Produkte und extremst aufwändiges Handwerk.
Und so komme ich insgesamt heute auf 3,5 Sterne als Gesamteindruck, was man als Schulnote 3+ übersetzen kann und ich möchte nochmals wiederholen, dass ich mit den Sternen immer im Kontext des Genres und des Anspruchs des Restaurants bewerte. Wenn ich eine einfache Trattoria mit vier Sternen sehe heißt das nicht, dass man dort absolut gesehen besser kocht als bei Hopmanns, es ist schlicht eine andere Abteilung.
Mein Mitstreiter war bei Preis-Leistung und Küche übrigens sogar noch einen halben Stern darunter, ansonsten waren wir uns einig.
ABER: Ich werde hier ganz sicher wieder erscheinen, denn dass hier gute Küche geboten wird ist unstrittig und man kann immer auch mal etwas Pech haben mit Geschmäckern und Tagesformen.
Auch habe ich nicht nur von einer Seite Dinge gehört wie: „Wir waren bislang zweimal da, einmal war es großartig und einmal eher mau und wir fühlten uns nicht abgeholt.“
Von „mau“ möchte ich bei immer noch guten 3,5 Sternen nicht sprechen, aber es blieb objektiv wie subjektiv an diesem Abend in dieser persönlichen Momentaufnahme – und nichts anderes sind solche Berichte - noch etwas der sprichwörtlichen Luft nach oben.