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Gesagt, getan. Letzte Woche war es soweit. Mit ein wenig Vorinformation aus dem „www“ im Rucksack wollten wir zuerst eine kleine Wanderung auf dem Zellertalweg unternehmen, dann irgendwo zum Essen einkehren, um eine möglichst gute Basis für anschließende Verkostungen bei diversen Winzern vor Ort zu haben. Die Wanderung führte vom Ortsteil Zell, der durch seine Uralt-Weinlage „Schwarzer Herrgott“ einen gewissen Bekanntheitsgrad bei Insidern genießt, immer der Pfrimm entlang über Harxheim nach Albisheim und über das Örtchen Einselthum wieder zurück nach Zell. Eine ca. 12 km lange Rundtour, bei der uns besonders die Klimagunst dieser Gegend auffiel. Und tatsächlich wirkt sich das westlich vorgelagerte Nordpfälzer Bergland (mit dem Donnersberg als höchster Erhebung), sehr günstig auf die dortigen klimatischen Bedingungen aus. Die West-Ost-Ausrichtung des Tales gilt zudem als Garant für viele Sonnenstunden. Zudem besitzen die Böden des ehemaligen Meeresbeckens fruchtbare Kalk- und Tonmergelschichten, die das Gedeihen mineralischer Weißweine fördern.
Soweit der kleine Exkurs, um die Hintergründe unserer „Zellertal-Tour“ besser einordnen zu können. An jenem Donnerstag hatte das erste Haus am Platz, das „Hotel Kollektur“ in Zell, seinen Ruhetag. Die von außen sehr urig wirkende Weinstube „Zum schwarzen Herrgott“ hat nur am Wochenende geöffnet und die Gutsschänke „Alte Brennerei“ im Nachbarort Mölsheim hatte ebenfalls geschlossen. Uns gingen also langsam die Alternativen aus. In Einselthum hatte „Weller’s Weinhäusel“ an diesem Tag ab 11.30 Uhr durchgehend geöffnet. Das passte ganz gut, da wir nicht wussten, wie lange wir unterwegs sein würden.
Gegen 13.30 Uhr trafen wir dort ein und hatten ordentlich Hunger mitgebracht. Die einzige geöffnete gastronomische Anlaufstelle weit und breit (die „Biber-Sauna“ im benachbarten Albisheim mal ausgenommen) – und das in einer Weingegend. Das wäre in der Südpfalz natürlich anders. Aber egal, andere Weine – andere Sitten. Wir betraten das seit 1888 von der Familie Weller betriebene Weinhäusel, das neben der Gaststätte ein Weingut, ein Weinmuseum und neun Gästezimmer beherbergt. „Mit em Häusel hat alles angefangen“, liest man auf der Internetseite und kann sich die Expansionsgeschichte dann selbst zusammenreimen.
Doch das schlichte Fachwerkhaus scheint seine besten Gastro-Jahre schon einige Zeit hinter sich zu haben. Nachdem wir vom Hausherr etwas nonchalant begrüßt wurden, setzten wir uns in den Gastraum, der irgendwo zwischen Weinbeiz und Stammtischkaschemme einzuordnen war. Lediglich vier Tische und ein Thekenbereich, an den sich die dahinter liegende Küche anschloss, waren auszumachen. Über einen Durchgang gelangte man zu einem wesentlich größeren Gastraum, der bei Hochbetrieb oder beim Besuch größerer Gesellschaften ins Spiel zu kommen schien. Oben über der Theke ein Gastro-Mantra älterer Tage: „Das Beste nur aus Küch‘ und Keller, gibt es hier im Gasthaus Weller.“ Na, das kann ja noch heiter werden, dachte ich mir….
Etwas weiter rechts hing über dem Stammtisch ein ausgebreiteter Schal des 1.FC Kaiserslautern, dem Pfälzer Traditionsclub, der scheinbar ähnlich wie das Weinhäusel eben nur noch von dieser lebt. Eine verblüffende Koinzidenz, die mir allerdings erst später in den Sinn kam. Ansonsten war das Innere vom Stil her in den 70ern hängen geblieben. Einfach gehaltene Holzbestuhlung, Eckbänke und Tische im Look früherer Tage. Nicht nostalgisch, sondern eher anachronistisch wirkend.
Ein eher flapsiger Umgangston machte hier die Musik und so mussten wir erst mal erklären, was uns Südpfälzer denn hier in die nördlicheren Lagen verschlagen hatte. Keine Ahnung, was die Stammkundschaft über die beiden Südpfälzer-Wandervögel dachte, aber es muss schon reichlich seltsam gewirkt haben, da einer von ihnen gleich mal ein Bier bestellte. Das war ich. Ich wusste, dass wir heute noch so einige Gläser guten Rebsaftes zu uns nehmen würden, daher die ungewöhnliche Order. Das Bier stammte ebenfalls von einem Weller, nämlich aus der Brauerei Weller aus dem mittelfränkischen Ort Erlangen. Ich goss mir das rotblonde untergärige Vollbier ins Glas. Es war aber leider weder süffig, noch köstlich, wie es auf dem Beipacketikett angepriesen war, sondern schmeckte irgendwie sauer. Und tatsächlich „wie sauer Bier“ vegetierten wohl auch die Flaschen schon eine Weile im Weinhäusel vor sich hin. Ein Blick auf das Etikett auf der Rückseite ließ keine Zweifel. Das Bier war schon seit April dieses Jahres nicht mehr haltbar.
Ich wies das freundliche, aber ahnungslose Fräulein vom Service auf diesen Umstand hin und ging geläutert zu Wein über. Eine Weißburgunder Spätlese von der Einselthumer Lage Klosterstück wurde mir als gutes Viertel kredenzt. Preislich war dieser gutseigene Tropfen im Rahmen, geschmeckt hat er mir jedoch nicht. Alt und muffig in der Nase, leicht oxidativ und außerdem ohne jegliche Säure oder Mineralik. Sprich: ein recht belangloser Weißer, den ich dennoch trotzig in mich hinein kippte. Ich setzte einfach auf die Schwere der hier angebotenen Hausmannskost, die das in meinem Magen schon regeln würde.
Und so entschied ich mich für den Pfälzer Teller (10,80 Euro), der vielleicht hier an der unmittelbaren Grenze zu Rheinhessen noch besser schmecken müsste als anderswo. Mein Kollege, ehemaliger Teilzeitvegetarier und mittlerweile Fan deftiger Pfalzküche, orderte die Saumagenscheiben (8,80 Euro) aus der wirklich vegetarierfeindlich zusammengestellten Carnivoren-Bibel. Neben den Winzergerichten, die bis auf Hand- und Winzerkäse allesamt Fleischiges auf den Teller brachten, beinhalteten die eigentlichen Hauptgerichte das komplett panierte Schnitzelprogramm, diverse Rumpsteakvarianten, deftige Pfälzer Brotzeiten bzw. Vesper, einige Alibi-Flammkuchen sowie eine knappe Handvoll Geflügeliges. Das in dieser Gegend scheinbar zum gastronomischen Kulturerbe gehörende „Hähnchen im Winzerkittel“ (= im Weinteig) war natürlich auch vertreten.
Mein Kollege bestellte zu seinem Saumagen noch einen Beilagensalat, der mit Fertigdressing leider recht fantasielos angemacht den Weg auf unseren Tisch fand. Unsere Hauptgerichte trafen kurz vorm „Sturm auf das Weinhäusel“ durch einen Bus voller Rentner auf Kaffeefahrt ein.
Mein „Dreigestirn“ bestand aus einer kleinen Scheibe Saumagen, einer stattlichen Bratwurst, einem mit brauner Soße überzogenen Leberknödel, einer anständigen Portion Weinsauerkraut sowie einem von der Konsistenz her etwas zu flüssigen Kartoffelbrei, den sie hier „Grumbeerstampes“ nannten. Warum um alles in der Welt wurde der „Grumbeerbrei“ (wie wir sagen) mit Sahne bis zur geschmacklichen Unkenntlichkeit gestreckt? Keine Ahnung, vielleicht war nicht mehr genug da für zwei Portionen. Das Sauerkraut hatte ausgiebig in Riesling gebadet, das schmeckte man. Meine Saumagenscheibe war eigentlich ungenießbar. Total salzig und überwürzt. Weit weg von Referenzsaumägen à la „Pfälzer GenussFraktion“ und dazu noch totgebraten. Selbst die kleine Scheibe konnte ich nicht zu Ende essen. Und mein armer Kollege hatte gar zwei auf seinem Teller liegen.
Wenn Helmut Kohl schon tot wäre (also so richtig tot), spätestens bei diesem kulinarischen Offenbarungseid in Sachen Pfalzklassiker würde er sich im Grabe umdrehen. Die Bratwurst war ziemlich fad im Geschmack, während der Leberknödel als einziger Fleischvertreter auf dem Teller als durchschnittliches Gaumenerlebnis gerade so durchging. Ehrlich gesagt, war ich froh, dieses Gericht ohne besondere „Nachwehen“ überstanden zu haben. Meinen Kollegen traf es da ungleich härter. Doch das ist sicherlich nicht der passende Rahmen um auf seine Erfahrungen beim Besuch des Weingutes Schwedhelm näher einzugehen.
Insgesamt war der Tag im Zellertal, der uns später noch ins rheinhessische Flörsheim-Dalsheim (Weingut Schales) führte, bereichernd. Nicht so sehr vom Essen her, sondern in allererster Linie wegen der leckeren Weißweine, die hier vinifiziert werden. Beim nächsten Besuch steht allerdings das Restaurant des Hotels „Kollektur“ auf meiner Einkehrliste. Dann wird das sicherlich auch in kulinarischer Hinsicht eine Entdeckungstour.