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Der Inhaber Nicola Vaccarelli ist in der Südpfalz kein Unbekannter. Hat er doch viele Jahre mit seinem Bruder zusammen die Wappenschmiede im benachbarten Weinörtchen Pleisweiler geführt und dort mit frisch zubereiteter Italo-Kost ein paar südländische Gaumenfreuden in die von zünftiger Hausmannskost geprägte Weinstubenlandschaft gebracht.
Was den Durchgangsverkehr betrifft hätte der Ortswechsel - zumindest im Nahraum - kaum krasser ausfallen können. Von der etwas versteckt zwischen Weinbergshügeln und dem angrenzenden Pfälzerwald gelegenen ehemaligen Wappenschmiedmühle ging es an die viel befahrene Kurtalstraße. Allein der neue Standort wird den Vaccarellis sicher deutlich mehr Laufkundschaft einbringen. Da bin ich mir sicher.
Wir parkten ums Eck im Wohngebiet und erreichten nach kurzem Fußmarsch die von Terrassenheizstrahlern gesäumte Eingangstür.
Heizstrahler weisen den Weg
Anscheinend gibt es in Bad Bergzabern das Gas umsonst. Denn der Sinn der beiden Empfangspilze auf dem völlig verwaisten Außenbereich hat sich mir bis heute nicht so recht erschlossen. Wäre ich Raucher, hätte es vielleicht Klick gemacht.
Wir hatten einen Tisch für zwei Personen reserviert. Nun, es war schon mächtig was los im behutsam modernisierten Gastraum, von dessen weinträchtiger Vergangenheit die Fassdaubenverkleidung, die Butzenscheiben und die Flaschendecke des rustikalen Nebengemachs kündeten. In jenem befand sich eine lange, bereits eingedeckte Tafel. Die dazugehörige Gesellschaft ließ nicht lange auf sich warten.
Innenansicht 1
Ich habe das Weinschlössel in seiner gutbürgerlichen Zeit zwar nie besucht, aber allein die neuangebrachten Schallschutzelemente an der Decke, der komplett neugestaltete Thekenbereich und die modernen Deckenstrahler, die am Seilsystem hingen, zeugten von jeder Menge Arbeit, welche die neuen Inhaber in den Umbau der Gasträume gesteckt haben. Von dem finanziellen Aufwand ganz zu schweigen.
Innenansicht 2
Im Service tummelten sich an diesem Freitagabend jede Menge junge Aushilfen, die alle sehr bemüht und äußerst freundlich ihre an manchen Stellen noch etwas holprige Bedienfunktion ein- bzw. ausübten. Aber lieber von ungeschultem Personal mit Herz umsorgt werden als von arroganten Routiniers in professionell dargebotener Herablassung.
Den anfänglich angebotenen, direkt an der Zugluftschneise der Eingangstür gelegenen Tisch lehnte ich dankend ab. Die Alternative war zwar nicht besonders gemütlich, aber wenigstens hielt sich hier der Frischluftschwall beim Eintritt von Gästen in Grenzen.
Ein Blick in die Runde verriet, dass die wenigen gemütlichen Ecken des für meinen Geschmack etwas zu hell ausgeleuchteten Gastraums leider bereits besetzt waren. So saßen wir eben mehr mittendrin statt nur dabei. Egal, die Speisekladden wurden uns zügig überreicht und wir kamen recht schnell in medias res.
Als Zusatzangebot wurde uns Pasta alla Ruota in drei verschiedenen Varianten offeriert. Die grundsoliden Spaghettiklassiker (Pesto, Aglio-Olio und Olio-Peperoncino), die nach der Zubereitung in der Küche noch durch den direkt neben der Theke platzierten Parmesanlaib gezogen wurden, waren auf einer laminierten Extrakarte nachzulesen.
Für erschwingliche 10,50 Euro standen die aus der toskanischen Pastaschmiede Martelli stammenden Qualitätsnudeln auf dem Beipackzettel. Meine Frau hätte die Standardkarte gar nicht mehr aufschlagen müssen. Ihre Entscheidung für die Parmesanvariante war da schon gefallen.
Ich war gespannt ob sich das Speisenangebot, das leider (noch) nicht online einsehbar war bzw. ist, im Vergleich zu vergangenen Pleisweiler-Zeiten verändert hatte. Aber erst musste die Getränkefrage geklärt werden. Die Flasche San Pellegrino wurde behutsam der Inflationsrate angepasst und schlug nun mit 4,90 Euro für den Dreiviertelliter zu Buche. Aber für den Crodino Secco wurden die gleichen 4,50 Euro abgerufen wie beim letzten Besuch im Sommer 2015. Lobenswert.
Ein Schälchen mit ordentlichem Olivenöl, etwas Fleur de Sel und ein paar Scheiben Weißbrot landeten als Küchengruß deklariert auf unserem Tisch und wurden postwendend goutiert. Solche Aufmerksamkeiten spendiert nicht jede Pizzaklause, aber der Name "Ristorante" möchte schließlich auch legitimiert sein.
Olivenöl zum Dippen
Am Konzept von früher, das vorsah, nahezu alle Gerichte in zwei verschiedenen Größen anzubieten, hatte sich nichts geändert. Auch bei der Speisenauswahl schien man auf Bewährtes zurückzugreifen. Pizza- und Pastafreunde kommen im Weinschlössel voll auf ihre Kosten. Jeweils ein gutes Dutzend Teigfladen und Nudelgerichte waren gelistet.
Italienische Standards, wie man sie von ähnlichen "Ristorautionen" her kennt, fanden sich im Vorspeisenprogramm wieder. Rindercarpaccio, Caprese, Bruschetta, Italo-Salat und Crema di Pomodoro - alles gute alte Bekannte für den Italo-Normalkulinariker.
Auch bei den Fleischklassikern ging der Überraschungseffekt gegen Null. Saltimbocca, Scaloppino in Weißwein, Milanese und Rumpsteak al Pepe verde gehören mittlerweile fast genauso zum mediterran angehauchten Gutbürgertum wie Carbonara und Bolognese.
Vorweg wagte ich für 3,90 Euro den Tomatensuppentest, ehe ich mich mit einem Milanese al Formaggio (13,90 Euro) dem gratinierten Ernst der Lage widmete. Meine panierte und mit Käse überbackene Schweinspeise wurde mit Pommes frites und einem kleinen Beilagensalat geliefert. Für den bereits erwähnten Preis erwartete ich keine kulinarische Offenbarung, aber eine würdevolle Sättigung sollte schon dabei herausspringen.
Meine Frau orderte vorweg einen kleinen "Grünen" (3,10 Euro) und ließ ihre durch den Käselaib bewegten Spaghetti noch mit Chiliöl verschärfen. Ein Viertel Montepulciano (4,10 Euro) komplettierte unseren Bestellvorgang.
Nun, bei der Suppe rutschte dem verliebten Herdgesellen wohl das komplette Salzhaferl aus der Hand. Nur mit diversen Weißbrotscheiben ließ sich die rote (Über)-Würzbrühe so halbwegs genießen. Während des Hineinlöffelns dachte ich schon an den schrecklichen Nachdurstgolem, der mich in der Nacht noch heimsuchen sollte.
Tomatensuppe
Genug Brot zum Sattwerden
An unseren beiden - zugegeben recht unprätentiös daherkommenden Salaten gab es dagegen deutlich weniger auszusetzen. Vielleicht hätte das ein oder andere Blättchen mit mehr etwas vegetabiler Frische auf dem Teller landen können. Aber das feinsäuerliche Balsamico-Dressing machte diesen kleinen Selektionsfauxpas schnell wieder wett.
Der kleine "Grüne"
Die recht blassen Spaghetti dufteten herrlich nach Parmesan und wurden am Tisch mit Chiliöl garniert. Etwas mehr Biss hätte den Teigwaren gutgetan. Ansonsten war das ein durchaus schmackiger 10-Euro-Teller, wie mir die junge Dame am Tisch bestätigte.
Spaghetti aus dem Parmesanlaib mit Chiliöl verfeinert
Den wohlfrittierten Pommes fehlte es dann zwangsläufig etwas an Salz. Aber das hatte ich schon befürchtet, da ja der komplette Vorrat des Hauses für die Tomatensuppe draufgegangen zu sein schien.
Gut gebräunte Pommes-Beilage
Was mir früher schon bei den Vaccarellis so richtig gut mundete, war ihre Bolognese-Sauce, die mein schweinernes Vulgärstück üppig bedeckte. Die in einer heißen Keramikform servierte Deftigkeit schien ihre Zeit im Ofen gut überstanden zu haben.
Milanese al Formaggio
Sie hatte genau die richtige Menge an geschmolzenen Käseraspeln vorzuweisen, die das Al-Forno-Gericht in sättigender Opulenz erstrahlen ließ. Meine Befürchtung, dass die viskose Gratinierschicht mein Milanese eventuell erschlagen könnte, bewahrheitete sich nicht.
Milanese im Detail
Aber sättigend war die gehaltvolle Fleischspeise allemal. An ein Dessert war nach diesem Magenfüller nicht mehr zu denken.
Ein Jammer, dass die Betreiber des Weinschlössels ihre apulischen Wurzeln nicht auch kulinarisch mehr in Szene setzen. Selbst die Orechiette sind mittlerweile vom Speiseplan verschwunden. Und ob man Freunde von Fisch und Meeresfrüchten mit Banalitäten wie Thunfischpizza und Spaghetti ai Gamberi längerfristig an sich binden kann, wird sich zeigen.
Schade, denn das aufwendig renovierte Etablissement würde den passenden Rahmen für eine ambitioniertere Italo-Küche durchaus liefern. Die mit ordentlich Senilschub versehene Kurstadt Bad Bergzabern dagegen eher weniger. Dieser Umstand erklärt dann auch das solide, aber letztlich doch recht monotone Standardprogramm, das nicht enttäuscht, aber eben auch nicht überrascht.