Zurück zu Wagner am Mäuerchen
GastroGuide-User: x2x
x2x hat Wagner am Mäuerchen in 42103 Wuppertal bewertet.
vor 5 Jahren
"Gastronomischer Oldtimer - so aktuell wie vor 50 Jahren. Perfekte Kontinuität."

Geschrieben am 28.04.2020 | Aktualisiert am 28.04.2020
Besucht am 07.12.2019 2 Personen
* Lang ist es her, dass wir hier waren. Wer hier zum Essen aufschlägt geht hier hin, weil es hier noch eine regionale Küche gibt. Das Restaurant besteht seit mehr als 100 Jahren, der jetzige Inhaber betreibt das "Wagner am Mäuerchen" schon rund 20 Jahre. Er scheint Erfolg zu haben, obwohl sich im Umkreis von etwa 300 Metern Vapiano, L' Osteria, Bar Celona, Yukisaki (ist nicht unanständig), Hans im Glück und weiter diverse Systemgastronomen befinden. Das "Wagner am Mäuerchen" ist ein Wirtshaus, wie man es sonst eher in Süddeutschland findet. Hier regiert noch der Chef. Hier bestimmt einer individuell die Küche, den Service, die Karte und wenn es sein muss auch kurzfristige Veränderung. Hier wird flexibel agiert, hier bestimmt keine System-Gastronomie-Zentrale aus wie viel Gramm exakt die servierten Portionen bestehen müssen. 

* Wir schreiben Samstag 07.12.2019 - Advent-und Vorweihnachtszeit. In Wuppertal sind es muckelige 13 Grad, die Sonne scheint etwas, noch 5 Grad mehr und man könnte schon draußen sitzen. Die Anhänger von Greta Thunberg tragen gerade in der Innenstadt ihre Plakate aus Pappe durch die Stadt und erinnern da den Klimawandel und an die Erderwärmung. Ich finde gerade einen Dezember mit 12 Grad angenehm. Im 17.Bundesland Mallorca herrscht dagegen gerade Unwetter.

* Hasimausi hatte mich um einen Shopping-Bummel gebeten. Wobei ich in diesem Fall das Wort "gebeten" mit "genötigt" übersetzen möchte. Ein Advent-Samstag in der City bedeutet für mich: >Weihnachtsmarkt, >Volle Straßen, >Volle Geschäfte. Dazu ein Duftmix bestehend nach Backfisch, Anis-Bonbons, Bratwurst, Poffertjes und Glühwein Gerüchen. Das ganze musikalisch untermalt von Osteuropäischen Combos, die schon fast einen Besuch beim HNO Arzt zur Folge haben. Und wenn dann bei Peek & Cloppenburg Hasimausi  mir gefühlt das 8. aktuelle Sweet-Shirt verkaufen möchte und sich bereits Sorgen um meine Sommergarderobe macht, bin ich physisch und psychisch kurz vor dem kollabieren. Was bleibt ist die Sehnsucht nach einem gastronomischen Betrieb. Sitzen, Trinken, Essen, Erzählen - herrlich. Zu meinem Erstaunen landete ich mit meinem Vorschlag (eigentlich war es schon die verzweifelte Bitte eines Verdursteten) bei meiner lieben Dame eine Punktlandung. Als ich dann das "Wagner am Mäuerchen" vorgeschlagen habe (Fußweg von P & C, 4 Minuten) schaute mich Hasimausi verblüfft an. Ihr Abwehrargument: "Soll ich etwa Eisbein mit Sauerkraut dort Essen ?" kanzelte ich als Vorurteil ab. Da die diversen Systemgastronomen (z.B. Vapiano mit Self Service Spurt) oder Pizza-Massen-Essen bei L'Osteria nun wirklich keine Alternative sind und es bis zum attraktiven Primavera Restaurant doch noch 10 Minuten Fußweg sind, willigte meine Dame unwillig ein.

* Am späten Nachmittag traten wir ein in ein Traditions-Restaurant, wie man es hier kaum noch findet. Die Bilder auf der http://wagner-am-maeuerchen.de bilden das sehr schön ab. Gerade noch 2 Tische waren frei, die freundlich Bedienung überließ uns die Auswahl, den Tisch in der Ecke fanden wir urig-gemütlich. Umgehend wurden die Karten gebracht (nennt sich hier Speisengaumerie) und die Frage nach den Getränken folgte zeitgleich. Bereits die Bierauswahl überrascht. Veltins-Pils als Industrie Bier, aber genau so das Original Uerige Alt aus der Düsseldorfer Hausbrauerei, Zunft-Kölsch und Bergisches Landbier. Und der Gag - als Aperitif wurden neben einem trockenen Sherry und einem Kürbis Secco auch Pils und Kölsch in 0,1 ltr. Gläsern anboten. Bayern würde einen Lachanfall bekommen. Wir fanden es kreativ-lustig. Wobei Hasimausi meinen Vorschlag nicht witzig fand, nämlich das ich mir jetzt 3 Kölsch a 0,1 ltr. bestellen wollte. Sie war der Meinung ich hätte diesen Aperitif-Gag nicht verstanden. Frauen sitzen manchmal 2 Meter vom Humor entfernt.

* Zur Karte. Es war ein Mix aus z.T. gewaltig rustikalen Speisen, wie z.B. Bergische Tapas bestehend aus Landblutwurst und Fleischülze, Pfannkuchen mit Bauchspeckwürfeln, Sülze, Schlachtplatte u.a. mit Bauchspeck, gebratener Blutwurst und natürlich auch das legendäre Eisbein, hier ausgelobt mit 1.100 Gramm. Ich fühlte mich versetzt ins Mittelalter. Diese Gerichte waren wohl damals für Fuhrleute vorgesehen. Wer heute über unsere junge Generation lästert, weil die mit Burgern, Chips, Pommes und Cola viel zu viel Fett essen, dem sei die Frage erlaubt, was denn bitte damals so verzehrt wurde ? Ein 1.100 Gramm Eisbein war bestimmt keine Erfindung von Weight-Watchers, selbst wenn davon 50% Knochen sind. Ein weiterer Blick in die Karte zeigte, dass die Küche aber auch zu ganz anderen Gerichten fähig ist. Also keinesfalls nur eine Küche für Kutscher und Hufschmiede und (Achtung wieder ein Vorurteil) für Maurer, Dachdecker, Gerüstbauer. Unter dem Motte "gespiegelt und gerührt" werden verschiedene Eierspeisen angeboten. Dazu Salate, verschiedenes von der Sau, aber auch gegrilltes vom Weiderind. Für Figur-und Kalorien bewusste Damen wirft der Chef auch ein Straußen-Steak auf den Grill. Und ganz besonders für Anhänger der klassisch-konservativen Küche - den Toast Hawaii. Veganer und Vegetarier werden sich hier wohl mehrheitlich mit Getränken begnügen müssen. So ist das eben, wenn das Weiderind das ganz Grünzeug weg futtert.

* Das es schon fast 17:00 Uhr war entschieden wir uns für keinen "City-Shopping-Snack", sondern für ein frühes Abendessen. Unsere Wahl: 

> Für meine liebe Dame ein 1/2 Dutzend Weinbergschnecken (7,- Euro) und das Steak (22,- Euro) vom Strauß.

> Für den Herrn die Garnelen (10,- Euro) und das Rumpsteak (22,- Euro) vom Black Angus Rind.

Die Bedienung übersah die leeren Gläser nicht und servierte weiter frisches Kölsch für mich. Und für meine Dame Alt aus dem Hause Uerige.

* Was das Ambiente betrifft fühlte ich mich in eine Zeit versetzt, als es noch Kutschen gab und der Begriff "über die Wupper gehen" damit begründet wurde, dass auf der anderen Seite der Wupper damals der Friedhof lag. Alles hier war authentisch und nicht künstlich geschaffen. Ein Blick in Richtung der anderen Gäste lies keinen Schluss über eine bestimmte Gästestruktur zu. Noch relativ junge Paare, genau so Best Ager und Silver-Surfer Shopper. Ebenso das Kundenklientel von P&C, Gerry Weber, Hallhuber, von C&A und Deichmann. Eben das ganze Konsumenten-Mix das sich Samstags so in der City bewegt. Allerdings wohl auch Menschen, die ein noch handwerklich zubereitetes Essen so mancher Convenience PP (Abkürzung für Pasta-Pampe) vorziehen.

* Die immer aufmerksame Bedienung servierte die Vorspeisen. Beides eine sehr gefällige Optik. Das machte Appetit. Mein Schälchen war gefüllt mit leckeren Garnelen. Der Koch war mit dem Chili Öl nicht sparsam umgegangen, trotzdem überstrahlte das Knoblauch-Chili Aroma den Geschmack der kleinen Meeresviecher nicht. Das dazu servierte Ciabatta rundet die attraktive Vorspeise ab. Für 10,- Euro ein Klasse Leistung. - Ebenso lobte Hasimausi ihre  6 Schnecken vom Weinberg. Ganz klassisch dazu die Kräuterbutter. Auch ihre Vorspeise wurde mit Ciabatta Brot serviert. Mein Dame war zufrieden, dem Himmel sei Dank. Hatte sie doch noch vor einer knappen Stunde zynisch unterstellt sie müsste hier Eisbein (Bäh) verzehren. Hasimausi schmeckte ihr Alt vom Uerige, mir mein Zunft Kölsch sowieso.  -  Zu den Hauptgerichten. Für Hasimausi das Steak vom Strauß mit einen Pfifferling-Sößchen. Dazu Salat und Bratkartoffeln. Das Steak hatte geschätzt gute 200 Gramm, Hasimausi fand es nicht gut, sondern war voll das Lobes, für alles was dort auf dem Teller lag. Sie lobte die Pfifferling-Sößchen genau so wie den frischen Salat. Nur die Bratkartoffeln waren ihr zu viel. Und mein Steak ? Gute 200 Gramm, spürbare Röstaromen, auf den Punkt medium well gebraten, ausgezeichnet Fleischqualität. Das hätte ich hier so nicht erwartet. Die Bratkartoffeln schmeckten so wie vor Jahrzehnten bei "Omma". Bratkartoffeln offenbar vom Koch noch selber frisch zubereitet und nicht aus dem 30 ltr. Plastik Sack von Gastroservice. Den mächtigen Salatteller überließ ich zu 50% meiner Dame. Man muss die Einnahme vom grünem Futter nicht übertreiben. Das Pfifferlingsößchen das meine Dame so lobte, wurde auch zu meinem Steak serviert, war für mich i.O. Wobei ich gerne zugestehe in den Segmenten Gemüse, Grünfutter und sonstige Felderträge nicht der Spezialist bin. Fast zum Ende des Essens erschien der sympatische Wirt/Inhaber/Koch am Tisch und fragte nach der Zufriedenheit. Wir hatte auch im Ansatz nichts zu kritisieren, ganz im Gegenteil. Wir waren voll es Lobes über diese wirklich gute, handwerkliche Küchenleistung.

* Dessert ? Fast immer verweigere ich süßes Dessert und ziehe einen Käseteller vor. Leider, leider, leider hier nicht auf der Karte. Trotzdem erspähte ich etwas anderes, reizvolles. Warmer Apfelstrudel mit Vanille Eiscreme und Sahne. So lecker wie sich das anhörte war es dann auch. Das Hasimausi darauf verzichtete war klar. Stichwort: Kalorien. Wie fast üblich reduzierte sie sich auf einen Espresso. Überzeugen konnte ich sie noch von einem Himbeergeist, mich überzeugte ich dazu selber.

Fazit: Das Essen war gut, besser als ich es in diesem Wirtshaus erwartet hatte. Gleiches gilt für den Service. Immer einen Blick auf den Tisch des Gastes, flink und freundlich. Tja und dann wäre noch das Ambiente. So viel echte Rustikalität findet man im Rheinland nicht häufig. Für unseren Geschmack zu viel Rustikalität. Trotzdem sollte der Gastronom daran nichts ändern. Das Essen was in Teilen auf der Karte angeboten wird, passt zu dieser Rustikalität. Und umgekehrt das Ambiente zum Essen. Das ist ein ganz großes Stück "wie früher" und authentisch pur !

Anmerkung: Ich schreibe diese Zeilen am 28.04.2020, also knapp 5 Monate nach dem Besuch in dieser Gastronomie. Also mitten in der Corona-Krise. Am Anfang dieser Rezension habe ich gemeckert, gemault und genörgelt über volle Straßen und volle Geschäfte am Samstag-Nachmittag in der Innenstadt. Und heute ? Wie sehr habe ich mir in den letzten Wochen volle Innenstädte mit vollen Geschäften und belebten Straßen gewünscht. Doch dieses Scheiß-Virus hat uns einen erheblichen Teil unsere Lebensfreude genommen. Restaurants sind jetzt schon seit etwa 6 Wochen geschlossen. Letzte Wochen hatten wir im April Biergarten Wetter. Dort hocken und Freunde treffen, etwas essen, etwas trinken. Nichts davon ist möglich. Freunde - mit denen ich digital kommunizieren muss - loben die Ruhe zu Hause auf der Terrasse und im Garten. Ist ja okay, aber wie viele Monate soll ich noch auf der Terrasse hocken und eine Ruhe genießen die ich de facto nicht genießen will. Urlaubsplanung 2020 ? Wo bitte, auf der Terrasse oder mit Mundschutz an irgend einem Strand rumlaufen ? Fahr zu Hölle zu Scheiß-Virus. Du machst die Menschen krank und schickst weltweit u.U. die Volkswirtschaft in den Ruin. Lieben Gruß an alle GG Freunde und bleibt gesund !!!! 
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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