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In Leipzig. Als Wessi-Berater verschlug es mich schon 1990 nach Leipzig. Mein Vorposten hatte schon ausfindig gemacht, wo man abends ordentlich Zechen und Essen konnte, jenseits des HO-Einerleis. Zwei Adressen sind mir in Erinnerung: Der Thüringer Hof und die Gosenschänke Ohne Bedenken in Gohlis.
Gohlis ist ein Stadtteil im Nordwesten Leipzigs und besticht durch endlose Straßen mit Gründerzeitarchitektur, aber auch Villen nahe am Zoo, in denen zu DDR-Zeiten hohe russische Offiziere gewohnt haben sollen.
Die Gosenschänke ist in einem Jugendstilgebäude untergebracht und verfügt über einen Biergarten mit Innenhofcharakter, der aber von der rückwärtigen Straße aus zugänglich ist. Als ich die Gosenschänke nach über 25 Jahren wieder betrat, kam die Erinnerung hoch und es hat sich nichts Stilbildendes verändert.
Wer historische Gaststätten mag, der muss einmal in die Gaststube einkehren! Auch das spezielle Bier, die Gose, die sich nicht Bier nennen darf, weil sie Milchsäure enthält, die für den säuerlichen Geschmack sorgt, ist etwas Besonderes. Ungewöhnlich für den Pilstrinker, aber erfrischend und auch ohne die vielen Aromaten, mit denen sie auf der Karte als Mixgetränk auftaucht (Berliner Weiße als grober Vergleich ist nicht falsch), genießbar.
Neben dem Ambiente und den Gosespezialitäten wirbt die Gosenschänke mit sächsischer Küche. Eine richtiggehende Regionalküche hat Sachsen eigentlich nicht hervorgebracht. Es sind Anleihen an die böhmische, thüringische und fränkische Küche, die in vielen Leipziger Lokalitäten als „sächsisch“ angeboten wird.
Wegen des Essens allein, muss man die Gosenschänke nicht besuchen, aber lest mehr.
Das beobachtete Publikum schien ganz überwiegend einheimisch (im Vorbeigehen ja auch gut zu hören). Größere Tourigruppen waren Fehlanzeige.
Das Preis-Leistungsverhältnis ist für eine „Kultstätte“ akzeptabel und vier Sterne wert.
Auf der Homepage findet man alles Wissens- und Sehenswerte zur Gosenschänke: www.gosenschaenke.de
Service:
Im Servicebereich (im Biergarten ist Selbstbedienung an der separaten „Schmankerlbude“ mit Ausschank angesagt) waren drei Kräfte im schwarzen Poloshirt mit Gosenlogo tätig. Unser junger, männlicher Kellner war freundlich und die Wartezeiten in Ordnung; nur eine Gose ließ auf sich warten und musste „angemahnt“ werden. Am Nachbartisch war eine junge Frau zugange und deutlich kommunikativer, was gut zum Haus passt. Das an unserem Tisch Erlebte ist zufriedenstellende drei Sterne wert.
Die Gose pur gibt es von zwei Brauern: Eine Döllnitzer Rittergutsgose und die Leipziger Gose. Für 0,3 l sind 2,80 € fällig, die Halbe kommt auf 3,90 €. Mit Fruchtnektar steigen die Preise auf 3,10/4,40 € und mit Likör geht es rauf auf 4,40/6,50 €. Ich versuchte zuerst die Döllnitzer Gose und dann die Leipziger Produktion. Letztere weniger säuerlich und mein Favorit. Es gibt auch „richtige“ Biere aus sächsischen (Krostitzer) und bayerischen (Erdinger) Braustätten. Eine Flasche Wasser 0,75 l verlangt 5,50 € und die Weinauswahl beginnt bei 3,90 € für schlichte Landweine.
Essen:
Die Karte ist überschaubar und die traditionellen Hauptspeisen mit Haxe, Schnitzel, Schmorbraten und Sülze erinnern an klassische Brauhausküche (vermisst werden allerdings Würste).
Aus der kleinen Vorspeisenkarte wählten wir die Soljanka (4,50 €) und das Würzfleisch (5,50 €).
Meine Soljanka war nur noch warm, als ich zu Löffeln begann, aber ich hatte beim Servieren einen kleinen Fotogang durch die Gaststube gemacht, so dass eine gewisse Abkühlung auf mich geht. Wie erwartet, war die Suppe leicht säuerlich, was die Gewürzgurkenscheibchen mit ihrem Sud und der Klacks Schmand verursachten. Dazu als Einlage Paprika- und Wurststreifen sowie Rindfleischstückchen. Zur kleinen Suppenterrine wurden eine Flasche Worcester Sauce aus Dresden zum Nachwürzen, zwei Scheiben unterschiedlichen Stangenbrots und ein Zitronenviertel gereicht. Ich war zufrieden und die Suppenuhr zeigt auf vier Sterne.
Das Würzfleisch ist auch ein Klassiker der DDR-Küche, ein Ragout fin auf Schweine- oder Hühnerfleischbasis. Serviert in einer kleinen Auflaufform und mit einem geschmacksarmen Käse gratiniert.
Die Meinung am Tisch war: Kann man essen. Mageres Hühnerfleisch in einer dicklichen hellen Soße ohne besondere Würznoten, könnte mit Spargel und/oder Champignons auch als Hühnerfrikassee durchgehen.
Meine ständige Begleiterin bekam dann die Gosesülze mit Bratkartoffeln und hausgemachter Remoulade (9,90 €). Mir war nach etlichen Kilometern Fußmarsch des Tagesprogramms nach einer Proteindröhnung zumute und die übergrillte Schweinshaxe mit Sauerkraut und Salzkartoffeln schien dies befriedigen zu können (14,50 €).
Die Sülze sehr stückig-kleinteilig und in halbkugeliger gestürzter Form. Meiner ständigen Begleiterin gefiel sie, mir war sie zu gemüsig und nicht deftig genug. Die Bratkartoffeln ordentlich gebräunt (kein Speck, keine Zwiebeln) und die Remoulade mit feinen Gurken- und Zwiebelstücken gut. Nicht angemacht war die Salatecke auf dem Teller. Die Portionsgröße überschaubar.
Meine Haxe war ein ziemlicher Trumm (Rohgewicht: 800 Gramm laut Karte), der vor dem Servieren im Salamander war, der die Schwarte krachen, resp. Blasen schlagen ließ. Leider war die Haxe nicht gepökelt und auch nicht in Brühe vorgegart. Also war viel Schneidarbeit angesagt (nichts mit Knochen rausziehen!). Auch geschmacklich bin ich kein Freund der ungepökelten Variante und so habe ich viel von dem reichlich auf dem Teller vorhanden Senf und richtig scharfem Meerrettich auf mein Haxenfleisch aufgetragen. Ich hätte halt fragen sollen, ob die Haxe gepökelt ist oder nicht. Ein Highlight das „trockene“ Sauerkraut mit perfekt ausbalancierter Süße und Säure; Wacholderbeeren zeugten von sorgfältiger Zubereitung. Die Soße schmackhaft und die Salzkartoffeln hätten gar nicht sein müssen.
Die Gesamtwertung fällt verhalten aus und ist mit 3,5 Sternen leicht wohlwollend.
Ambiente:
Die Gaststube mit ihrem Holzinterieur (Dielenboden, Täfelung, blanke Tische), der historischen Theke und der hellen, gewölbten Decke ist ein Kleinod. Einiges soll auf das Jahr 1905 zurückgehen!
Zum Biergarten hin gibt es eine überdachte Terrasse, die sich an der rechten Seite fortsetzt. Der Biergarten selbst ist eine halbe Ebene tiefer gelegen. Bautechnisch ist der Außenbereich „gewachsen“ und mit „rustikal“ positiv beschrieben. Unsere Biergartengarnitur hatte zumindest eine Rückenlehne und Polster konnte man sich holen. Man muss die Gosenschänke als Gesamtkunstwerk sehen und jede Modernisierung würde ihr etwas vom Charme nehmen.
Sauberkeit:
Nur die Damentoilette im Außenbereich wurde besucht und für gut begehbar befunden.
Ansonsten fiel lästig auf, dass die Haxe viele grünschimmernde Fliegen anzog, die sich erst mit dem Erkalten der Haxe anderen Tischen zuwandten.