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Das Atrium gehört zu meinen Favoriten, ohne, dass es ein "Lieblingsrestaurant" ist. Ich bin immer ein bißchen auf der Hut, wie Küche und v. a. Service denn heute wohl so drauf sein mögen. Heute hatte ich als Chauffeur meiner Liebsten mindestens 2 Stunden zu überbrücken, also trat ich bei schönster Frühabendsonne abenteuerlustig ein.
Wie von Pittipanna (RK) beschrieben, besteht das Atrium aus einem (empfehlenswerten) Feinkostladen bis 20.00 Uhr, dem sich anschließenden Bistro (das ist understatement: Restaurant trifft es schon) im verschachtelten Hinterhaus und dem wunderbar pittoresken, namensgebenden Innenhof.
Man befindet sich im "Viertel", dem Steintor. Hamburgkundige mögen sich Schanze gepimpt vorstellen. Also eine Mischung aus alternativen Wohn- und Lebensentwürfen, Rotlicht- und Kleindealermilieu und dazu wohlsituierte Libertins, die gerade in Umbrien oder der Bretagne weilen mögen (Nichts für ungut, wundervolle Gegenden, wundervolle Menschen, Einheimische wie Besucher). Jedenfalls: Perfektion gilt hier nichts, Spießer noch weniger, Regeln kaum mehr. Wer kommt, weiß, dass er nicht im Business-Bereich der City ist und auch nicht in den hanseatischen Villenvierteln. Und dessen eingedenk auch bewerte...
Bedienung
Der raue Charme von Inhaberin Barbara Zeck ist bekannt. Ich konnte mich allerdings auch noch nie beschweren, selbstbewusste Körpersprache ist von Nutzen. Heute sah ich die Chefin nur durchs Fenster in der Küche.
Die von Pittipanna u. a. beschriebene Servicekraft hatte ich diesmal leider nicht. Ihre Kollegin ist seit Jahren im Haus (das mag abfärben), aber nicht vom Fach, wie ihr Kollege, den ich aus anderen gehobenen Restaurants der Stadt kenne und sehr schätze. Beide gekleidet in Turnschuhe, schwarzes T-Shirt und ebensolcher Schürze über den Jeans. Die junge Dame wirkt am Beginn des Abends mürrisch, gegen Ende, als der Laden richtig brummte, ignorierte sie alle Blicke standhaft, als ich nach dem Käse noch einen Kaffee bestellen wollte. Ein Lächeln habe ich leider nicht gesehen. Von sich aus wurde wenig angeboten, was schade war, denn auf Nachfrage wurde alles prompt beantwortet, empfohlen, angesagt und erledigt, einschließlich der selbst gebastelten Fingerschale aus einer riesigen Milchkaffeeschale. Der Gast muss sich hier schon äußern... Nachgeschenkt habe ich natürlich selbst, das wird überbewertet... ;-)
Etwas nebulös die Ansprache beim Servieren: "Und einmal..." Ja? Was? Dagegen eindeutig beim Ausheben: "Ich nehm das mal mit." Warum auch nicht...
Zwei Sterne wären allerdings zu streng, erst recht angesichts der wenigen, deutlich zugewandteren Begegnungen mit dem Kollegen.
Das Essen
Ich wählte das 3-Gang-Menue für 34,5€ mit den Varianten verschieden vegetarisch gefüllte Ravioli (statt selbstgemachter Antipasti aus der Feinkosttheke oder Tagessuppe), dann Mittelmeerfischfilets mit Calamares-Tuben und Scampi (alternativ: Lammfilet in Marsalasauce oder Orangenravioli mit roter Beete und gratiniertem Ziegenkäse), Rohmilchkäse-Auswahl (statt nicht näher erläuterter Desservariationen).
Vorab Ciabatta, dessen Kruste leider schon zäh geworden war. Dazu eine selbst gemachte sehr flüssige Oliventapenade, grün und schwarz, sehr wenig Chili, daher milder öliger Geschmack, nur wenig Schärfe. Mit etwas Salz und Pfeffer ein schöner Überbrücker. Als Aperitif einen großzügig eingeschenkten o,1l Ferrari Brut DOC aus Südtirol, metodo classico aus der Chardonnay-Traube, der mir für 6,2€ ganz harmonisch und exakt gekühlt den Abend eröffnete.
Da die Bedienung die Zitronenravioli zu meinem Fischgericht anpries, ich aber nicht in zwei Gängen die kleinen Nudeltaschen haben wollte, erbat ich mit Erfolg ein (recht großes) Exemplar zu den vier (recht kleinen) weiteren der Vorspeise. Der Teig (einmal grün) bei allen sehr weich, nach meinem Gusto. Die Füllung einmal in der Tat deutlich limonig, fein. Die anderen insgesamt nur leicht würzig und für mich nicht definierbar. Erst recht nicht gegen die geklärte Butter mit knusprig gebratenen Salbeistreifen. Gleichwohl war ich mit dem Auftakt zufrieden.
Das Hauptgericht sieht auf dem Foto etwas derangierter aus, als in natura. Ein Tranche Wolfsbarsch war ebenso zart und voller Geschmack wie das bemerkenswert große Filet von der Rotbarbe. Ausgezeichnet. Etwas schade, dass bei letzterem die Haut nicht eingeritzt war, so dass sich der Fisch, wie ich finde unschön, der Länge nach (etwas) eingerollt hatte. Die Calamari-Tuben (m. E. die grammatikalische Mehrzahl) entpuppten sich als ein ca. zwei Zentimerter breiter Abschnitt, geschmacklich aber auch ansprechend und zart. Die Scampi fielen durch nicht sonderlich intensiven Geschmack auf und hatten (ganz leicht) die TK-Mehligkeit. Interessehalber ließ ich mal in der Küche nach der Herkunft fragen und war doch sprachlos: Aqaukultur aus Bangladesch. Ich hab das für einen Scherz der Küche gehalten, aber die junge Dame bestätigte mit so unsicherem Blick, dass ich es denn glauben muss. Vielleicht habe ich ja auch nur Vorurteile gegenüber asiatischen Aqua-Farmen...
Serviert wurde in einer leicht tomatisierten, etwas sahnigen Sauce, die ausgezeichnet zum Mittelmeergetier passte. Wie gut, dass ich die (für sich sehr schmackhaften) Zitronenravioli durch wirklich super-zarte Gnocchi ersetzt hatte! Dazu ein ganz zarter, geschmacklich frischer Spinat und größere Julienne.
Mal abgesehen von den Scampi ein sehr überzeugendes Gericht. Dazu nur zwei stille Wasser Magnus für angenehme 1,9€/0,25l.
Statt Dessert Rohmilchkäse-Auswahl: Übersichtlich zwei Scheib
(HILFE! MADAME BRAUCHT IHREN CHAUFFEUR!! FORTSETZUNG FOLGT!!!
Danke für die Geduld! Schmutziger kleiner Trick, um die Spannung hoch zu halten... ;-)))
Also: Übersichtliche zwei Scheiben von Taleggio, Brie (eine), Ziegensahnekäse mit roter Schimmelrinde und Comté. Schöne Entwicklung von sehr mild zu ein wenig kräftiger. Begleitet von einem selbst gemachten Aprikosen-Kirsch-Senf-Relish (vorzüglich), eingelegten schwarzen Oliven (zu kräftig bei den überwiegend milden Käsen) und dicken Scheiben eines Bauernbrotes (Weizenmischbrot, langweilig). Als Begleitung mangels eines Portweins einen Sherry Cream aus der Pedro Ximenez, der mich mit malzigem Bukett und einem ungemein schokoladigen Abgang mit dem ausgeschlagenen Dessert versöhnte (na, fast). Die 4,1€ für 0,02l waren sehr gut angelegt. Nachdem ich mich im immer voller werdenden Lokal schließlich der Bedienung fast vor die Füße geworfen hatte, konnte ich noch einen Espresso lungho ergattern, der für faire 2,3€ voll und mild daher kam. Vom Haus dazu ein Mini-Kokosbaiser, der nicht ganz durchgetrocknet war. Egal, schon seit meinem ersten Besuch verlasse ich dieses Haus nicht ohne die selbst gebackenen Baisers mit Tropfen von der Valrhona-Schokolade. Dass das Zuckergebäck zum Ladenpreis von 1 (i. W. einem) Euro auf der Rechnung erscheint, versöhnt mit vielem.
Mit einigen Nachlässigkeiten verpasst die Küche beständig den Sprung in die erste Riege der Stadt. Gewollt? Wer weiß. Denn...
Das Ambiente
... wie gesagt, Perfektion ist hier nicht das Maß der Dinge. Wer das akzeptiert, sitzt in einem wunderbaren Innenhof eines alten Gewerbeensemble (jetzt buddhistisches Zentrum), das mit viel Individualität begrünt ist (einschließlich vertrockneter oder ersäufter Kübelpflanzen). Wem es nicht auf das Sehen des bunten Treibens an der Hauptstraße ankommt, findet durch die Hofeinfahrt einen der schönsten Plätze des Viertels vor. Die zum Motto Römisches Atrium architektonisch zugefügten Fresken, Säulenstümpfe, Portikus sind sicher Geschmackssache, aber auch Äonen von Kitsch entfernt.
Alle Tische sind bedeckt, im Außenbereich buntes Muster, etwas grober und wie mir schien gewachst oder auf andere Weise witterungsabweisend gemacht. Die reservierten Tische sind eindeckt, auch Blumen. Stoffservietten. Geschirr und Besteck von WMF gute Profiware. Salz und Pfeffermühle, letztere in Form einer Weinflasche aus Holz. Innen kreatives Viertel"Durcheinander". Ebenso auf der Toilette, die die Herren mit gerahmten Fotos von Unterwäscheshootings (Kate Moss, Naomi Campbell) erfreut. Höre gern, was die Damen beim Frischmachen so an den Wänden sehen...
Für mich ist es alles stimmig.
Sauberkeit
Die Tischdecken schienen fleckig, aber hier hatte sich wohl "nur" die Imprägnierung gelöst. Toiletten frisch und sauber. Sonst nichts negatives unter den schon mehrfach beschriebenen Bewertungsparametern.