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Das 1860 im Stil des italienischen Renaissence-Baumeisters Antonio Palladio errichtete Gebäude ist schon von außen ein Schmuckstück.
Nach einer freundlichen Begrüßung und Prüfung der Reservierung wurden wir im linken Flügel an einen Fenstertisch geführt. Die Dunkelheit verhüllte gnädig den Blick auf den Parkplatz. Durch das Fenster hinter uns beobachteten wir die vorbeifahrenden Züge - ein durchaus stimmiges Bild. Der Zugverkehr war keinesfalls störend, zudem herrschte im fast vollen Gastraum ein angenehmes Stimmengewirr. Wohltuend die hohen Decken und die eleganten Rundbogenfenster, letztere im Rahmen der Renovierung extra neu angefertigt. Die Tische mit ihren schweren Naturholzplatten stehen im angenehmen Abstand. Man sitzt auf dick gepolsterten Bänken oder mit Samtvelour bezogenen, bequemen Stühlen. Große Abzüge historischer Schwarz-Weiß-Fotos rund um das Thema Eisenbahn und Bahnhof passen genial
und auch mit Corporate Identity ist kein Fremdwort.
Die Beleuchtung gerade richtig, nicht zu hell und nicht zu dunkel. Stylische Leuchter imitieren Blattwerk und spenden passend zu ihrer Farbe goldenes Licht. Indirekte weiße Beleuchtung sorgt für die ausreichende Helligkeit. Im Hintergrund läuft Bar-Jazz für die richtige "laid-back-Stimmung".
Die junge, gleichwohl erfahrene Bedienung agierte zurückhaltend, aber stets auf der Höhe. Sie drängelte uns nicht, war aber immer ansprechbar, ruhig und versiert. Über einen Wechsel der Beilage holte sie erst Auskunft in der Küche ein. Kein Problem. Die gesamte, vermutlich osteuropäische Crew war einheitlich schwarz gekleidet und hatte die fast ausreservierten Räume gut im Griff.
Ein Amuse wird nicht spendiert. Dafür sind die Portionen nicht kleinlich.
Als Vorspeise für mich Erbsencremesuppe, die mit wenig Sahne, dafür einem deutlichen Geschmack punktete.
Gemixt, aber nicht passiert, Schalenfragmente waren zu fühlen. Einziges Manko: Sehr salzig, erst recht zusammen mit den kleinen Streifen gekochten Schinkens. Etwas Frische, z.B. durch Zitrone wäre schön gewesen.
Das Stangenweißbrot war leider arg belanglos;
das geht besser.
Gegenüber freute sich der diesjährige Gastgeber über sein Vitello Tonnato und lobte auf Nachfrage den Kalbsbraten ausdrücklich.
Unsere Hauptspeisen kamen zeitlich versetzt, aber auch nicht so weit, dass es den Dalai Kulilama aus der Ruhe gebracht hätte. Mein Cordon bleu aus der Pfanne hatte eine tolle krosse Panierhülle.
Der Schweinerücken erwartbar schier und damit halt recht trocken. Leider konnte der Emmentaler im Inneren nicht recht überzeugen und auch der Schinken blieb am Gaumen unauffällig. Preiselbeeren und Zitrone gabs dazu.
Vom ersten Cordon bleu seit Jahrzehnten hatte ich mir etwas mehr versprochen, aber ich bleibe am Ball.
Dafür geriet die (ohne Aufpreis getauschte) Beilagen-Premiere überzeugend: "Kappes Teerdisch" scheint eine (vermutlich nicht nur) regionale Spezialität zu sein und ist Kartoffelbrei (hier sehr flüssig, aber mit Stücken), in den Sauerkraut gemischt ist. Weich und angenehm säuerlich.
Lecker.
Der frische Beilagensalat war ohne Ausschläge nach oben oder unten.
Beide Kameraden sangen ein Loblied auf ihre Gerichte, seien es die Kartoffelgnocchi mit perfekt geschmorten Hokkaido-Kürbis und dezenter Salbeinote auf dem einen oder die Fettucine mit Pfifferlingen und Rinderfiletstreifen (wunderbar medium gebraten!) auf dem anderen Teller.
Das soll in die Bewertung einfließen; ich hätte einen halben Punkt abgezogen.
Nach Limoncello Sprizz zum Auftakt schwenkte einer der Reservisten stilecht auf heimisches Bier um, zwei teilten sich einen Saar Riesling von Alten Reben.
Mit 48 Euro für hiesige(!) Verhältnisse schon hochpreisig; in Norddeutschland wäre man über den Preis sehr froh. Außerdem muss die Investition ins Gebäude zumindest ein wenig amortisiert werden. Es dürfte aber wohl auch Liebhaberei bzw. Mäzenatentum dabei sein. Immerhin scheint der im Immobiliengeschäft tätige Eigentümer nicht zu den ärmsten Schluckern zu gehören. Man munkelt am Ort von 2 Mio. Umbaukosten, um aus dem von der DB völlig verlotterten Kleinstadtbahnhof wieder ein echtes Juwel zu machen.
Gegenüber labte man sich an Kaffee und Crèmes aus kleinen Einmachgläsern (Limette: "Wenn man genau hinschmeckt..." Mousse au chocolat: "Die hier ist fluffiger; meine eigene ist mastiger.“ WTF?)
Ich setzte auf einen Digestif an der Bar.
War aber wohl nicht vorgesehen, denn wir ernteten zunächst erstaunte Gesichter. Erst recht, als wir anfingen, die Hochstühle vor die Theke zu ziehen. Letztlich nahm man auch diese Schrulligkeit der älteren Gäste hin und verköstigte uns gern mit Kräuterlikör und Portwein. Wir bedankten uns mit 15% Trinkgeld und waren froh, nicht in den USA zu sein, wo wohl inzwischen alles unter 20% ein no-go sein soll.
Fazit:
Der Historische Bahnhof ist zweifelsohne ein großer Gewinn für Konz und Umgebung. Handwerklich überzeugende deutsche Küche (ergänzt durch ein paar italienische Lieblinge) in einem ansprechenden historischen, aber eben auch zeitgemäßen Ambiente.