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Würde ich in Berlin wohnen, wäre die Gegend um die Oranienstraße mein präferiertes Ziel für gastronomische Entdeckungstouren. Jeden Tag dürfte ich mich entscheiden zwischen Ramen, Pho, Tacos, Falafel, Köfte und Co. Gepflegte Wirtshauskultur („Max & Moritz“), angesagte Mexikaner („Santa Maria“), trendige Asiaten („Chikogi“ u.a.) und türkische Grillfreuden („Adana Grillhaus“) existieren hier auf engstem Raum nebeneinander bzw. entlang dieser kulinarischen Vielfaltsmeile.
Abends bzw. nachts wäre das legendäre SO36, ein beliebter Club für Live-Konzerte und andere Tanzevents, meine erste Adresse. Die angefutterten Kalorien wollen schließlich auch wieder verbraucht werden. Vorher aber noch schnell das Proseminar „Adressatengerechtes Vorglühen“ in der beeindruckend sortierten Weinhandlung „Suff“ besuchen.
Vinophile Pilgerstätte...nicht nur für Weißweinzombies
Aber halt, eine ordentliche Sättigungsgrundlage darf auch beim qualitätsbewussten Umgang mit Alkohol nicht fehlen. Und genau da bietet sich – unter vielen anderen Lokalitäten in dieser Gegend – das „Goldies“ an.
Hat man es geschafft, den nahezu unwiderstehlichen Grillgenüssen aus dem Adana zu entsagen, so stehen die Chancen gar nicht mal schlecht, in diesem Frittentempel der Extraklasse zu landen. Die seit 2017 von Kajo Hiesl und Vladislav Gachyn geführte Kartoffelstabklause „Goldies“ hatte nämlich unser Interesse – danke Per! – geweckt und so landeten wir an diesem noch sehr warmen Donnerstagabend bei den Qualitätsfrittierern von der Oranienstraße.
Die beiden Ober-Goldies und Inhaber, die bereits gemeinsam in besternten Läden wie dem „VAU“ (Berlin-Mitte, seit 2016 geschlossen) und dem „Aqua“ (Wolfsburg) am Herd standen, haben im „Maison Antoine“ in Brüssel Kartoffelkunde studiert und im Frittierfach cum laude abgeschlossen. Zweifaches Brutzeln der Stäbe gilt da ja sowieso als oberste Pommespflicht. Beim zweiten Vorgang aber bitteschön in siedendem Rinderfett.
Hat man dann auch noch die richtige Erdapfelwahl getroffen, kann eigentlich nicht mehr viel schiefgehen. Was klingt, wie ein in sich schlüssiges Konzept, war aber keines, das in Berlin für sehr viel Aufsehen gesorgt hätte. Nur ihre „handcrafted sticks“ mit Ketchup und Mayo zu servieren, war den beiden Pommesbudenburschen dann auch kulinarisch zu anspruchslos und hätte sich vielleicht gar nicht gerechnet. Deshalb entschieden sie, ihre Fritten mit einer ganzen Reihe einfallsreicher Toppings zu veredeln und das Ganze als „nasty fries“ anzubieten.
Soweit die Vorgeschichte zu diesem außergewöhnlichen Imbissladen, den wir vom „Görlitzer“ aus in ein paar Minuten zu Fuß erreichten. Die hohen Außentemperaturen ließen uns vor dem zeitgeistig funktional gestalteten Gastraum Platz nehmen. Wir hatten eh nicht vor, dort lange zu verweilen, lockte doch die Oranienstraße mit diversen hochprozentigen Angeboten.
Unserem Freisitz sei Dank konnten wir wenigstens vor der recht lauten Musik aus den Boxen ein wenig entfliehen. Bestellt und bezahlt wurde drinnen an der Theke, wie das halt in solch einem Imbisslokal üblich ist. Später wurde dann aufgerufen und wir holten unsere fertigen Frittierwerke an Ort und Stelle ab.
Blick ins Innere
Doch zunächst zur dargebotenen Pommes-Parade. Natürlich gab es diese dort auch „naked“, das heißt ohne jegliches Topping. Das war uns aber zu langweilig, weshalb wir in der „nasty fries“-Abteilung stöberten und dort auch fündig wurden. Mit Petersilienpesto, Parmesan und Aioli hatte man die „Garlic Parmigiano“-Fritten (6,90 Euro) ausgestattet. Da war die vegetarische Welt unserer Fleischverzichterin wieder in Ordnung.
Garlic Parmigiano
Die mit reichlich Tomatensalsa, Guacamole, grüner Chilibutter und Aioli fast schon übersoßt wirkende „El Gringo loco“-Variante (10,90 Euro) wollte sich die andere Kollegin am Tisch schmecken lassen.
El Gringo Loco
Meinem Gegenüber war dagegen mehr nach „Beef in Paris“ (12,50 Euro) zumute.
Nasty Fries called "Beef in Paris"
Hier trafen marinierte, dünn aufgeschnittene Roastbeefscheiben auf gebratene Zwiebeln, Béarnaise-Mayo, reife Tomaten und frischen Frühlingslauch.
Die Kombi aus Fritten und rosa Tranchen vom Rind gefiel auch mir. Ich erbat eine kleinere Portion, die man mir mit einem 30%-igen Nachlass auf den Normalpreis gewährte (8,75 Euro). Schließlich hatte ich noch die Paccheri-Pasta und den Culatello-Schinken vom Mittagslunch in der Salumeria Lamuri zu verdauen. An dem von Futterflüsterer Meurling in den knusprigen Hühnerhimmel gelobten Green Chili Chicken (10,90 Euro) kam ich allerdings nicht vorbei.
Spezi, Radler und Helles (der Marke Hacker-Pschorr) holten wir uns für jeweils 3 Euro aus dem Kühlschrank und warteten auf die ausgefeilte Knollenkost, die in beschichteten Einweg-Pappschalen gepackt, nach und nach an der Theke abgeholt werden konnte. Die Portionen waren größer als erwartet und wir taten uns entsprechend schwer, die sublimierten Kartoffelstäbe zu vertilgen.
Mein Crispy-Chicken schmeckte fantastisch. Die kross frittierten „Edel-Nuggets“ vom Maishähnchen waren innen super saftig. Grüne Chilibutter und Sechuan-Chili-Öl lieferten süffige Würze.
Best Chicken Nuggets in Town
Frische Peperoni, Koriander und Zitrone aktivierten zusätzlich die Geschmackspapillen. Wow, was ein endgeiler Imbiss. Da konnte ich dem Slogan von der Webseite des Goldies: „Best bad food in town“ nur beipflichten.
Green Chili Chicken
Dass dann selbst die kleinere Frittenportion mit Rinderzubehör nicht mehr zu schaffen war, lag auf der Hand bzw. mir im Magen. Aber auch der Kollege gegenüber hatte schwer zu kämpfen. An unseren Pommes lag es nicht, da waren so lecker, wie sie auf den Bildern aussehen. Sie hatten genau die richtige Dosis Salz verabreicht bekommen und waren mitsamt der Schale frittiert worden.
Wäre hier nicht "Beef in Brussels" treffender?
Der Unterschied zu gewöhnlicher Convenience-Ware war sicht- und schmeckbar. Viel knuspriger kann man diesen belgischen Nationalimbiss nicht auf Pappe betten. Und nach einem Clubbesuch ist solch ein nächtlicher Snack sicherlich mit das beste „Drunk Food“, was man sich vorstellen kann. Der angegebene Rechnungsbetrag bezieht sich übrigens nur auf meine Speisen und Getränke, da jeder von uns separat an der Kasse zahlte.
Auch wenn nicht jeder am Tisch seiner Kartoffelration Herr bzw. Frau wurde, war es doch ein passender, wenn auch kulinarisch unprätentiöser Abschluss dieser Exkursion in die Hauptstadt. Wir vier schlenderten nach dieser mächtigen Verköstigung weiter die Oranienstraße hoch. Durch das Schaufenster der Weinhandlung „Suff“ konnte ich beobachten, wie sich Bremer Quartalstrinker ins 11%ige Gleichgewicht brachten. Vielleicht waren es aber auch Berliner.
Wir vernichteten noch den ein oder anderen Molotow-Cocktail zu „Späti“-Stunde. Eine ordentliche Alkohol-Profilaxe ist nach einem solch üppigen Mahl immer ratsam. Und ein wenig Nervenmassage vor der bevorstehenden Rückreise hat noch keinem Pädagogen nachhaltig geschadet.
Danke Berlin für die erlebnisreichen Tage, die kulturellen Highlights und das abwechslungsreiche Speiseprogramm. Bis hoffentlich bald mal wieder.