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Auf der weiss getünchent Häuserfassade prankt ein kunterbunter Adler. Eine steile Treppe führt zum Obergeschoss und somit zum riesigen Gastraum, dem man die ehemalige Dorfwirtschaft noch gut nachempfinden kann: altes Parkett mit den Gebrauchsspuren vergangener Dekaden, gediegenes Holzmobiliar, ein bollernder Holzofen, ganz hinten eine grosszügige Bühne, auf der das ambitionierte Kulturprogramm stattfindet, das den hiesigen Ort bis hin nach Tübingen und Stuttgart bekannt gemacht hat. Früher hätte man so was wohl sozio-kulturelles Zentrum genannt: mit Musikveranstaltungen zwischen Blues und Punk, mit Kabarettabenden, Ausstellungen, Theater. Hier treten Gruppen auf, die sich Ernest & the Hemingways oder Dr. Mablues & the Detail Horns nennen. Und auf den düsteren, etwas zwielichtigen Toiletten kann man noch interessiert nachlesen, wer in wen verknallt ist.
Obwohl wir am Sonntagnachmittag eher zur Kaffee-und-Kuchen-Zeit eintreffen, wird uns sofort die umfangreiche Speisekarte vorgelegt. Die Portionen an den Nachbartischen wirken riesig und deftig, doch das soll einen nicht abschrecken. So lassen wir uns ganz ausserplanmässig noch zu einem späten Mittagessen hinreissen. Das Lokal gehört der „Schmeck-den-Süden“-Initiative an. Alle auf der Karte mit einem Löwen-Logo gekennzeichneten Speisen wurden nachweislich mit Produktion aus der Region hergestellt. Hier sind noch die Lieferanten für Eier, Mehl, Fleisch, Kartoffeln und Backwaren namentlich ausgewiesen, hier trinkt man Zoller-Hof-Bier aus Sigmaringen und kippt Schnäpse von der Brennerei Blank aus Zwiefaltendorf. Für alle Alternativlinge gibt’s Yogitee und Bio-Weine, auch in 1-Liter-Pullen.
Obwohl noch vom Frühstück mächtig satt, wählen wir aus der Karte mit regionalen Köstlichkeiten (Maultaschenvarianten um die 10 Euro, Zwiebelrostbraten mit Beilagen für 18 Euro, Flädlesuppe für 3,90 Euro) eine „kleine“ Portion Käsesepätzle mit Röstzwiebeln und Beilagensalat (9,40 Euro) und einen Wurstsalat „Multikulti“ (7,50 Euro) - letzteres vermutlich in weitläufiger verwandtschaftlicher Beziehung zum hier kürzlich vorgestellten, saarländischen Lyonerigel. Multikulti? Ich tippe auf: Schweizer Käse, schwäbische Schwarzwurst, hochdeutsche Lyoner und ungarische Gewürzgürkchen, mit einer griechischen Olive und einem holländischen Tomatenachtel als Deko. Alles in allem eine gute Portion und kräftig gewürzt. Auch die Spätzleportion ist mächtig, von geschmeidiger Konsistenz und von reichlich knusprigen Röstzwiebeln gekrönt. Geradezu sensationell der Beilagensalat, der optisch erst mal einen harmlosen Eindruck macht. Doch unter einem schlichten Salatblatt mit Tomatenachtel verbergen sich ultrafein geraspelte Streifen und Scheibchen von Rettich, Möhre, Sellerie, Zucchini und Gurke. Alles Grünzeug strotzt nur so vor Eigengeschmack. Zum Abschluss noch eine grosse Tasse Kaffee für günstige 2,30 Euro. Am Ende verlassen wir mit einer Gesamtrechnung von nur 25 Euro (samt Getränke) vollkommen gesättigt und gut gestärkt das Haus.
Die Servicedamen agieren routiniert und unaufgeregt. Vermutlich ist man hier grössere Umtriebe gewöhnt. Im Sommer wird auch noch der Biergarten mit 120 Sitzplätzen bespielt. Nach wechselvoller Historie wird der Laden seit über 10 Jahren vom hiesigen „Verein für angewandte Lebensfreude e.V.“ geschmissen, der vermutlich aus einer Bierlaune heraus entstanden ist und auch das umfangreiche Kulturprogramm auf die Beine stellt. Kein Wunder, dass die Gäste schon mal eine weitere Anreise in Kauf nehmen. Wie sie wieder heimkommen, ist mir ein Rätsel. Vermutlich drückt die Polizei bei ihren Kontrollen sämtliche Augen zu.