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Die kölschen Brauhäuser machen da keine Ausnahme. Und ich gebe zu, dass ich als Norddeutscher mit einer ausgewiesenen Bierstadt als Geburtsort bis heute mit dem fremdele, was in der Domstadt auch noch stolz als Bier verkauft wird. Kölsch hat für mich nun mal nur eine entfernte Ähnlichkeit damit.
Wenn nun also der Gastrokritiker des Kölner Stadtanzeigers ein Brauhaus zum Restaurant des Jahres kürt, dann muss dies wohl ein besonderer Ort sein und wenn sich darum sogar auch noch eine – leider ziemlich traurige – politische Posse rankt, ist mein Interesse erst recht geweckt.
Außenansicht
Das „Brauhaus Johann Schäfer“ in der Südstadt ist noch immer nach der Spedition benannt, in deren Räumlichkeiten sich das Lokal befindet. Es ist liebevoll restauriert worden, setzt ganz auf Industriechic, aber durchaus mit heimeligem Flair. Die Gäste sitzen zumeist an Hochtischen, zu zweit wird’s schon arg beengt, aber Platz ist kostbar und irgendwie geht es auch mit mehreren Tellern auf dem winzigen Tisch irgendwie.
Interieur
Interieur
So wie sich schon die Gestaltung vom herkömmlichen Brauhaus-Ambiente unterscheidet, so gibt es noch einige andere Dinge, die im „Johann Schäfer“ ganz anders sind und die nahezu einer Kulturrevolution gleichkommen. Da ist zunächst mal das Bier. Ja, ich rede von Bier, denn hier wird Pils (!) gebraut. Hallelujah! Zwar fällt es nicht so herb aus, wie ich es mag, aber dafür ist es wohl auch für Kölsch-Trinker kompatibel (die hier übrigens auch Gaffel bekämen) und ich bin schon über die bloße Tatsache, hier ein gut gekühltes Gezapftes zu bekommen, mehr als glücklich. Dass es bei unserem zweiten Besuch deutlich trüber ausfällt, irritiert mich zwar zunächst ein wenig, aber andererseits beruhigt es mich auch, dass man hier dem Naturprodukt noch anmerkt, dass es eins ist.
Hefeweizen wird hier übrigens auch gebraut.
Pils (!)
Zweiter Kulturschock: Es gibt keine ruppigen Köbes, die einem ungefragt neue Gläser hinstellen. Nein, hier gibt es Bedienungen, die fragen. Und das auch noch freundlich.
Und dann die Küche! Die ist sogar offen einsehbar. So viel Transparenz würde man in einem Brauhaus wohl kaum erwarten. Wenn man einen Blick in die Speisekarte wirft, wird aber schnell klar, dass hier tatsächlich mit einem anderen Anspruch zu Werke gegangen wird. Rind und Forelle kommen aus dem Bergischen, Schwein aus dem Kreis Heinsberg, Kaninchen aus der Eifel, Kartoffeln aus Rommerskirchen. Regionalität wird hier offenbar ernst genommen.
Die Karte verheißt allerlei Verlockendes, wobei man sich beliebig zusammen stellt, wonach einem ist. Beilagen und Salate bestellt man separat, wobei sich auch hier alles deutlich unkonventioneller liest. Geräucherte Möhren mit Kerbelöl und Malzmayonnaise oder geschmorten Wirsing mit Birne, Weizen und Gerste dürfte man vermutlich nicht unbedingt erwarten, ebenso wenig wie geschmorte Rote Bete mit Lakritzjus, geräuchertem Hüttenkäse und Apfelsalat als eines der vegetarischen Hauptgerichte.
Aus den Vorspeisen wählen wir zum Teilen bei unserem Erstbesuch Kaninchen-Rillette, das mit dem hausgebackenen Brot, Gurke und eingelegten Zwiebeln eine würzig abgeschmeckte Angelegenheit ist.
Rillette "Pottsuse" vom Kaninchen
Die rauchigen Rippchen mit Rübenkraut-Apfel-Lasur sind grandios fleischig, butterzart gegart und zum Finger abschlecken köstlich mariniert.
Rauchige Rippchen
Dem steht das 24 Stunden Niedertemperatur gegarte Bürgermeisterstück mit Senfsaat, Meerrettich und Weizenjus in nichts nach. Auch dieses Fleich ist zart und geschmackvoll.
Bürgermeisterstück, 24 Stunden niedergegart
Als Beilagen wählen wir die handgeschnitzten Pommes und die geschmorten Kartoffeln mit geröstetem Speck. Beides weit über Durchschnitt.
Handgeschnitzte Pommes & Geschmorte Speck-Kartoffeln
Bei unserem zweiten Besuch starten wir mit dem geräucherten Forellenfilet mit Kohlrabisalat, geröstetem Lauchsud und Malz. Das Forellenfilet ist meilenweit von langweiliger Supermarktware entfernt, von kräftigem Fleisch und mit deutlicher Räuchernote. Eines der besten Forellenfilets, die ich in dieser Form habe probieren können. Der Sud unterstreicht die Würzigkeit ganz vorzüglich. Dieser Teller hätte auch in einem dekorierten Restaurant bestehen können. Leider war es nicht mein Teller...
Geräuchertes Forellenfilet
Angesichts der Portionsgrößen vom ersten Mal ist mir nach einer kleinen Portion Salat und so wähle ich einen Endiviensalat mit pochiertem Ei, Speck und Kartoffelcroutons. Auch hier begeistern mich die Details. Die Croutons und Speckwürfelchen sind so fein, dass man meinen möchte, jemand wollte hier seine Brunoise-Gesellenprüfung ablegen. Das Ei noch leicht wachsweich – kurzum: ein Prachtexemplar von einem Salat. Für schlanke 6 Euro in der kleinen Version zudem noch äußerst gastfreundlich kalkuliert, wie eigentlich fast alles hier.
Endiviensalat mit pochiertem Ei, Speck und Kartoffelcroutons
Meinen Göttergatten gelüstet es diesmal nach einer klassischen Bratwurst und noch einmal den hausgemachten Pommes. Die Bratwurst ist von grober Struktur und innen auch noch ganz zart rosa. Wir rätseln, ob auch die womöglich sogar hausgemacht ist. In jedem Fall ist sie sehr lecker.
Johann Schäfer Bierbratwurst
Handgeschnitzte Pommes
Ich habe Lust auf ein Kotelett. Bei vertrauenswürdiger Schweinequalität für mich immer noch eins der köstlichsten Stücke vom Tier. Das ist auch hier nicht anders, aber die schiere Größe des Fleischbrockens erschreckt mich dann doch und verlangt nach tatkräftiger Hilfe. Davon unbenommen ist der ausnehmend gute Geschmack, der einem mal wieder deutlich macht, warum man so dringend die Finger von eingeschweißtem Massengelumpe für 4 Euro das Kilo lassen sollte. Malzzwiebeln und Gerstencrunch unterstützen den Fleischgeschmack sehr gut. Ebenso auch die geschmorten Topinambur mit Spinat und einer hervorragenden Creme von geröstetem Knoblauch. Allerdings habe ich aufgrund der Fleischmenge damit leider arg zu kämpfen.
Kotelett vom Schwein mit Malzzwiebeln und Gerstencrunch
Geschmorte Topinambur mit jungem Spinat und geröstetem Knoblauch
Für Dessert ist beim zweiten Besuch beim besten Willen kein Platz mehr, beim ersten zwar auch nicht, aber da zwingt mich die Chronistenpflicht. Der Service bringt auf einem Tablett kleine Weckgläser mit diversen kleinen Nachtischen. Ich kann zumindest bestätigen, dass die zweierlei Schokoladenmousses einwandfrei und lecker waren.
Zweierlei Schokoladenmousse
Bei beiden Besuchen kommen wir um einen Schnaps als Absacker nicht herum. Auch hier bleibt man lokal - ob beim fassgereiften Korn oder beim Kümmel aus Köln-Chorweiler.
All dies ist so erfreulich anders, nachhaltig, regional und auch noch köstlich, dass sich nachvollziehen lässt, warum dieses Brauhaus eine Ausnahmestellung in der Kölner Gastronomie- und vor allem natürlich Brauhaus-Szene darstellt.
Umso bedauerlicher, und jetzt kommen wir zu der vorab erwähnten Politposse, dass man Betreibern, die mit so viel Herzblut ein attraktives und vorbildliches Konzept umsetzen und dafür viel Geld in die Hand genommen haben, das Leben so schwer macht.
Wie viele Lokale in der Südstadt befindet sich auch das „Johann Schäfer“ in einem Wohngebiet. Nur hat man hier offenbar eine lärmempfindliche Nachbarin, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, den Betrieb in größtmöglicher Weise zu torpedieren. In bester Stasi-Manier werden seitenlange Protokolle mit Fotos von Besuchern des Brauhauses angefertigt und diese an Gott und die Welt aus lokaler und Landespolitik geschickt. Das Pikante daran ist, dass die so arg Belästigte Staatssekretärin für die SPD in Thüringen ist und sie es in bester kölscher Klüngelmanier und mit all ihren Politkontakten geschafft hat, dass das Brauhaus entgegen einer ursprünglichen Konzession bis 24 Uhr nun bereits um 22 Uhr schließen muss, obwohl die Betreiber alle Auflagen erfüllt haben, die vorgegeben waren.
Da kuscht eine Stadtverwaltung also vor den vermeintlich so bedeutsamen Kontakten einer Berufspolitikerin, die sich auch nicht zu schade ist, gleich die ganz große Glocke zu schlagen anstatt mit den Betreibern das Gespräch zu suchen.
Gut, dass es eine große Welle der Solidarität nicht nur unter den Gastronomen für das „Johann Schäfer“ gibt, sondern dass auch die Gäste dem Lokal offenbar durch anhaltenden Zuspruch die Stange halten. Bei unseren beiden Besuchen, jeweils an einem Sonntag, war der Laden jedenfalls rappelvoll.
Dass man aber auch mit diesen unerfreulichen Umständen kreativ umgeht und sich zu helfen weiß, zeichnet die Betreiber aus. Seit einiger Zeit betreiben sie wenige Häuser weiter ein Pop-Up. Dorthin können die Gäste nach 22 Uhr wechseln. Denn das darf bis 24 Uhr öffnen...