Wir verwenden Cookies
Wenn Sie unsere Webseiten besuchen, kann Ihre Systemsoftware Informationen in Form von Cookies oder anderen Technologien von uns und unseren Partnern abrufen oder speichern, um z.B. die gewünschte Funktion der Website zu gewährleisten.
Die Reaktion darauf überraschend: „Die Tester haben halt einen schlechten Tag erwischt/Die stören sich doch nur an fehlenden Tischdecken und einfachem Besteck/Wir kochen für Gäste, nicht für Kritiker/Der Laden ist voll, also sind wir auf dem richtigen Weg.“
Selbstkritik sieht anders aus. Aber vielleicht liegt es ja tatsächlich nur an den abgehobenen Ansprüchen.
Schaun mer mal, wie die üblichen Verdächtigen sich so schlagen...
VIII. Sehnsucht heißt ein altes Lied der Taiga
Das Park Hotel ist Bremens einziges Luxushotel und gehörte zur Leading-Hotels-of-the-World-Vereinigung. Nach einer Insolvenz kam es aufgrund von Differenzen zwischen den Grundeigentümern und den potentiellen Betreibern nicht zu einer „bremischen“ Lösung. So griff die Dorint-Gruppe zu und investiert endlich wieder beträchtlich in das zauberhaft am Bürgerpark gelegene Haus. Da hier bis 2013 im La Terrasse der letzte Stern über der Hansestadt funkelte, war ich gespannt, ob der neue Eigentümer auch das Gourmetrestaurant wieder nach vorne bringen will. Die Eigenwerbung verspricht jedenfalls „kulinarische Höhenflüge aus der deutsch-französischen Küche“.
Bei heißen Temperaturen wäre ein Platz auf der wirklich schönen Terrasse mit Blick über den Garten im barocken Stil einschließlich künstlichem See mit Fontäne
und allegorischen Statuen natürlich toll gewesen. Allerdings räumten die jungen Damen und Herren in Kellnerkluft außen schon eilig ein, denn schwarze Wolken verkündeten ein Gewitter schweren Ausmaßes. Und tatsächlich war ich froh, gut geschützt im Wintergarten
zu sitzen, als kaum 30 Minuten die Welt sprichwörtlich „unterging“.
Die weitgehende Ausreservierung bescherte mir einen kleinen Tisch zwischen der Wand und einer Tafel, an der eine Gruppe russischer Damen Anfang zwanzig Geburtstag feierte: Alle sehr jung, sehr gestylt und sehr attraktiv. Ich halte mich ja sonst mit solchen Bemerkungen zurück: Aber, alter Schwede, hier gab es mal wirklich was für‘s Auge! Und für die Ohren. Denn die It-Girls hatten ihre eigene Geburtstagsmusik via Ghetto-Blaster mitgebracht. Der Deep-House irritierte die weiteren Gäste noch, als wir schon längst auf die Völkerverständigung tranken. Denn auch den alten Borgfelder ließ es nicht unberührt, als die russische Seele der Gastgeberin (in diesem atemberaubend asymmetrischen, cremefarbenen Traum!) bei ihrer Ansprache die Tränen in die so perfekt geschminkten Smokey Eyes trieb. Ich wurde natürlich prompt zur Teilhabe an der Geburtstagstorte eingeladen.
Was für reizende Damen!
Im Nebenraum am Buffet werkelte eine Gruppe sportlicher Männer gerade an ihrem Teambuilding. Ich konnte ihnen am Folgetag im Weserstadion bei ihrer gut bezahlten Arbeit zuschauen. Alle grüßten beim Duchschreiten des Wintergartens freundlich. Mit einem der Älteren, gerade Bambi-Gewinner der Kategorien Sport und schelmisch Grinsen geworden, wechselte ich einige ex-nachbarschaftliche Worte.
Was für nette Jungs!
Später kam dann noch eine Gruppe besoffener Dänen, die durch den Raum blökten.
Es gab weder Torte, noch freundliche Worte.
Was für asoziale Idioten!
Die Gästeschaft hat sich also schon mal nicht nur zum Vorteil des Parkhotels entwickelt, seitdem Dorint das Sagen hat.
Beim Interieur mag man streiten. Während in den eigentliche Räumen immer noch die holländischen Kacheln eine zauberhafte Rokoko-Atmosphäre erzeugen, dominieren im Wintergarten lila und Silber. Empire wird mit Art deco und zeitgenössischer Gebrauchskunst
gekreuzt, dazu noch ein großer Bonsai
muss ja nicht jedem alles gefallen.
Insgesamt jedoch eine hochwertige und und dank weißer Beschattungen
noch helle Umgebung, in der man sich durchaus wohlfühlen kann.
Die Toiletten sind ganz Grandhotel und verdienen die Bestnote.
Auch der Service trug seinen Teil zum angenehmen Aufenthalt bei. Angeführt von der zugewandten Chef de rang Frau Landsiedel, die schnell den Einzelgast und seinen Wunsch nach etwas „Ansprache“ erkannte, kümmerten sich gleich mehrere sehr junge Menschen um mich. Später stellte sich heraus, dass sich das vor zwei Tagen frisch angetretene Lehrjahr sogleich an den Gast trauen musste. Engagiert und interessiert, so ist es gut, so soll es bleiben. Die erfahrene Chefin schenkte stets aufmerksam nach, war für ein Pläuschchen zu haben und auch der Gourmetlöffel musste nicht extra erbeten werden. Zur Ente durfte ich drei Rote probieren, bis ich mich für eine Spätburgunder von Bercher aus Baden entschied (6€/0,1l). Der Aperitif-Champagner Moncuit Rosé für 15€ kam zwar unerklärlich warm an den Tisch, wurde aber nach der Reklamation unter Ausdruck ernstlichen Bedauerns sogleich getauscht. Zu den ersten Gängen gab’s eine Flasche Chardonnay aus der Bourgogne, mit 46€ gleich vierfach kalkuliert.
Nun, wer ins Luxushotel geht, braucht sich über die Preise nicht zu wundern. Kopfschütteln ist aber erlaubt...
Nach Ambiente und Service mussten also im gastronomischen Dreigestirn nur noch die Küchenleistungen leuchten. Noch guter Dinge hatte ich mir mangels Menü aus der eher konventionellen Karte selbst etwas zusammen gestellt:
Rücken und Keule vom Kaninchen (16€)
Bouillabaisse (15€)
Halbe Portion Pfifferlingsgnocchi (21€ als Hauptgang)
Gebratene Barbarie-Entenbrust (28€)
Dessert oder Käse wollte ich mir noch offen halten.
Das Baguette Marke Karo-einfach dämpfte die Vorfreude schlagartig. Es blieb gerade noch die Zeit für ein Beweisfotos am Tisch
dann wurde es ohne Murren gegen Brot in normaler Bäcker-Qualität
getauscht. Immerhin der Kräuterquark im Glas
war locker und kräftig abgeschmeckt.
Das unerwartet rustikale Amuse entschädigte.
Eine mit Käse kräftig überbackene Spinat-Pilz-Tarte, der Orange und Limettenzesten Frische gaben.
Der erste Gang kam dann flott und in ansprechender Optik auf den Tisch.
Die gebackene Praline vom Keulenfleisch war saftig und am Gaumen gut erkennbar. Über den Rücken haben die Fantastischen Vier nach meiner Erinnerung schon vor vielen Jahren gerappt: „Es könnte alles so saftig sein. Isses aber nicht!“ Im Gegenteil, knochentrocken. Und auf trockenem Kaninchenfleisch kann man ja laaaange herum kauen... Da hätte man sich wenigstens ein schlotziges Sößchen gewünscht oder etwas Fruchtiges. Stattdessen gab’s mit Piment d’Espelette geschärften Schmand und Sauce Rouille. Für mich machte das überhaupt keinen Sinn; hier ging es, da bin ich sicher, nur um den Farbeffekt. Den man vielleicht mit roten Früchten sinnvoller hätte herstellen können. Am grünen Spargel hat’s allerdings nicht gelegen, dass der Teller für mich handwerklich und in der Kombination ziemlich versagt hat.
Leider konnte die folgende, am Tisch angegossene Bouillabaisse das Ruder auch nicht wirklich herum reißen. Nicht die Karte, sondern erst die zunächst „trocken“ präsentierte Einlage
ließ erkennen, dass hier trotz angekündigter Rouille keineswegs ein mediterranes Original in den Suppenteller kam. Versammelt waren völlig geschmacksfreie Lachsforelle - talgig mit wabbeliger Haut - ähnlich fade Miesmuscheln und im Vergleich dazu sogar gute, weil knackige Garnelen mit Geschmack. Die Brühe war o.k., Pastis-Aroma Fehlanzeige. Am besten gefielen die knackigen Abschnitte von Zuckerschoten, was schon alles sagt.
Die angekündigte Sauce Rouille kam trotz zweifacher Nachfrage nicht (war wohl fürs Kaninchen verbraucht worden). Auf das auch zu spät angebotene Röstbrot verzichtete ich, um die Küche nicht etwa zu überfordern...
Als Zwischengericht hatte ich um eine halbe Portion Gnocchi mit Pfifferlingen gebeten. Dafür war es (zu) viel.
Auf der Rechnung erschien der entsprechende Hinweis „0,75“, aber das war dann auch schon egal.
Die frischen Kartoffelkissen fluffig, mit unauffälliger Pilzfarce gefüllt. Die kleinen Pilze gut geputzt und mit feinem Aroma. Gut (nämlich kurz) sautiert der Spinat, das Ganze mit nicht zuviel Parmesan leicht gratiniert.
Eindeutig der beste Teller des Abends. Aber eben (weil?) auf einem anderen, einfacheren Niveau!
Vor dem Hauptgang hatte ich nach dem trockenen Kaninchen zweimal gebeten, in der Küche zugunsten einer doch bitte maximal rosa gebratenen Entenbrust zu intervenieren.
Man ahnt die Pointe: Durchgebraten und trocken. Da hatte ich die Faxen endlich dicke und bin etwas deutlicher geworden. Auch hier punktete Frau Landsiedel mit Kundenorientierung. Der Teller verschwand ohne Aufhebens, es wurde mir die Wahl zwischen einer Alternative und einem Zweitversuch angeboten. Ich entschied mich für Letzteres und siehe da
das Fleisch von „Frankreichs beliebtester Ente“ war rosa, saftig und überzeugend. Die Haut nicht so kross, wie ich es mag, aber mit schöner Röstnote. Auch die Begleiter gut, der Kartoffelstampf noch etwas stückig mit untergehobenem Ziegenkäse. Kräftige Sauce, gute Shitakepilzen und als überraschende Fruchkomponente gut ausgewogener confierter Rhabarber. Das hat Spaß gemacht. Aber für die Bewertung muss entscheidend sein, was die Küche zunächst zum Gast schickt, nicht die Nachbesserung. Der Gang wurde komplett von der Rechnung genommen, das hatte immerhin Stil.
Ebenso, wie eine Käseauswahl
als „kleine Wiedergutmachung“ zu offerieren, die ein Koch-Azubi an den Tisch brachte und gut erklärte. Prima! Die Portion bestand aus Stilfser, Pecorino, in Prosecco eingelegtem Aperitivo und Gorgonzola. Dazu gab es ansprechend präsentiert
Birnenchutney, Apfel-Zwiebel-Marmelade, Feigensenf, Früchtebrot. Das war eine wirklich feine Auswahl, aber erforderte natürlich auch kein großes Küchenhandwerk.
Zum Abschluss wurde eine Auswahl Petits fours gereicht
Ordentliche Pâtissier-Arbeit, wenn auch meine neuen Freundinnen nicht ganz zu Unrecht etwas mehr Knusprigkeit der Macarons reklamierten. „Der (russische) Imperator verzeiht nicht so leicht wie ich!“ um auch einmal mit einem Filmzitat zu glänzen...
Mir schmeckten die Kleinigkeiten. Dazu hatte ich statt eines Kaffees als Verdauungshilfe einen Grashopper bestellt, den mir der Barchef ausgezeichnet gemischt und gekühlt an den Tisch servierte.
Der Preis des Verzehrten hätte bei voller Berechnung bei 165€ gelegen, völlig unangemessen.
Fazit: Man hat Stil, bemüht sich sehr, verfehlt aber die selbst gesteckten kulinarischen Ziele deutlich.
Ich hab arge Sehnsucht nach dem alten La Terrasse, gern auch mit etwas Balalaika-Hip-Hop...
Mit dieser Enttäuschung endete meine Tour durch die Michelin-Empfehlungen für Bremen.
Nicht alles war schlecht. Ich sehe das Topaz auf dem richtigen Weg und habe das Wels neu entdeckt. Grashoff und Das kleine Lokal sind wieder eine sichere Bank. Letzteres wurde vom gerade erschienenen Gault&Millau auf respektable 16 Punkte hoch gewertet. Das lässt doch hoffen.