Wir verwenden Cookies
Wenn Sie unsere Webseiten besuchen, kann Ihre Systemsoftware Informationen in Form von Cookies oder anderen Technologien von uns und unseren Partnern abrufen oder speichern, um z.B. die gewünschte Funktion der Website zu gewährleisten.
Ich muss zugeben, ich habe meine Vorbehalte gegenüber solchen künstlich dislozierten Architekten-Disneylands die dann als bayrisches Wirtshaus ohne jeden regionalen Bezug in der Landschaft stehen und die dank der morschen Balken irgendwelcher abgerissenen mehrhundertjährigen Schafsställe nun auf uralt-bayrisches Sennerstüberl machen oder Fietjes -Original Fischkoppbude mitten im Schwäbischen platzieren – dazu dann noch eine dirndlholzvorderhüttentragende Servicekraft mit schächsischem Zungenschlag und mein persönlicher Albtraum ist fertig. Ich mag‘s, wenn es authentisch ist – dann gerne – aber so Plastik-Touri – Fake – nein Danke. Die PR zur Eröffnung am 30.März 2017 hatte mir hier genau dies Disneyland-Gefühl gemacht. Doch zumindest im Außenbereich ist davon nichts zu merken. Leichte Anleihen, denn um manche Utensilien kommt man bei Biergartenmöbeln nirgendwo herum: da sind die braunen Holzlatten-Tische und Klappgartenstühle doch regionsneutral zu sehen.
Vor der langen, geschlossenen Wirtshausfront, (die die alten, hässlich abgeranzten gelben Rohrelemente aus den Siebzigern noch vor der Cubanita-Zeit wenig zieren), ist ein überschaubar großer Biergartenteil auf dem leider splittsteinigen Vorplatz unter den wenigen alten Bäumen und mit vielen dicht zusammenstehenden Sonnenschirmen. Dieser lockt an diesem ersten Arbeitstag der Woche und dem ersten nicht mehr so heißen Tag. Heute Mittag um kurz nach halb eins sind es durch Wind nur angenehm kühle 28° - Während die Innenstadt mit dem Granit-Steinplatten geglätteten Marktplatz nach der heißen Vorwoche noch wie ein Pizzaofen glüht, lässt es sich hier aushalten.
Die Biergartengarnituren mit Latten-Tischen und ebensolchen Klappstühlen sind von der schweren Sorte- wirken beim Hinsetzen hochwertig. Wir suchen uns einen schönen schattigen Platz- und schon kommt ein junger Mann in einem modernisierten Trachtenwams kombiniert mit Bermudajeans und hellroten Sneakers, am Kopf krasse Bürste mit kahlem Seitenschnitt. Der technische Anhang macht ihn als Kellner erkenntlich – und er fragt uns nach kurzer Begrüßung freundlich, ob wir schon Getränkewünsche hätten. Dank der Wärme sonnenklar – ein Weinschorle (0,5l 5,20€) und für mich ein Radler bleifrei (0,5l 3,80€).
Die Karten liegen auf dem Tisch – leichter Pappkarton, cremeweiß-hellgrau, nicht mehr ganz „frisch“, aber okay für Biergartenlevel. Auf einer Tafel neben dem Eingang stehen die heute als Mittagstisch angebotenen Speisen: entweder Schweinegeschnetzeltes Züricher Art mit Spätzle oder aber ein Knackiger Salat an Balsamicodressing mit Olivenöl, Thunfisch – beides zu je 7,90€ als Mittagsangebot.
Es hatte mich vorab sehr gestört, dass das Wirtshaus zwar auf der Webseite im Internet eine Speisekarte zeigt- in der aber keine Preise angegeben sind. Ich verstehe, dass es noch unschöner wäre, wenn ich mich im Internet über Preise informiert hätte, um dann in der Realität etwas völlig anderes vorzufinden. Nur würde ich dann vorschlagen, das im Internet als Überblick über die Angebotsvielfalt und nicht als Speisekarte zu deklarieren. Wenn ich es richtig gesehen habe, findet man auf der Facebook-Seite des „Wirtshaus am Europaplatz“ eine jeweils aktuelle Karte mit Preisen.
So darf man sich nicht wundern, dass auf einigen der „war gut / war ok“ Edwaiser-Bell-Plattformen auch negative Kritiken zum Preisniveau zu lesen sind, oder andere mit „kleine Portionen, teuer“. Nein – zumindest das Preisniveau kann ich nach der Karte als durchaus normal einschätzen. Gut, es scheint nach Karte nicht gerade ein Schnäppchen-Laden zu sein, aber es wirkt fair kalkuliert – es sei denn, die Portionen oder Qualität wären mau – aber das werden wir ja nach dem heutigen Besuch wissen.
Meine Frau wählt das Tagessgericht „Schweinegeschnetzeltes „Züricher Art“ mit Spätzle“ – wie gesagt zu 7,90€ und ich möchte aus der Standardkarte die „Semmelknödel in Rahm-Schwammerlsoße zu 7,90€ Der sehr nette Bedienerich (laut Kassenzettel ein typisch bayrischer Name „Sandro“ gg ) fragt meine Frau „noch ein Salat dazu?“ – was mich überrascht, das hätte ich zumindest bei Geschnetzeltem erwartet – Nein – der wäre nicht dabei – Also bestelle ich aufs grate wohl den Beilagensalat (wie ich denke für meine Frau) – keinen für mich, weil der nicht zu den Schwammerln passt (Am Ende wird es dann doch „meiner“)
Nach kurzer Zeit werden die Getränke gebracht – das typische Pfälzer Schoppeglas, bei dem der Eichstrich der 0,5l Marke so knapp unter dem Rand ist, dass der Zapfer automatisch randvoll füllt –und der Kellner (als geübte Kraft) das auch so randvoll an den Tisch bringt (wie Sandro) – bzw. als wenig-geübte Kraft dann halt die 0,5l Marke knapp erreicht. Mein bleifrei Radler ist angenehm kalt und wunderbar leicht – nicht klebrig, was ich nach der Bestellung eigentlich befürchtet hatte – recht erfrischend. Uns bleibt etwas Zeit, um uns auf dem Platz umzuschauen, etwas zu unterhalten – wunderbar entspannt – da kommt Sandro bereits mit einer großen ovalen Platte –denn das ist mehr als ein großer Teller, darauf Spätzle, Rahmsoße und Geschnetzeltes – und vor mir wird ein großer, tiefer Teller mit den Rahmschwammerln und zwei eingelegten Semmelknödeln platziert. Die Portionsgröße ist in beiden Fällen beachtlich – und optisch gut in Szene gesetzt. Das überraschend hochwertig wirkende Besteck und Servietten stehen in einem Glaskrug biergartentypisch bereits auf dem Tisch
Die Spätzle des Gerichts meiner Frau liegen goldgelb auf dem Teller, wirken durch variabler Größe hausgemacht, schmecken leicht butterig – mit Ei gemacht – hier fällt es verdammt schwer, aber ich würde auf Grund der „Perfektion des hausgemacht“ fast auf ein hervorragendes Convenience-Produkt tippen – würde aber keine Wette darauf eingehen. Das Fleisch ist „bissig“ – schmackhaft angerichtet und dass meine Frau auch die Champignons beanstandungslos isst, lässt auf gute Qualität schließen. Als Deko ist schlicht frischer Schnittlauch gestreut – sehr gut. Geschnetzeltes Züricher Art sollte auch Nierchen enthalten – die fallen mir nicht auf – und ich denke, da drücken sich doch die Köche selbst davor, da die richtige Vorbereitung mehr Arbeit macht und man keine Reklamation wegen komischen Geschmacks haben möchte. Fazit: eine sehr gute Portion gutbürgerlicher Küche – mir wäre die Soße etwas zu massiv.
Die laut Karte hausgemachten zwei Semmelknödel wirken optisch leider sehr blass. Von außen machen sie den Eindruck einer stückigen Konsistenz – doch beim Zerlegen des Knödels wirkt der Knödel von innen, als ob die Brotmasse ohne Rinde mit etwas Zwiebeln durch einen Fleischwolf gedreht wurde. Die Knödel wirken handgeknetet zu sein –sind nicht glatt rund (was sich eigentlich beim Drehen zwischen den Händen ergeben würde, oder?) – aber ich will hier nicht spekulieren, sie sind in der Konsistenz recht kompakt, geschmacklich „schmackig“ zusammen mit der auch hier rahmig-dicken Soße. Die Schwammerl sind überwiegend Champignons sehr guter fester Qualität, aber im Juni habe ich durchaus schon auf „Schwammerln“ – d.h. Pfifferlingen gehofft. Da „Schwammerl“ anderseits nur Mundartausdruck für „Pilze“ allgemein ist, okay– es hieß ja nicht Pfifferlinge. Insgesamt ist die Portionsgröße gut und wie die Soße –massiv. PLV sehr gut- auch die schlichte Deko nur mit frischem Schnittlauch gefällt.
Wir sind mitten drin im Essen – allerdings fehlt noch der Beilagensalat (3,90€). Unsere Servicekraft Sandro hat nun durch mehrere Tische mit Mittagsgästen nicht nur alle Hände voll zu tun – die Strecke vom Pass bis raus zu den Tischen wird mit flottem Schritt genommen, fragt dennoch kurz, ob was fehlt - so kommt der Salat dann doch rechtzeitig zum Essen. Zwiebelringe, zwei große Tomatenviertel, drei teilgeschälte Gurkenscheiben, zwei drei Möhrenschnipsel, sonst ein grünroter Lollo gerade noch angenehm essbar teilig und darunter dann noch zwei Esslöffel Kartoffelsalat – alles mit einem feinen Haus-Dressing abgeschmeckt. Im PLV sehr gut, der Teller wirkte auf den ersten Blick klein, hat es aber in sich – genau die richtige Größe, die ich von einem Beilagensalat erwarte.
Gesättigt winken wir dem vorbeieilenden Bedienerich – wir möchten zahlen. Er kommt kurz drauf an unseren Tisch, fragt, ob alles in Ordnung gewesen sei, „Ja, ich hätte gerne einen Bon“ – er tippt dann etwas in den Gameboy, sagt „Moment bitte“, verschwindet im Lokal und kommt gleich wieder mit dem Beleg – 28,70€ . Hätte man ihm nicht gleich eine Version mit Drucker an den Gürtel hängen können?
Fazit – auch wenn das Umfeld hier draußen auch mit der Cineplexbaustelle und der alten Fassadengestaltung noch nicht so richtig überzeugende Biergartenatmosphäre ausströmt – „it will be a nice place to be“ wie ein bayrischer hier im Badischen so schön sagt. Nichts Überragendes, sondern solide – und das hat für mich das berühmte „Etwas“, gern mal wieder zu kommen.