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Stekis' Bericht aus dem Mutter Habenicht, dem ich im Ergebnis beipflichte, auch wenn mir die "Gute deutsche Hausmannskost" etwas zu aufgesetzt betont wird. BuMüs zumindest hochgelegener Tipp iVent von Anfang 2015 und dann noch vom Alten Schweiger von der Waterkant einige gewohnt knappe Zeilen zum Michelin-gelisteten Da Piero. Das war's dann auch schon an einigermaßen aktuellen Empfehlungen, sofern etwas gehobene Gastronomie gesucht wird.
Das ist wenig, denn in der Stadt wird das hippe Monkey Rosé genannt, während der Guide Michelin nach wie vor den Platzhirsch Das Alte Haus lobt und dem Zucker mit dem Bib Gourmand ein besonders gutes PLV attestiert. Dass dabei auch eine gute Qualität erwartet werden darf, konnte ich schon nach meinem ersten Besuch bestätigen. Die dazu gehörige Kritik ist indes mit dem Portal, dessen Name nicht genannt werden darf, untergegangen.
Anlass genug, ein geschäftliches Abendessen mit einer größeren Gruppe in die Industriearchitektur der ehemaligen Raffinerie zu verlegen. Und unsere Preisabsprachen Zucker betreffend bezogen sich nur auf die Rechnung, ehrlich...
Vorweg: Küche und Service haben durchweg erfolgreich gearbeitet. Eine eindeutige Empfehlung für Braunschweig, sowohl mittags, wie am Abend.
Bereits das Ambiente ist durchaus bemerkenswert. Der Blick der vielen Paare, die hier ungezwungen genießen, fällt nur verstohlen zum Geburtstagstisch von Niedersachsens bekanntestem Bankdirektor. Ansonsten auf die rauen Ziegelmauern, die durch hohe Fenster durchbrochen sind, so dass es tagsüber schön hell ist. Draußen allerdings nur ein Parkplatz und die hauseigene, eben nicht sonderlich idyllische Terrasse. Deren Gäste können sich ja immerhin zum Fabrikgebäude umdrehen. Im Inneren herrscht gerade kein shabby-chic. Etwa zur Hälfte der hohen Halle wurde durch einen Zwischenboden zusätzlicher Platz geschaffen. Oben befindet sich die nicht einsehbare Küche, darunter die Bar und ein kleiner, etwas düsterer Bistrobereich mit Hochtischen.
Praktisch, aber etwas lieblos die fahrbaren Garderobeständer. Da das weitere Fabrik-Ensemble noch von Büros und hochwertigem Einzelhandel genutzt wird, befinden sich die insoweit allgemein zugänglichen Toiletten etwas gewöhnungsbedürftig nicht im Restaurant, sondern "über'n Gang". Abends fällt das nicht nachteilig ins Gewicht. Im hohen Bereich der Halle nehmen nur die rostigen Strahler das Industrieambiente auf. Dagegen schafft am Boden der braune Marmor (gerade wieder in der Essener Rathaus-Galerie gesehen) und die eingedeckten, zumindest teilweise recht eng gestellten Tische einen hochwertigen Gegenpart. Der Preis für den Steinfußboden und das Mobiliar im Stil der klassischen Moderne ist eine leicht kühle Atmosphäre.
Indes habe ich mich weder in der Gruppe, noch als einzelner Gast unwohl gefühlt, zumal leiser Klavierpop (Clapton, Beatles, Elton John usw.) in kurzer Schleife erklingt. Schwerer wiegt da schon der von keinen Raumtextilien gedämpfte, nicht unerhebliche Geräuschpegel. Für unseren nicht zu vermeidenden beruflichen Austausch sehr störend. Was tun? Kurz entschlossen baten wir, neben die Bar umziehen zu dürfen. Dort saßen wir für uns und relativ ruhig. Bei zwei wesentlichen Nachteilen: Die hohen Hocker und Bänke waren gut gepolstert, aber mit der Zeit wird das Sitzen mit den Füßen auf einer Stange doch recht unbequem. Da sorgten eben mehrere Ausflüge in die Peripherie für Durchblutung. Deutlich dramatischer jedoch, dass es unter der Zwischendecke sehr schummrig war. Wie sollten denn da die Fotos für die Kritik gelingen? Grübel, grübel. Heureka! Mittags drauf noch einmal hin und die Speisefolge im Wesentlichen erneut bestellt! Das Leben kann so einfach sein...
Unser Umzugswunsch machte am Abend den drei jungen Menschen in klassischer Kellnerkluft (schwarze Hose, weißes Hemd/Bluse, Herren zusätzlich mit Weste, Schürze mit Logo) ordentlich Dampf. Aber da konnte man mal sehen, was eine gut organisierte, aufgeweckte Crew zu leisten vermag. Unsere "Hilfe"versuche freundlich unterbunden, war in Windeseile komplett neu eingedeckt. Zwei Tischdecken. Wein- und Wassergläser. Gutes Gastrobesteck. Tulpe in kleiner Porzellanvase. Hut ab!
Auch den weiteren Abend gestaltete der Service, an der Spitze eine junge weibliche Fachkraft mit einem Kollegen und einer Auszubildenden angenehm. Aufmerksam, kompetent auf dem jeweiligen Stand, schnell sowieso, durchweg dem professionellen Niveau des Zucker entsprechend. Die Karten wurden offen gereicht,ordentlich eingesetzt und ausgehoben. Dass die Auszubildende noch lernt, liegt in der Natur der Sache. Lediglich bei der Weinberatung fehlte auch der Erstkraft fast zwangsläufig noch etwas Wissen. Nachdem das zunächst etwas zu hemdsärmelig überspielt werden sollte, klärten die wahren Connaisseure am Tisch die Fronten. So konnte ich (mit dem Service) manches lernen und schnell hatten wir uns wieder lieb. Übrigens ein gutes Beispiel, dass es fast immer erfolgreich ist, deutlich - aber höflich - zu sagen, was und wie man es möchte. Schweigen und ärgern macht doch meist nur schlechte Laune. Hier habe ich jedenfalls sehr gern ein kräftiges Trinkgeld auf die nach meiner Erinnerung durchschnittlich 65€ pro Nase gegeben.
Am nächsten Tag war dann die Serviceleiterin für mich da, die uns schon im Jahr zuvor sehr positiv aufgefallen war. Kompetenz gepaart mit einer freundlichen Souveränität. Selbstverständlich (nein, eigentlich nicht) war es möglich, aus der Abendkarte zu wählen. Immer da, wenn der Gast etwas braucht, teilweise bevor er es selber realisiert hat. Auf Augenhöhe ohne eine Spur von Überheblichkeit. Was ich mir btw von Frau Mona Schrader im Hannoveraner Jante vor kurzem durchaus auch gewünscht hätte.
Die Küche grüßte an beiden Tagen mit vier Brotsorten
und drei Buttervariationen: mit Salz, Safran und Bärlauch.
Das sah gut aus und war auch am Gaumen erfreulich. Weiteres Brot wurde angeboten.
Los ging es dann mit dem Klassiker Spargel und Schinken. Aber wie!
Das Stangengemüse grün und weiß, dazu toskanischer Schinken, gekochter Schweineschinken, Rinder-Carpaccio etwas dicker geschnitten und einen Rindfleischchip gebacken. Die verschiedenen Texturen, Geschmäcker und Farben sprachen gleich mehrere Sinne positiv an. Mehr als nur Begleiter waren grüner Spargelschwamm, ein PERFEKTES
Wachtelei und eine leichte Majonäse mit Eierstückchen. Weitere geschmackliche Akzente setzten Kerbel und Bärlauch. Besser kann man den Frühling nicht auf den Teller bringen. Volle Punktzahl für diesen Teller.
Dazu einen Sauvignon Blanc aus dem Trentino.
Zweiter Gang war eine aufgeschäumte Morchelsuppe
guter Pilzgeschmack, leicht pikant. Die Maronenfüllung des exakt gegarten Raviolo konnte sich geschmacklich nicht wirklich bemerkbar machen. Nicht schlecht, 4 Sterne, aber nicht herausragend. Dachte ich noch am Abend. Beim Mittagsbesuch dagegen beglückte mich die Küche mit großzügiger Zugabe von perfekten Morchel-Exemplaren. Das war gleich "'n ganz annern Schnack", um es mal bremisch auszudrücken. Dazu im sehr heißen Teller ein Potpourri frischer Kräuter: Geschmacksexplosion! Und jetzt ohne Zweifel auch 5 Sterne.
Als Hauptgericht hatte ich ganz unüblich Rinderfilet gewählt.
Es kam perfekt saignant wie gewünscht und wunderbar zart, ohne beliebig zu wirken. Dazu ein leicht gebundenes dunkles Sößchen, hmmm.
Auch bei diesem Gericht haben mich die saisonalen Begleiter genauso überzeugt, wie der Hauptdarsteller. Der frische Spinat war nur kurz blanchiert, noch in Form, aber weich. Kein Vergleich mit dem zähen TK-Zeug, das man ohne Ende trocken kauen kann. Der schwarze Morchelcannelono war eine optische und handwerkliche Freude. Der Teig mit (vermutlich auch) Spinat gefärbt, darüber mit Streifen von hellerem Grün ein Muster gelegt. Die Füllung war dagegen nicht so intensiv, wie ich sie erwartet und zum Fleisch auch geschätzt hätte. Trotzdem gut. Ebenso trifft das auf den zurückhaltend getrüffelten Kartoffelstampf zu, der mit einem Confit von roten Zwiebeln den Teller schon fast zu umfassend füllte. Nur knapp unter der Höchstnote.
Im Glas ein badischer Spätburgunder.
Andere Gäste wählten Steinbutt oder Wildfleischküchle mit angebratenen Spätzle (etwas ausgekühlt, wurden flugs erneuert) und Steinchampignons in Rahmsauce oder den signature dish, Tafelspitz vom Kalb mit einer sehr pikanten Meerettichsauce. Kann ich von meinem ersten Besuch sehr empfehlen, auch wegen der klassisch eleganten Darreichung, die man nur noch selten findet, erst recht hier im Norden.
Überall zufriedene Gesichter.
Auf ein Dessert wurde verzichtet. Ich hielt mich zu vorgerückter Stunde auch vom Kaffee fern. Trotzdem wurden wir alle mit selbst gemachten Macarons verabschiedet.
Nach einem solchen Abendmahl können vielleicht Kurpfälzer mittags schon wieder üppig zuschlagen. Ich hielt mich als dritten Gang dagegen an einen Caesars Salad
mit einem crunchy Brotchip, ebenfalls knusprigem Speck, gehobeltem Parmesan und sehr wahrscheinlich selbst hergestellten Croutons. Ungewöhnlich, aber lecker die Würfelchen vom enthäuteten Tomatenfleisch. Tadellos, 4,5 Sterne.
Statt Dessert mal wieder ein Gläschen P.X. Sherry von Lustau.
Jetzt gab es auch eine Koffeinportion für die Heimfahrt; der Wunsch nach einem verlängerten wurde sofort verstanden. In der heißen Tasse serviert und dazu ein Happen saftiger(!) Topfkuchen mit Frucht.
Ein erneut rundum gelungener (Doppel-)Besuch im Zucker, das von mir eine Aber-sowas-von-Empfehlung erhält!