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GastroGuide-User: marcO74
marcO74 hat Restaurant Pfälzer Genuss Fraktion in 76833 Frankweiler bewertet.
vor 9 Jahren
"Saumagen und Bouillabaisse statt Baader und Meinhof"
Verifiziert

Geschrieben am 01.05.2016 | Aktualisiert am 02.05.2016
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Besucht am 28.04.2016
Fraktionsrepublik Deutschland – und das sowohl in politischer, als auch in kulinarischer Hinsicht!

Die Rote Armee Fraktion, kurz RAF, welche unser Land besonders in den 70er und 80er Jahren terrorisierte, macht - Gott sei Dank - mittlerweile nur noch auf DVD oder in Buchform von sich reden (von ein paar gescheiterten Überfällen auf Geldtransporter in den letzten Jahren einmal abgesehen).
 
Die Rote Gourmet Fraktion (RGF) von Ole Plogstedt, einem Mitglied der Kochprofis auf RTL 2, bekocht und catert seit 20 Jahren deutsche und internationale Rockbands auf ihren Tourneen. Ein Konzept mit scheinbar großem Erfolg: Rammstein, die Toten Hosen und Jan Delay zählen zu den zufriedenen Kunden.

Die Pfälzer GenussFraktion (PGF) ist kein regionaler Ableger der Zweitgenannten, sondern ein Restaurant im beschaulichen Örtchen Hainfeld, direkt an der touristisch hochfrequentierten Weinstraße gelegen. Und das mit unüblicher Konzeption. Das von Kathrin Hoffmann und Dominic Theobald (früher „Cantina Majolika“ und „Fleur de Sel“, Karlsruhe) im Herbst 2015 eröffnete Lokal hebt sich allein schon dadurch von anderen Speisetempeln der Region ab, da man hier normalerweise seine Speisen und Getränke an der Theke bestellt und auch abholt. Auch die Tatsache, dass keine Reservierungen entgegengenommen werden (eine Telefonnummer wird man vergeblich suchen), spricht für die eher ungewöhnliche Herangehensweise des Betreiberpaares, deren moderne Weinstubenvariante für authentische Gerichte und leckere Pfalzweine (vornehmlich vom Hausweingut Hundemer) in schlichtem Landhausambiente steht.

Als ich das letzte Mal das schmucke Sandsteingebäude am Ortsausgang von Hainfeld ansteuerte, hieß das Restaurant noch „Weingalerie“ und wurde von Sandra Bernhard und Jochen Sitter (jetzt „Hubertushof“ in Ilbesheim) geführt. Lang ist es her. Die Terrasse vor dem Gebäude war schon mit Tischen und Stühlen versehen. Wenn hoffentlich bald die Temperaturen klettern, steht der Freiluftsaison nichts mehr im Weg. Auf Nachfrage erfuhren wir, dass demnächst auch die ein paar Schritte weiter gelegene „Weinwiese“ (direkt am Radweg nach Rhodt u. d. Rietburg) eröffnet wird. Da freue ich mich schon auf den nächsten Besuch, wenn ich zwischen Reben und Pfälzerwald sitzend und meinen „Saumagen anno 1900“ mit Blick auf die Rheinebene essen kann. Pfälzischer geht’s doch eigentlich gar nicht!

An diesem kühlen Donnerstagabend war an Draußensitzen noch nicht zu denken. Also rein ins Sandsteingemäuer. Im Inneren führt der Weg unweigerlich am Empfangs- und Bestelltresen vorbei. Ich kenne den Wirt bzw. Koch Dominic Theobald schon einige Jahre und unser Wiedersehen lässt sich durchaus als freundschaftlich bezeichnen. Mein Kollege und ich ließen uns unweit der Theke auf bequem gepolsterten, rustikalen Eichenholzstühlen nieder. Auf den blanken Holztischen befindet sich außer der in schlichtem Weiß gehaltenen Tischdecke lediglich ein Teelicht in einer entleerten Dose Hausmacher Wurst. Alles scheint hier reduziert auf das Wesentliche. Das Besteck wird mit dem Essen an den Tisch geliefert. Die Getränke werden an der Theke in entsprechende Gläser gefüllt. Das schnörkellose und ungezwungene Design des Interieurs spiegelt sich in Form freiliegender Deckenbalken, einem hellen Holzdielenboden, sparsam eingesetzter Bilder an den vornehmlich weißen Wänden sowie moderner Wandleuchten wider. Letztere tauchen den durch rote Trennelemente unterteilten Gastraum in angenehm gelbes Licht. Wer auf die Toilette muss, benutzt die Treppe ins 1.OG und kann sich dort erleichtern.

Wir saßen im vorderen Bereich des „Fraktionsgebäudes“ und waren deshalb von Sandsteinmauern umgeben. Direkt am Fenster sitzend, machten wir es uns gemütlich und studierten die Speisen- bzw. Getränkekarte. Es war noch recht früh am Abend und außer uns waren lediglich drei weitere Tische belegt. Dominic Theobald, der früher nicht vom Herd wegzubekommen war, schmiss den Service, was bedeutete, dass er an diesem Abend genug Zeit hatte, die bestellten Speisen und Getränke zu servieren. Ein Abholen an der Theke war also gar nicht nötig.

Unser Chef de Service markierte einen Wirt ganz alter Schule. Mit seiner lockeren, dialektgefärbten Zunge („Hänner Hunger unn Durscht?“) und seiner auf die Gäste zugehenden Art, sammelte er nicht nur bei uns kräftig Sympathiepunkte. Dabei agierte er immer kompetent beratend in Sachen Speis und Trank. Solche Wirte gibt es nicht mehr viele in der heutzutage leider etwas steif gewordenen Gastrolandschaft, die zwar häufig einen auf „casual fine dining“ macht, aber gerade in Sachen Service oft viel zu verkrampft auftritt. Man merkte sofort, dass da einer mit Erfahrung zu Werke ging. Nicht unbedingt ausschließlich auf das Bedienen bezogen, sondern eher auf die Kulinarik hinter den Kulissen. Mit der ihm eigenen Nonchalance hat er uns jedenfalls einen unterhaltsam genussvollen Abend beschert. Kurzum: wir fühlten uns hier sehr wohl.
   
Im Gespräch entlockte ich ihm einige Informationen zu den Abläufen und zur Organisation in seinem neuen Gasthaus. Ich dachte mir schon im Vorfeld, dass sich sein Aufgabenbereich als „Fraktionsvorsitzender“ nicht allein auf die Servicetätigkeit beschränkt. Sein Können und seine Erfahrung als Koch wirft er bei der Vorbereitung der Gerichte gekonnt in die Waagschale, so dass seine Lebensgefährtin die Küche im Grunde unabhängig leiten kann. Unterstützung durch Aushilfen sind nicht ausgeschlossen! Seine Rezepte und Ideen sieht er dabei adäquat umgesetzt. Neider würden wohl behaupten, dass er sich als Koch gekonnt selbst „outgesourced“ habe. Aber das ist ja so nicht richtig, denn Herr Theobald bereitet nach wie vor seine Gerichte mit viel Mühe und ohne zusätzliche Geschmacksstoffe (wie er auch auf der Homepage versichert) zu bzw. vor. Sein Verzicht auf Pülverchen und Convenience-Produkte unterstreicht sein Streben nach authentischem Geschmack, um den es ihm beim Kochen in erster Linie geht.

Die Standard-Karte kommt als Faltblatt und wechselt saisonal. Dabei gibt es einige Basics, die quasi immer erhältlich sind. Vier Vorspeisen und sechs Hauptgerichte habe ich gezählt. Dazu noch eine kleine Auswahl an Flammkuchen und drei Desserts. Ein bewusst klein gehaltener Rahmen, der dem Zwei-Personen-Konzept auch organisatorisch in die Hände spielt. Je nach Marktlage und Kochlaune wird dann so mancher Klassiker auch gern mal auf die Schiefertafel mit den Tages- bzw. Wochenempfehlungen gesetzt. Das waren der Salat St. Tropez (mit Tomaten, Thunfisch, Zwiebeln, Oliven und Ei für 9,50 Euro), der bereits erwähnte Pfälzer Saumagen anno 1900 (gesotten, nicht gebraten) mit Sauerkraut und Kartoffelstampf (8 Euro), eine Bouillabaisse mit Sauce Rouille (16 Euro), eine Königin-Pastete mit Ragout Fin vom Kalb (10,50 Euro) und eine kräftige Hühnersuppe (6 Euro).
 
Allein diese Empfehlungen machten mir die Entscheidung nicht leicht. Nicht zu übersehen ist der französische Einschlag, den viele Gerichte haben. Ob das die Kutteln „provencal“ in würziger Tomatensauce (11,50 Euro) sind oder das halbe Dutzend bretonischer Austern (13,50 Euro) als Vorspeise. Auch die rosa gebratenen Kalbsnierchen in Dijon-Senfsauce (16 Euro) bzw. das „Boeuf Bourgignon“ mit Kartoffelstampf (ein echter Theobald-Klassiker; 15 Euro) huldigen kulinarisch unserem Nachbarland. Dass es auch deftig pfälzisch zugeht, beweist das „Ilbesheimer Kunschdhäwelfläsch“ (gewürzter Schweinenacken auf Rieslingzwiebeln; 13,50 Euro) mit lauwarmen Kartoffelsalat. Und eben der bereits erwähnte Old-School-Saumagen bei dem auf Pökelsalz und andere Geschmackszusätze verzichtet wird.
    
Genau den wollte ich als Vorspeise haben. Anstatt zwei, lag dann eben nur eine Scheibe Saumagen auf dem Teller. Ganz anders als im gebratenen Zustand ist beim gesottenen „Ursaumagen“ die Konsistenz eher mürbe. Zusammen mit der lecker abgeschmeckten, typischen braunen Soße (die man von den Leberknödeln her kennt), etwas Sauerkraut mit Speck und einer rustikalen Scheibe Bauernbrot war das ein deftiger Genuss ganz im Sinne der Pfalzfraktion. Die enthaltenen Kartoffelstückchen waren perfekt gegart. Sein typisches Aroma erhielt er durch die richtige Dosis Majoran. Zudem war des Pfälzers Lieblingsgericht mit 7,50 Euro preislich äußerst fair kalkuliert. Dazu ein Viertel Silvaner vom Hausweingut Hundemer (4 Euro). Ein unprätentiöser Trinkwein, der auch im Sommer auf der Terrasse funktioniert. Mein Kollege blieb beim Mineralwasser (0,75 l für 2,50 Euro!!!) und orderte einen kleinen Beilagensalat (3,50 Euro) vorweg, der mit schlicht mit Essig und Öl angemacht war.

Beim Hauptgang entschied er sich für das „Kunschdhäwelfläsch“, das aus zwei saftigen Scheiben Nackenbraten vom Schwein, einem Bett geschmorter Rieslingzwiebeln, einem Kleks Kartoffelsalat (klassisch angemacht mit einer Vinaigrette) und etwas dunkler Bratensoße bestand. Er war hochzufrieden mit seiner gewählten Hausmannskost. Da ich um die gastronomische Vergangenheit des Koches Dominic Theobald wusste (er hat jahrelang in der „Einigkeit“ zu Wörth unter Kultkoch Franz Klöffer gearbeitet, dessen Bouillabaisse überregionalen Bekanntheitsgrad besaß, Anm.), fiel meine Wahl auf die französische Fischsuppe, die ganz stilecht mit Sauce Rouille, gerösteten Brotchips und Käse serviert wurde. Sie versetzte mich mit dem ersten Löffel ins Restaurant „Miramar“ am Vieux Port von Marseille. Durch das Pürieren hatte sie die typische Trübe einer „vraie Bouillabaisse“, wie sie im Süden Frankreichs auch genannt wird. Darin schwammen saftige Fischstücke (Kabeljau und Seelachs), zwei ansehnliche, perfekt gebratene Jakobsmuscheln, etliche Garnelenschwänze sowie eine gute Handvoll Bouchot-Muscheln. Die Suppe schmeckte fantastisch. Etwas Vergleichbares habe ich in unserer Region bisher noch nicht gegessen. Die Meeresfrüchte und der Fisch waren von ausgezeichneter Produktqualität. Die Brühe selbst war sehr stimmig abgeschmeckt und harmonierte mit den Rouille-Käse-Brotchips hervorragend. Wenn draußen auf der Weinstraße plötzlich Fischerboote vorbeigefahren wären, ich hätte mich nicht gewundert. Und über den Preis von 16 Euro verliere ich an dieser Stelle mal besser nicht allzu viel lobende Worte. Authentischer kann man das bei diesem Wareneinsatz kaum kochen.

Dazu trank ich einen zitrusfrischen Sauvignon Blanc (0,25 l für 5,50 Euro), der ebenfalls vom Weingut Hundemer, denen die Räumlichkeiten am Ortsausgang von Hainfeld gehören, kam. Auch er lief mir gut die Kehle runter. Nichts Kompliziertes, eben pure Trinkfreude.

Wir verließen das GenussFraktionsgemäuer jedoch nicht ohne vom hausgemachten Sorbet gekostet zu haben. Das gab es in zwei verschiedenen Geschmacksrichtungen: grüner Apfel und Himbeercrème und wurde uns in zwei Weckgläsern serviert. Das waren schon zwei ordentliche Portionen, die vom Pacojet den Weg ins kleine Einmachglas fanden. Besonders die „Granny-Smith-Version“ hatte es mir angetan. Das süß-saure Apfelaroma war umwerfend.

Nach diesem Erstbesuch habe ich die Erkenntnis gewonnen, dass zu authentischen Speisen auch ein authentischer Typ im Service passt. Dominic Theobald steht für beides. Ich hoffe, dass sein Konzept in dieser touristisch geprägten Gastromeile der Südlichen Weinstraße Anklang findet. Seine französisch inspirierte Regionalküche hätte es allemal verdient.
DETAILBEWERTUNG
Service
Sauberkeit
Essen
Ambiente
Preis/Leistung


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